Bundeswehr-Rekruten stehen während des feierlichen Gelöbnisses in der Vogelsanghalle in Kramerhof.
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Bundeswehr-Rekruten stehen während des feierlichen Gelöbnisses in der Vogelsanghalle in Kramerhof.

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Nachwuchs-Problem der Bundeswehr: Elf Prozent weniger Bewerber

Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2031 soll die Zahl der Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr auf 203.000 steigen. Doch die Bewerbungen waren zuletzt rückläufig. Ein Trend, den die Bundestags-FDP umkehren will.

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Ein abdrehender Kampfjet, ein Kriegsschiff in schwerem Wellengang, ein Soldat, der sich von einem Hubschrauber abseilt: Bilder wie diese sind Teil einer Imagekampagne, mit der die Bundeswehr im vergangenen Jahr um Nachwuchs geworben hat. Titel: "Wir schützen Deutschland". Unter anderem mit Plakatwerbung und Social-Media-Videos hat es die Kampagne auf 1,1 Millionen Kontakte gebracht – und das in wenigen Wochen, wie im aktuellen Jahresbericht der Wehrbeauftragten nachzulesen ist.

Elf Prozent weniger Bewerbungen bei Bundeswehr

Trotz dieser Imagepflege ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für eine militärische Laufbahn im Jahr 2022 zurückgegangen – auf knapp 44.000. Ein Minus von rund elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das im Jahr der Zeitenwende, in dem der Bundeswehr so viel Aufmerksamkeit zuteilwurde wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Das erklärte Ziel von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 darf also als ambitioniert gelten. Manche in Berlin halten es gar für illusorisch. Noch ist die Truppe mit einer Stärke von rund 183.000 Frauen und Männern jedenfalls weit von der Zielgröße entfernt.

FDP: "Sichtbarkeit der Bundeswehr erhöhen"

Vor diesem Hintergrund wird jetzt aus den Reihen der FDP-Fraktion ein Strategiewechsel bei der Nachwuchsgewinnung gefordert. "Wir wollen Anerkennung und Sichtbarkeit der Bundeswehr erhöhen", sagt FDP-Verteidigungspolitiker Nils Gründer im BR24-Interview. Deshalb sollten öffentliche Gelöbnisse von Rekrutinnen und Rekruten aus seiner Sicht die Regel sein – und nicht die Ausnahme.

Das ist eine Forderung aus einem Positionspapier, das Gründer an diesem Dienstag im zuständigen Gremium der FDP-Fraktion einbringt und das BR24 vorliegt. Ein Beschluss dazu steht noch aus, Gründer setzt aber auf die Unterstützung seiner Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion.

Digitale Bewerbungen statt Papierkram

Ein weiterer Punkt aus dem Konzept, der dem Oberpfälzer Abgeordneten wichtig ist: Bewerbungsprozesse müssen seiner Ansicht nach digitalisiert werden, und zwar vollständig. Bewerberinnen und Bewerber seien immer noch gezwungen, Unterlagen auszudrucken und an die Bundeswehr zu schicken.

Privatwirtschaftliche Unternehmen legen hier Gründer zufolge ein höheres Tempo an den Tag – was aus seiner Sicht die Gefahr mit sich bringt, dass sich Interessenten im Zweifel für eine Karriere in der Wirtschaft entscheiden. Die Bundeswehr habe dann das Nachsehen.

FDP will weg von der "Pendlerarmee"

Außerdem wird in dem FDP-Papier dafür geworben, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst bei der Truppe zu verbessern. Zum Beispiel, indem bei der Wahl des Einsatzorts die Interessen von Bewerberinnen und Bewerbern besser berücksichtigt werden. Bisher müssen viele Bundeswehrangehörige zwischen Wohnort und Kaserne pendeln, oft quer durchs Land. Aus diesem Grund wird die Truppe auch "Pendlerarmee" genannt, was wohl nicht als Kompliment gedacht ist.

Bundeswehr soll für Frauen attraktiver werden

Als weitere Herausforderung wird in dem Konzept genannt, die Bundeswehr insbesondere für Frauen attraktiver zu machen. Der Anteil der Soldatinnen lag zuletzt gerade einmal bei rund 13 Prozent (einschließlich Sanitätsdienst).

Deshalb sieht auch die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, in diesem Punkt großen Nachholbedarf. In ihrem Jahresbericht spricht sich die SPD-Politikerin etwa dafür aus, schon in der Karriereberatung mehr Frauen einzusetzen, "um Bewerberinnen frauenspezifisch zu beraten". Und der Abgeordnete Gründer schlägt unter anderem vor, das Mentoringprogramm des Verteidigungsministeriums für weibliche Führungskräfte zu erweitern.

Bundeswehr: mehr Flexibilität bei Einstellungen gefordert

Schließlich ist dem FDP-Politiker noch wichtig, dass die Bundeswehr ihre Personalpolitik flexibilisiert. Dazu heißt es im Positionspapier: "Je strikter eine Einstellungsentscheidung auf Abschlüssen anstatt auf Fähigkeit beruht, desto begrenzter ist die Gruppe an Bewerberinnen und Bewerbern."

Folglich sollte in Zukunft praktisches Know-how maßgeblich sein, findet Gründer – und nicht formale Qualifikation. Fähige IT-Fachleute beispielsweise könnten auch dann einen Beitrag zur Cyber-Abwehr leisten, so der Gedanke, wenn sie keinen Schul- oder Berufsabschluss haben.

Experte Mölling fordert systematische Datengrundlage

Auch Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist dafür, die Einstellungspraxis bei der Bundeswehr zu flexibilisieren. Bisher sei es so, dass "jede Nische" bei der Bundeswehr ihre "eigene Elite" habe. Das sollte sich ändern, wie der Experte für Sicherheitspolitik im Gespräch mit BR24 deutlich macht. Allerdings vermisst er in der Diskussion eine belastbare Datengrundlage: So gebe es bisher etwa keine systematische Studie dazu, warum Menschen ihren Dienst bei der Bundeswehr abbrechen.

Zahlen zur Abbrecherquote selbst gibt es allerdings – und sie sind nicht ermutigend. Laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten lag die Quote unter neu dazugekommenen Zeitsoldaten im Jahr 2022 im Bundeswehr-Durchschnitt bei 27 Prozent. Im Heer waren es fast 33 Prozent. Die Zahlen zeigen: Die Bundeswehr steht vor großen Herausforderungen – nicht nur durch die veränderte geopolitische Lage.

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