Sonnenkollektoren / Photovoltaikanlage auf einem Hausdach.
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Sonnenkollektoren / Photovoltaikanlage auf einem Hausdach.

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Warum Eigentümer Potenzial bei Solarstrom oft nicht ausschöpfen

Wer eine Photovoltaikanlage betreibt, bekommt kaum Geld für überschüssigen Strom. Die Einspeisevergütung ist gering und übrigen Strom dem Nachbarn zu geben ist auch nicht möglich. Wie gehen Vermieter, Mieter und Stromanbieter mit der Situation um?

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Mit dem geplanten Solarpaket soll sich nach dem Willen der Bundesregierung in Zukunft einiges ändern, damit auch Gebäude endlich leichter mit Photovoltaik ausgestattet werden können. Doch noch liegt in diesem Bereich einiges im Argen.

Herausforderung: Eigentümergemeinschaften und rechtliche Hürden

Ein Beispiel: Der Vermieter Walter B. hätte gerne Photovoltaik auf dem Dach. Doch seine Pläne platzen gerade. Er vermietet seine Zweizimmerwohnung in einer Anlage am Stadtrand von München. Das Haus hält eine Eigentümergemeinschaft aus 24 Parteien. Das Dach hat eine Ost-West-Ausrichtung und eine große Fläche nach Süden. "So hätten wir von frühmorgens, wenn die Sonne aufgeht, bis sie wieder untergeht im Sommer, ordentlich Strom", sagt Walter B.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Hausverwaltung habe mitgeteilt, dass dadurch, dass es eine Eigentümergemeinschaft sei und man Strom gewinnbringend produziere und verkaufe, eine Gesellschaft gegründet werden müsse. Eine gemeinsame Firma, um den Strom im Haus zu nutzen und an Mieter zu verkaufen – bei 24 Parteien kompliziert.

Rechtslage: Mieter muss Strom nicht abkaufen

Rechtsanwalt Rudolf Stürzer vom Verein 'Haus und Grund' in München berät Eigentümergemeinschaften und Hausverwaltungen. Er sieht grundsätzliche Probleme: "In einer Wohnungseigentümeranlage scheitert die Errichtung einer PV-Anlage regelmäßig an den notwendigen Mehrheiten", bestätigt Stürzer.

Nötig sei zwar nur die einfache Mehrheit für den Beschluss, solch eine Anlage zu errichten, "aber wenn alle mitzahlen sollen, dann braucht man eine Dreiviertelmehrheit und diese scheitert in der Regel dann, wenn die Mehrzahl der Wohnungen vermietet sind, weil der Vermieter keinen Rechtsanspruch hat, dass der Mieter ihm den von der Anlage produzierten Strom auch abkauft."

Jonas hat die Wohnung von Walter B. gemietet. Er müsste also den Strom vom Dach gar nicht nehmen, kann seinen Versorger frei wählen. So legt es das EU-Verbraucherrecht bislang fest. "Also ich würde schon auf den Preis schauen, aber wenn es nicht erheblich teurer wäre, würde ich mich dann tatsächlich auch für den Solarstrom entscheiden", sagt Jonas.

Einspeisung ins öffentliche Netz unrentabel

Das müsste er allerdings nicht. Dann bliebe seinem Vermieter nur die Möglichkeit, den Strom für rund acht Cent pro Kilowattstunde in das öffentliche Netz einzuspeisen. Zu diesem Preis aber würde die Investition in eine PV-Anlage für die Wohnungseigentümergemeinschaft unrentabel.

"Wenn Mieter verpflichtet wären, was im Augenblick leider nicht der Fall ist, den von der PV-Anlage der WEG produzierten Strom auch abzukaufen, dann würde sich der Anteil der Eigentümer, die zustimmen, deutlich erhöhen", ist Rudolf Stürzer vom Münchner Verein 'Haus und Grund' überzeugt.

Und jede vierte Wohnung in Bayern gehört zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Große Dachflächen, die viel Sonnenstrom-Potenzial hätten, wenn es eine Abnahmeverpflichtung oder eine höhere Einspeisevergütung gäbe.

Beispielprojekt: Münchens größte Mieterstromanlage

Leichter haben es da Philipp Hartmann und Manuel Welte. Die beiden realisieren gerade Münchens größte Mieterstromanlage. Eine Partnerschaft zwischen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft 'München Wohnen' und den Stadtwerken.

'München Wohnen' stellt den Technikraum im Keller und die Dächer der Wohnanlage Harthof. Die Stadtwerke München SWM montieren und betreiben die Photovoltaik und verkaufen den Strom an die Mieter. Im Frühjahr soll der erste Teil in Betrieb gehen, wenn das Solarpaket 1 endgültig verabschiedet wurde. Nach und nach soll die Anlage dann für 850 Wohnungen auf 1,8 Megawatt erweitert werden. Die Stadt sieht es als Prestigeprojekt und geht in Vorleistung.

Doch das wirtschaftliche Risiko, den Strom am Ende nicht an die Mieter verkaufen zu können, weil diese den Anbieter frei wählen können, besteht hier genauso wie bei der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Stadtwerke hoffen auf viele Teilnehmende

"Wir sind auf eine hohe Teilnahmequote angewiesen", sagt Manuel Welte von den Stadtwerken. "Wenn wir die nicht bekommen, müssen wir den Strom zu einem relativ günstigen EEG-Vergütungssatz ins Netz einspeisen, und das frisst dann unsere Rendite. Das heißt, wir werden alles versuchen, die Mieter:innen auf unsere Seite zu bekommen, werden den Stromtarif günstig anbieten, und werden die Leute davon überzeugen, dass es einfach Sinn macht, an der regionalen Energiewende zu partizipieren."

Einer dieser Mieter ist Bernd Wolf. Er lebt mit Frau und zwei Töchtern auf 70 Quadratmetern. Ihm wurde das Mieterstrommodell schon angekündigt, grundsätzlich findet er es prima. Ein konkretes Angebot hat er aber noch nicht. Auch wenn der Mieterstrom gesetzlich geregelt mindestens zehn Prozent günstiger sein muss als der örtliche Grundtarif, könnte es sein, dass er einen günstigeren Tarif findet.

Dennoch sagt Wolf: "Ich bin - dadurch dass wir eine städtische Wohnung hier angemietet haben - in einer gewissen Weise auch loyal gegenüber der Stadt München und gegenüber den Stadtwerken." Bei 850 Wohnungen geht es über die Masse, da wäre es auch verschmerzbar, wenn mancher Mieter nicht mitmacht.

Leuchtturmprojekt in München

Auf einem Dach in München soll eine ganz große Idee wachsen: Eines von fünf EU-weiten Leuchtturmprojekten, gefördert im Rahmen des EU-Green-Deals. Serena Keller von der technischen Universität München ist die Projektleiterin und Motor der Idee. Die erste von vielen Photovoltaikanlagen wird die Sozialeinrichtung Perlacher Herz bekommen, Gründungsmitglied der sogenannten Energiegemeinschaft Neuperlach. Der Plan: sehr viele im Quartier schließen sich zusammen in einer Genossenschaft. Potenzial für Photovoltaik gibt es auf den umliegenden Flachdächern zur Genüge.

"Die Dachbesitzer verpachten die Flächen und sind auch Teil der Gemeinschaft", sagt Keller. "Mitmachen kann jeder, der Interesse hat. Die schließen sich zusammen und es werden Flächen mitgebracht, es werden Zeit und Expertise mitgebracht und es wird das Investment mitgebracht, was dann zusammen die Gemeinschaft bildet und die Anlagen finanziert."

Energysharing über öffentliches Netz in Deutschland nicht erlaubt

Ein Stück weiter im Quartier will die Kirche mitmachen. Photovoltaik auf den großen Dachflächen könnte viel Sonnenstrom produzieren. Die Kirche selbst hat aber wenig Verbrauch, würde gerne an den benachbarten Kindergarten den überschüssigen Strom abgeben, im Quartier teilen. In Deutschland ist das aber nicht erlaubt.

Daran droht selbst ein gefördertes EU-Leuchtturmprojekt zu scheitern. "Da wir die lokal produzierte Energie, den Strom, nicht an Nachbargebäude weitergeben können. Das Energysharing wird nicht unterstützt, es gibt regulatorische Hürden. Und somit können wir es lediglich einspeisen und nicht wirklich im Quartier nutzen", erläutert Keller. Das sei ja der eigentliche Gemeinschaftsgedanke. Es brauche auch Unterstützung von der Politik, um die regulatorischen Hürden zu beseitigen, "um den Strom auch wirklich im Quartier denken zu können", fügt Keller hinzu.

Andere EU-Länder wie Österreich oder Spanien sind da wesentlich weiter. Energysharing über das öffentliche Stromnetz ist dort erlaubt und Energiegemeinschaften werden ausdrücklich gefördert. In Deutschland ist der politische Weg dafür noch nicht geebnet.

Im Video: Wann es sich lohnt, PV-Anlagen reinigen zu lassen

Ein Mann beim Reinigen der Paneele einer großen Photovoltaik-Anlage
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PV-Anlagen reinigen

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