Ein Angeklagter verdeckt seinen Kopf mit einer schwarzen Jacke, sein Verteidiger sitzt im Hintergrund.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Löb

Es geht um 77-fache Vergewaltigung: Im Prozess gegen einen ehemaligen Security eines Asylheims hat heute ein Pfarrer ausgesagt.

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Vergewaltigungsvorwürfe in Asylheim: "Männer missbrauchen Macht"

77-fache Vergewaltigung an zwei Bewohnerinnen wird einem ehemaligen Security einer Nürnberger Asylunterkunft vorgeworfen. Seit Oktober wird verhandelt. Heute sagte ein Pfarrer aus. Ihm hatte sich das mutmaßliche Opfer anvertraut.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

"Da läuft etwas nicht gut", das hat ein Pfarrer nach vielen Gesprächen mit dem mutmaßlichen Opfer, das in einer Asylunterkunft in Nürnberg lebte, gemerkt. Am heutigen, dreizehnten Verhandlungstag am Landgericht Nürnberg-Fürth berichtete der Geistliche alles, was das Beichtgeheimnis zuließ. Er begleitete die Geschädigte über mehrere Jahre, taufte sie, als sie sich vom Islam abwandte, nahm ihr die Beichte ab, führte viele Gespräche mit ihr.

Eine "Kämpfernatur" mit Angst

Als eine "Kämpfernatur" beschreibt der Pfarrer das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer. Als eine Frau, die für ihre Dinge einsteht, eine Frau, die Ungerechtigkeit nicht dulde. Und dennoch: Sie habe sich ihm nicht direkt anvertraut, nicht sofort von den mutmaßlichen Taten berichtet. Wohl aus Angst. Angst, dass man ihr "als Frau" nicht glaubt. Angst vor der Rache des Angeklagten, einem 54 Jahre alten Sicherheits-Mitarbeiter, der in der Unterkunft beschäftigt war. In dieser Funktion war er für die Frauen erster Ansprechpartner bei Fragen und Problemen. Ihre "Not", wie sich der Pfarrer vor Gericht ausdrückte, habe er der Geschädigten deutlich gemerkt. Daraufhin habe er ihr geraten, zur Polizei zu gehen, die Vorwürfe prüfen zu lassen.

Frauen zu sexuellen Handlungen gedrängt?

Die Geschädigte habe ihm berichtet, dass Frauen zu sexuellen Handlungen gedrängt worden seien, "die nicht in Ordnung sind". Auch hätten Frauen Dinge des täglichen Bedarfs und Sachspenden vom Angeklagten bekommen – für "Gegenleistungen". Für die Geschädigte sei es ein großes Problem gewesen, dass man ihrer Version der Geschehnisse nicht glauben könnte, sie soll auch Angst vor Rache durch den Angeklagten geäußert haben. "Man glaubt uns Frauen ja nicht", habe sie gesagt.

Asylunterkünfte: Unsicheres Klima

Der Pfarrer arbeitet auch als Seelsorger für Geflüchtete, hat über Jahre hinweg mit vielen gesprochen und ihnen geholfen. Dadurch hat er Einblicke in verschiedene Asylunterkünfte. Nicht nur in der Unterkunft in Nürnberg-Schmausenbuck gebe es bei den Bewohnerinnen das Gefühl, in solchen Heimen nicht sicher zu sein. Es herrsche ein Klima, in dem Männer wenig feinfühlig vorgehen, ihre Machtposition ausnutzen, habe die Geschädigte dem Pfarrer vermittelt.

Sie habe beklagt, die Frauen wüssten um ihre Pflichten Bescheid, nicht aber über ihre Rechte. So sei es auch in Schmausenbuck zu einem Vorfall gekommen, bei dem eine Bewohnerin aus der Dusche kam und ein Hausmeister ungebeten im Zimmer gestanden haben soll.

Zweiter Security: weitere sexuelle Belästigung?

Der zweite Zeuge, der heute vor Gericht aussagte, war erneut ein Sicherheitsdienstmitarbeiter, der früher in der Unterkunft am Schmausenbuck beschäftigt war. Mittlerweile arbeitet er in einer anderen Unterkunft, in der ausschließlich Männer wohnen. Denn: Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung, die er in dem Heim am Schmausenbuck begangen haben soll. Aus diesem Grund wurde der Zeuge von seinem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand begleitet, damit er sich nicht selbst belastet. Neue Erkenntnisse ergaben sich aus der Befragung des Mannes nicht. Wie einige andere seiner Kollegen schilderte er den Angeklagten als guten Menschen und netten Kollegen. Weiter könne er keine Angaben zur Sache machen.

Urteil im Februar?

Seit Ende Oktober muss sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung in mindestens 77 Fällen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Der ehemalige Security-Mitarbeiter weist die Vorwürfe von sich, hatte sogar vor seiner Verhaftung selbst Anzeige wegen Verleumdung gegen die Geschädigte gestellt. Die Beweisaufnahme gestaltet sich schwierig, es steht Aussage gegen Aussage.

Ursprünglich war die Hauptverhandlung lediglich bis zum 14. Dezember mit neun Tagen terminiert. Derzeit sind noch Verhandlungstage bis zum 9. Februar und damit insgesamt 18 Termine geplant. Dann könnte auch ein Urteil fallen.

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