Ministerpräsident Markus Söder im Landtag
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Söder verspricht Gender-Verbot, Hightech-Oscar und KI-Uni

Investitionen in Technik und Fortschritt, ein Gender-Verbot für Schulen und Verwaltung, eine Reise nach Israel: Bayerns Ministerpräsident Söder hat im Landtag seine Pläne für die neue Legislaturperiode präsentiert. Die Opposition ist unzufrieden.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) möchte im Freistaat in den nächsten Jahren den technischen Fortschritt massiv fördern. In seiner ersten Regierungserklärung der aktuellen Legislaturperiode kündigte der Ministerpräsident im Landtag an, in Nürnberg werde die erste rein auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Universität Deutschlands errichtet - die Franconian University of Artificial Intelligence (FUAI).

Ziel der bayerischen Raumfahrtstrategie sei unter anderem, Oberpfaffenhofen zum "Houston Deutschlands" zu entwickeln: Zusammen mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA könne möglicherweise das europäische Mondkontrollzentrum im Freistaat angesiedelt werden. Zudem solle in Bayern ein Testzentrum für zukunftsweisende Raketenantriebe entstehen.

Ab 2024 werde ein Zukunftspreis des bayerischen Ministerpräsidenten ausgelobt – der "sogenannte Hightech-Oscar" für die schlauesten Köpfe und Start-ups im Land, sagte Söder. Im Verkehrsbereich will die Staatsregierung eine Magnetschwebebahn erproben – auf einer Teststrecke in Nürnberg.

"Werden Gendern in Schule und Verwaltung untersagen"

Besonders viel Applaus erhielt Söder für sein Versprechen, der Gendersprache im Freistaat einen Riegel vorzuschieben. Mit der schwarz-orangen Staatsregierung werde es nicht nur kein verpflichtendes Gendern geben, sagte der CSU-Politiker. Im Gegenteil: "Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen." Nähere Angaben machte er dazu zunächst nicht.

Reise nach Israel

Für nächste Woche kündigte Söder seine erste Reise der neuen Legislaturperiode an: Um ein klares Bekenntnis für Israel und jüdisches Leben zu setzen, werde er Israel besuchen. Bayern gebe ein Schutzversprechen ab: "Das Existenzrecht Israels ist bayerische Staatsräson. Wer jüdisches Leben angreift, greift uns alle an. Da gibt es null Pardon."

Der Ministerpräsident bekräftigte, dass die Koalition sich von radikalen Kräften abgrenzen wolle. Wer die Brandmauer zu rechtsradikalen Gruppen aufgebe, mache sie erst hoffähig. Weimar sei auch gescheitert, weil die Demokraten keine Kraft gehabt hätten, den Radikalen zu widerstehen. "Wer die Brandmauer einreißt, wird am Ende selbst daran verbrennen."

Söder rechnet mit Ampel ab

Söder nutzte seine 75-minütige Rede auch zu einem Rundumschlag gegen die Ampel: Bayern habe eine "Kraftkoalition" statt einer "komplett überforderten Ampel". Die Koalition aus CSU und Freien Wählern sei keine Liebesheirat, aber "viel mehr als eine Zweckehe". Sie beruhe auf gemeinsamen Zielen, Vorstellungen und einem "neu gefundenen Vertrauen". Die Grundidee der Ampel, "alles mit Verboten und Ideologie zu machen", lehne die Staatsregierung ab.

Für die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland sei die Politik der Bundesregierung verantwortlich. Wäre Bayern allein, gäbe es weniger Anlass zu Sorge, sagte Söder. Scharfe Kritik übte er an der Energiepolitik der Ampel ("ideologischer Selbstbetrug"), der "Erhöhung der Mehrwertsteuer" für die Gastronomie ("unsozial", "Gift für die Konjunktur"), dem Kurs des Bundes bei der E-Mobilität ("Irrweg") und am Umgang mit der Landwirtschaft ("Fehler" und "Verbote") sowie am Heizgesetz ("unsäglich) und dem Bürgergeld ("die falsche Konzeption").

AfD: "Ausschnitte aus AfD-Wahlprogramm"

Bei der anschließenden Debatte im Landtag gab es ein Novum: Erstmals durfte die AfD als stärkste Oppositionsfraktion direkt auf eine Regierungserklärung Söders antworten. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner sagte, sie habe in der Rede "einige Ausschnitte aus unserem AfD-Wahlprogramm gehört" – beispielsweise gegen "grünen Sozialismus", für ein Gender-Verbot oder die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Asylbewerber. "Ich möchte unseren Wählern gratulieren", sagte Ebner-Steiner: "AfD wirkt."

Im Anschluss ließ die AfD-Fraktionschefin kein gutes Haar an der Politik im Bund und in Bayern. Die Energiepolitik sei eine "Katastrophe" und schon mit der CSU als Teil der Bundesregierung fehlgeleitet gewesen. Deswegen "droht uns jetzt der Totalausfall", so die AfD-Politikerin. Auch dass sich die CSU nun für "modernste und sichere Kernenergie" einsetze, zeige die Wirkung der AfD.

Als weitere Katastrophe bezeichnete Ebner-Steiner die "Migrationskrise", die eigentlich eine "Invasionskrise" sei. "Menschen ohne ausreichende Berufsausbildung und nicht selten Sozialleistungsforderer" kämen nach Bayern, um sich "Bürgergeld abzuholen". Bei den meisten wisse man nicht, wovor sie überhaupt flüchteten, schließlich herrsche in ihren Herkunftsländern Frieden, "wie übrigens auch in einem Großteil der Ukraine", sagte Ebner-Steiner. Mit Sozialleistungen werde "ein Heer aus Habe- und Taugenichtsen" angelockt. Dem Ministerpräsidenten warf sie vor: "Ihre Politik ist der größte Schaden für Bayern seit Ende des Zweiten Weltkriegs."

CSU-Konter: Fragen Sie den Verfassungsschutz

Für die CSU antwortete Fraktionschef Klaus Holetschek auf die AfD-Attacke. Mit Blick auf Ebner-Steiners Behauptung, die AfD wirke, betonte er: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Verfassungsschutz." Die AfD solle sich von den Mitgliedern und Abgeordneten distanzieren, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Auch Holetschek kritisierte die Bundesregierung für das Bürgergeld. Es sei falsch, "wenn wir in dieser Gesellschaft die Anreize setzen, nicht mehr zu arbeiten". Leistungsträger müssten im Mittelpunkt stehen und belohnt werden – nicht die, "die den Staat ausnutzen".

Zugleich räumte der CSU-Politiker ein, dass er selbst für die Verwendung des Begriffs "Leitkultur" zuletzt "vielleicht auch zurecht" gescholten worden. Doch Toleranz, Gleichberechtigung, Demokratie und Rechtsstaat seien Werte, die "uns tragen". Und diese müssten "auch diejenigen leben, die zu uns ins Land kommen". Sonst hätten "sie in diesem Land nichts zu suchen".

Video: Politikwissenschaftler über Regierungserklärung

Gespräch mit Prof. Klaus Stüwe, Politikwissenschaftler
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Gespräch mit Prof. Klaus Stüwe, Politikwissenschaftler

Grüne: "Ambitionslose Ideen"

Nach Meinung von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hat Bayern "mehr verdient als diese Kraftlos-Koalition". Sie habe sich schon vorab keine Illusionen gemacht, was von dieser Regierungserklärung zu erwarten sei. An Söder gewandt sagte sie: "Mir war klar, dass viel Fingerzeigen nach Berlin kommt, dass Sie ein bisschen rumjammern werden, dass Sie ein bisschen Schulterklopfen von sich geben werden. Und natürlich ist Ihre Obsession mit dem Thema Gendern auch mal wieder sichtbar geworden", beklagte Schulze. Zugleich feiere der Ministerpräsident ambitionslose Ideen als Durchbruch.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die Grünen-Politikerin unter anderem beim Klimaschutz. "Wenn wir die Heimat für unsere Kinder und für uns bewahren wollen, dann braucht es konsequenten Klimaschutz." Die politisch Verantwortlichen dürften jetzt keine Zeit mehr verlieren. Auch der Freistaat müsse mehr machen, als auf Papier zu schreiben, dass Bayern bis 2040 klimaneutral sein wolle. Ein weiterer "blinder Fleck" der Staatsregierung sei der Umgang mit dem Artensterben. "Was sie nicht angehen, ist, wie wir den Artenschwund begrenzen können." Einen dritten Nationalpark lehne die Koalition ab, dabei sei er dringend nötig – "für den Schutz der Arten und für den nachhaltigen Tourismus". Der "langsame Ausbau" der erneuerbaren Energien im Freistaat sei ein "katastrophaler Fehler".

Schulze beklagte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde in Bayern noch immer "zum Großteil auf dem Rücken von Frauen ausgetragen". Die Betreuung von kleinen Kindern und alten Eltern bleibe vielfach an Frauen hängen. Es sei Aufgabe der Staatsregierung, dafür zu sorgen, dass es genug Betreuungsplätze gebe, von der Kita bis zu den Pflegeheimen: "Da haben Sie ebenfalls versagt", rief die Grünen-Fraktionschefin. "Es fehlen 70.000 Kita-Plätze in ganz Bayern." Nötig seien unter anderem bessere Arbeitsbedingungen in den sozialen Berufen, "denn die Menschen, die dort arbeiten sind unser Rückgrat".

Freie Wähler attackieren Grüne und AfD

Der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Florian Streibl warf Schulze vor, sie habe mit "viel Schaum vor dem Mund" geredet. "Eine so von einem gewissen Fanatismus getriebene Politik wollen wir hier in Bayern nicht. Und: Sie sind nicht die bayerische Jeanne d'Arc, Sie sind nur die Vorsitzende der Grünen." Schulze habe schöne grüne Träumereien verbreitet, "die aber in der Realität nicht greifen". Sie habe der Koalition vorgeworfen, sie sei kraftlos. "Aber wer in Wahrheit kraftlos ist, das ist die Bundesregierung." Die Ampel mache handwerkliche Fehler und regiere an den Menschen vorbei. Vielleicht sei es notwendig, "dass eine solche Regierung dann Cannabis freigibt, weil das ist das Einzige, um die Menschen dann noch zu beruhigen, wenn man eine solche Politik macht".

Der AfD warf Streibl vor, sie führe zum Verlust des Friedens – "zuerst des inneren Friedens und dann des Friedens in der Welt". Solche Brandstifter brauche es in Deutschland nicht mehr. Die Regierungsfraktionen stellten sich "destruktiven Strömungen", den rechten, aber auch den linken Rändern entgegen.

SPD: "Tausendmal gehört, tausendmal ist nichts passiert"

Für SPD-Fraktionschef Florian von Brunn war Söders Regierungserklärung "eine alte Wahlkampfrede gemischt mit einer Verlesung des Koalitionsvertrags". Mit anderen Worten: "Tausendmal gehört, tausendmal ist nichts passiert." Zwischen Ankündigung und Umsetzung gebe es bei der Staatsregierung stets einen großen Unterschied, bemängelte der Sozialdemokrat.

Söder wolle gleichzeitig Steuern senken, mehr Geld in die Wirtschaft investieren und zudem sparen sowie die Schuldenbremse einhalten. "Sie versprechen die Quadratur des Kreises: Das ist unseriös", sagte von Brunn und setzte sich für eine Reform der Schuldenbremse ein. Klimaschutz und Transformation ließen sich nicht vollständig aus dem "normalen Haushalt" finanzieren. Es sei bezeichnend, dass die CSU "ausgerechnet beim Bürgergeld" sparen wolle: "Sie wollen die Erbschaftssteuer für Vermögende senken und nehmen dafür eiskalt die Ärmsten ins Visier."

Die Forderung, das Heizungsgesetz des Bundes abzuschaffen, nannte von Brunn fragwürdig: "Vor allem weil sie damit sagen: Wir von der CSU wollen gar keinen Klimaschutz beim Heizen." Jedenfalls gebe es dazu kaum Vorschläge im Koalitionsvertrag, betonte der SPD-Politiker. Er frage sich, wie das zu dem Ziel passe, bis 2040 in Bayern klimaneutral sein zu wollen.

Söders Regierungserklärung und die Landtagsdebatte im Video:

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