Bus hält an Haltestelle
Bildrechte: BR

Wie sieht die Zukunft des ÖPNV aus?

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Kostenloser ÖPNV – überall in Bayern denkbar?

Immer wieder gibt und gab es Versuche für einen kostenlosen Nahverkehr, den jüngsten hat Erlangen gestartet: Seit Anfang des Jahres ist der ÖPNV in der Innenstadt kostenlos. Ist das nur Marketing oder der Schlüssel zur Verkehrswende?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

An der Haltestelle die Tarifzonen entschlüsseln, dann mit dem Automaten um ein Ticket ringen, das hoffentlich das richtige ist und sich ärgern, dass es schon wieder teurer geworden ist. Oder einsteigen und beim Fahrer ein Ticket kaufen, mit der fluchenden Fahrgastschlange im Nacken. Das ist oft die Realität bei einer Fahrt mit den "Öffis". Viele nehmen da lieber das Auto. In Erlangen sind seit diesem Jahr die Busse in der Innenstadt kostenlos – ist das der richtige Weg für den ÖPNV in ganz Bayern? Die Antworten aus anderen fränkischen Städten fallen unterschiedlich aus.

Schweinfurt setzt auf Digitalisierung

"Kostenlos ist immer schön, aber jemand muss es zahlen", das sagt die Finanzreferentin der Stadt Schweinfurt, Anna Barbara Keck. Sie hält einen kostenlosen Nahverkehr in ihrer Kommune nicht für sinnvoll. Schon gar nicht in der Innenstadt: Diese sei relativ klein und zudem von vier Parkhäusern in direkter Nähe umringt. Der gewünschte Effekt, dass das Auto zugunsten des ÖPNV stehen bleibt, würde nicht erreicht. Vom Roßmarkt, dem zentralen Busbahnhof in der Stadt, lasse sich die Innenstadt gut zu Fuß erreichen.

Ein kostenloser ÖPNV sei zudem mit Blick auf die aktuelle Haushaltslage nicht zu rechtfertigen. Im Jahr 2018 war in Schweinfurt zur Debatte gestanden, den ÖPNV an den vier Adventssamstagen kostenlos zu machen. Dieser Vorschlag wurde vor allem von der CSU-Fraktion im Schweinfurter Stadtrat abgelehnt. Keck spricht von Kosten im fünfstelligen Bereich. Zielführender sei es, den ÖPNV attraktiver zu machen – durch Digitalisierung und höhere Nutzfreundlichkeit. Dazu haben die Stadtwerke, eine Tochtergesellschaft der Stadt Schweinfurt, ein neues Ticketsystem vorgestellt.

Automatisches Ticket beim Einsteigen

Ab Dezember 2024 sollen die Fahrgäste einfach in einen Stadtbus einsteigen können, ohne sich Gedanken um das Ticket machen zu müssen, erklärt Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schweinfurt. An den Eingängen der Busse lesen NFC-fähige Geräte vom Handy oder direkt von der Bankkarte die nötigen Daten ein. Beim Aussteigen hält man zum Beispiel sein Handy erneut an das Lesegerät und der beste Tarif für diese Fahrt wird automatisch errechnet und abgebucht.

Tickets in analoger Form wird es dann nicht mehr geben, auch eine App wird nicht benötigt. Wer dennoch nicht auf ein separates Ticket verzichten kann oder will, kann sich eine Prepaidkarte kaufen. Außerhalb des Stadtgebietes hält es Keck für notwendig, statt kommunaler Kleinteiligkeit in puncto Tarifen und Verbünden auf einheitliche, flächendeckende Lösungen zu setzen – wie mit dem aktuell gültigen Deutschlandticket.

Kostenlose "Samstagsbusse" in Aschaffenburg

Die Stadt Aschaffenburg hat dagegen schon Erfahrung mit einem kostenlosen ÖPNV-Angebot gesammelt. Seit etwa fünf Jahren sind die Stadtbusse samstags kostenfrei. Ein Erfolgsmodell sei das aber nicht, erklärt die Stadt auf Nachfrage. Der Individualverkehr mit dem Auto habe dadurch nicht abgenommen, die Kosten lägen jährlich bei über 400.000 Euro. Das Angebot wird laut Pressestelle nur von Menschen genutzt, die sich vorher zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Stadt bewegt hätten. Die Stadtverwaltung will die kostenlosen Samstagsbusse deswegen zum Juli streichen. Das hatte der Stadtrat bislang abgelehnt, jetzt soll noch einmal geprüft und entschieden werden.

Gescheiterter Bürgerentscheid in Würzburg

Auch in Würzburg besteht keine große Bereitschaft für einen kostenlosen ÖPNV im Stadtgebiet. 50 bis 60 Millionen Euro Steuergelder pro Jahr würde das kosten, sagt Ralf Willrett, Geschäftsführer Mobilität der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV). Erfahrungen in anderen Städten und auch eigene Versuche hätten gezeigt, dass ein kostenloser ÖPNV in der Innenstadt keine Autofahrer in Bus und Straßenbahn bringt. Kostenloser ÖPNV alleine reicht für die Verkehrswende laut Willrett ohnehin nicht aus. Als zusätzliche Maßnahmen müsste etwa die Zahl der Parkplätze reduziert werden oder der Raum dafür anders genutzt werden. Ein solches Konzept wurde in Würzburg bereits verfolgt und wurde per Bürgerentscheid abgelehnt.

ÖPNV wird laut Willrett zukunftsfähig und attraktiv, wenn man die Takte im Fahrplan verdichte und das Angebot ausbaue. Sehr interessiert schaue man auch nach Schweinfurt, wie die Resonanz für das geplante, automatische "Check-in-Check-Out"-System ausfällt.

Bis dahin plagen die WVV selbst ganz andere Sorgen: Die halbe Straßenbahnflotte sei immer noch außer Betrieb und im schlimmsten Fall erst in eineinhalb Jahren wieder voll einsatzfähig, so Willrett. An einer Bahn sei am Fahrwerk eine Radschwinge gebrochen, weshalb aus Sicherheitsgründen die ganze Baureihe aus dem Verkehr gezogen wurde. Prüfung und Reparatur nehmen viel Zeit in Anspruch, idealerweise können die Bahnen aber Stück für Stück wieder freigegeben werden. Seit Anfang November gilt wegen des Ausfalls der Hälfte der Straßenbahnen ein verschlankter Ersatzfahrplan.

Ausblick 2025: ein Ticket für ganz Mainfranken

Anfang 2025 wird das Verkehrsverbundsnetz Mainfranken (vvm) Geschichte sein und vom Nahverkehr Mainfranken (NVM) abgelöst. Bis auf den Bayerischen Untermain werden sich sieben Landkreise und zwei kreisfreie Städte zu einem Verkehrsbund zusammenschließen. Das Ziel der Gebietserweiterung: ein Netz, ein Fahrschein und ein einheitlicher Tarif für die komplette Region Mainfranken. Geschäftsführer Christopher Alm hält eine kostenlose Nutzung dieses Angebotes für unrealistisch. Allein die Fahrgeldeinnahmen belaufen sich auf über 80 Millionen Euro. Dieser Ausfall müsste kommunal und staatlich aufgefangen werden. Und dafür würden laut Alm an anderer Stelle Subventionen gestrichen, die beispielsweise die Anschaffung neuer Fahrzeuge betreffen könnte.

Für Unterfranken, aber auch für ganz Bayern und Deutschland hält Alm einen kostenlosen ÖPNV für Wunschdenken. Das kostenlose Angebot in der Erlanger Innenstadt habe ihn überrascht. Es gebe mit dem 365-Euro-Ticket für Auszubildende, Schülerinnen und Schüler, den Semestertickets der Studierenden und dem 49-Euro-Ticket schon jetzt gute und günstige Angebote. Die Fahrschein-Einnahmen seien ein wichtiger Baustein der Finanzierung: Die Digitalisierung und Erweiterungen des Angebots, gerade im ländlichen Raum, seien wichtig und nicht kostenlos. Als positives Beispiel für die Öffis auf dem Land nennt Christopher Alm den Nahverkehr auf Abruf namens "Callheinz" im Landkreis Schweinfurt.

Fahrt in einer Würzburger Straßenbahn.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

In Erlangen ist der ÖPNV in der Innenstadt seit Anfang des Jahres kostenlos. Ist das in ganz Bayern denkbar?

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!