Gruppenbild: Bayerisches Kabinett mit Ernennungsurkunden
Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Gruppenbild: Bayerisches Kabinett mit Ernennungsurkunden

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Bayerns neues Kabinett: Weniger Frauen, kein Überraschungseffekt

Wer von Ministerpräsident Söder einen Überraschungscoup im Kabinett erwartet hat, wird enttäuscht. Seinen Spielraum hatte er sich teilweise selbst verbaut. Neu ist: Nie war unter Söder der Frauenanteil niedriger.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Noch bevor alle Fraktionen im Bayerischen Landtag zu Wort kommen, lobt sich Ministerpräsident Markus Söder schnell noch selbst für seine Personalentscheidungen. "Ich bin stolz auf dieses ausgewogen besetzte Kabinett", lässt der CSU-Politiker die Abgeordneten im Plenum wissen. Die neue Regierungsmannschaft verkörpere die Regionen Bayerns, stehe für Kontinuität und Aufbruch zugleich, setze "auf ein gutes Miteinander von Männern und Frauen".

Ja, Kontinuität gibt es reichlich in Söders neuem "Team Bayern", Aufbruch deutlich weniger - dazu später mehr. Und das "gute Miteinander von Männern und Frauen" bedeutet in diesem Fall: Ab sofort sitzen bei Beratungen der bayerischen Staatsregierung noch mehr Männern noch weniger Frauen gegenüber.

Frauen gegenüber Männern: 4:14

Anfang 2020 hatte Söder nach einer Kabinettsumbildung stolz verkündet: "Die CSU besetzt ihre Ministerposten mit fünf Frauen und fünf Männern erstmals paritätisch." Damals war Söder noch in seiner "grünen" Phase, in der er angesichts der Zuwächse der Grünen bei der Landtagswahl 2018 versuchte, seine Partei jünger, weiblicher und ökologischer aufzustellen. Nur ein Jahr später gab Söder selbst diese Parität wieder auf - mit jeder Veränderung im Kabinett wurde die Differenz größer.

Ein Trend, der sich bei der Berufung seiner neuen Regierung fortsetzt. Mit Melanie Huml muss die dienstälteste bayerische Ministerin gehen - ersetzt wird sie durch Eric Beißwenger. Nie zuvor unter Söder saßen weniger Frauen in seinem Kabinett. Für die CSU sind es nur noch drei Ministerinnen, hinzu kommt eine der Freien Wähler. Dem gegenüber stehen neben dem Ministerpräsidenten von der CSU sieben Minister und zwei Staatssekretäre, von den Freien Wählern drei Minister und ein Staatssekretär. Macht zusammen 4:14.

Grüne: "Ein Armutszeugnis"

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze teilt Söders Begeisterung erwartungsgemäß nicht: Der Ministerpräsident habe die Hälfte der Bevölkerung mal wieder nicht im Blick, kritisiert sie im Plenum - der Frauenanteil sinke von 27 auf nur noch 22,2 Prozent. "Das ist ein Armutszeugnis und ein echter Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung", legt Schulze anschließend auch noch im Kurznachrichtendienst X nach. Damit ist Bayern offenbar Schlusslicht: Laut einer Auswertung des Bundesfamilienministeriums hatten alle anderen Landesregierungen in Deutschland zuletzt einen höheren Frauenanteil.

Söder selbst hatte schon Anfang des Jahres verkündet: Nachdem Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundeskabinett die Parität "quasi offiziell abgehakt" habe, brauche niemand mehr die CSU zu belehren. Auch CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek verweist heute darauf, dass der Kanzler die Parität "aufgegeben habe". Für Bayern aber will er es als "ein Zeichen und ein Signal" verstanden wissen, dass Sozialministerin Ulrike Scharf stellvertretende Ministerpräsidentin wird - neben Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Auch Söder betont beim Folgetermin, der Übergabe der Ernennungsurkunden in der Residenz, er habe ganz bewusst Scharf zur Vize-Ministerpräsidentin gemacht, die als Landesvorsitzende der Frauen-Union der CSU eine "besondere Stellung für Frauen" habe. Zugleich verweist er darauf, dass weniger Frauen in den Landtag gewählt worden seien. Das Verhältnis von Männern und Frauen im Kabinett sei "letztlich ein Spiegelbild der tatsächlichen demokratischen Situation im Bayerischen Landtag". Dennoch: In der Staatsregierung habe es insgesamt "sehr hoch qualifizierte Damen".

Söder verzichtet auf Überraschungseffekt

Sonst bleibt vieles beim Alten im bayerischen Kabinett. Beobachter hatten eigentlich auf einen erneuten Söder-Coup spekuliert. Der werde doch wohl irgendwen aus dem Hut zaubern, irgendeine medienwirksame Neuerung liefern, hieß es vorab auch aus CSU- und Freie Wähler-Kreisen. Doch wer einen Überraschungseffekt erwartet hat, wurde enttäuscht. Söder hat diesmal auf einen größeren Kabinettsumbau verzichtet.

Tatsächlich passt die minimale Kabinettsanpassung nicht zu seinem bisherigen Image. Söder wird nachgesagt, gerne originelle Lösungen zu präsentieren. In sein erstes Kabinett 2018 berief er überraschend Marion Kiechle, eine zunächst parteilose Münchner Ärztin, ins Wissenschaftsministerium. Ein paar Monate später, bei der Berufung seines zweiten Kabinetts, machte Söder Schlagzeilen, indem er das bundesweit erste Digitalministerium errichtete.

Beim Kabinett Söder III bleibt der Überraschungseffekt hingegen aus. Judith Gerlach wechselt vom Digitalministerium ins Gesundheitsministerium. Das wurde frei, weil Klaus Holetschek nun CSU-Fraktionschef ist. Der Landtagsabgeordnete Eric Beißwenger löst Huml im Europaministerium ab und Martin Schöffel wird neuer Staatssekretär im Finanzministerium. Wie viel Aufbruch in diesen Personalien steckt, liegt im Auge des Betrachters.

CSU-Wahlkampf: Söder lobt eigenes Kabinett über den Klee

Es hätte noch mehr geeignetes Personal gegeben, sagte der Ministerpräsident in seiner Rede im Landtag. Eine Entscheidung zu treffen, sei nie leicht. Im Grunde hatte Söder aber auch gar nicht mehr viel Spielraum: Den hatte er sich bereits vor Monaten selbst genommen.

"Bayern soll Bayern bleiben, auch wenn die ganze Welt verrückt spielt", hatte der CSU-Chef den Bürgern im Wahlkampf zugerufen. Der CSU-Wahlkampf war geprägt vom Lob der eigenen Regierungsarbeit und der Kritik an der Berliner Ampel-Regierung. Die eigenen Minister bezeichnete er als die beste Riege, die er jemals gehabt habe. Mit einem großen Kabinettsumbau hätte sich der bayerische Ministerpräsident also selbst widersprochen.

Viele Jobgarantien, kaum Spielraum

Hinzu kommt, dass Söder fast allen seinen Kabinettsmitgliedern schon im Vorfeld eine Jobgarantie gegeben hatte. Staatskanzleichef Florian Herrmann, Finanzminister Albert Füracker, Innenminister Joachim Herrmann, Bauminister Christian Bernreiter, Wissenschaftsminister Markus Blume und Sozialministerin Ulrike Scharf galten als gesetzt. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber versprach er auch, dass sie ihr Ressort behalten dürfe. Und als publik wurde, dass Fabian Mehring von den Freien Wählern das Digitalministerium von der CSU übernehmen wird, beruhigte Söder die bisherige Ministerin Judith Gerlach: Sie müsse sich keine großen Sorgen machen.

Das neue Kabinett steht laut Söder für ein stabiles Bayern, auf das sich die Bürger verlassen könnten: "Ich habe Stabilität versprochen und habe Stabilität gehalten." Die Opposition im Landtag interpretiert die von Söder beworbene "Kontinuität" naturgemäß anders. Grünen-Fraktionschefin Schulze spricht von einer vollkommen ambitionslosen "Kraftlos-Koalition" und kritisiert den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern scharf.

Söder sichert sich Fraktionsfrieden

Leistung, Akzeptanz, das persönliche Wahlergebnis und der Rückhalt in Partei und Fraktion: Das alles habe bei seiner Personalentscheidung eine Rolle gespielt, sagt Söder nach der Vereidigung des Kabinetts. Was tatsächlich auffällt: Die neuen CSUler im Kabinett sitzen schon länger im Landtag, haben sich bislang aber nicht unbedingt in den Vordergrund gedrängt.

Der neue Europaminister Eric Beißwenger gilt als fleißig und hat sich in der CSU-Fraktion vor allem als Vizechef des Umweltausschusses einen Namen gemacht. Ähnliches gilt für die zweite neue CSU-Personalie, den Landtagsabgeordneten Martin Schöffel. Auch er hat bisher eher im Stillen gearbeitet. Mit seinen Personalentscheidungen schmeichelt Söder der CSU-Fraktion. Hätte er jemanden aus der Bundes-Riege oder gar jemanden von außen geholt, hätte ihm Unmut in der Fraktion gedroht. Dass das zum Problem werden kann, ist nicht erst seit Horst Seehofer bekannt. Der hatte die CSU-Fraktion zunehmend gegen sich aufgebracht, bezeichnete sie als "Pyjama-Strategen". Am Ende fehlte ihm die Unterstützung in den eigenen Reihen. Schon allein deswegen dürfte Söder darauf bedacht sein, sich die Fraktion gewogen zu halten.

Aiwanger überraschte mit Piazolo-Rauswurf

Während Söder seine Personalien bis heute Mittag geheim gehalten hatte, standen die Kabinettsmitglieder der Freien Wähler schon seit zwei Wochen fest. Im Gegensatz zu Söder lieferte Aiwanger dabei zumindest eine kleine Überraschung: Er warf Kultusminister Michael Piazolo, seinen langjährigen Parteifreund und früheren Generalsekretär, aus dem Kabinett und machte dafür Anna Stolz zur Ministerin.

Während die CSU angestrengt versucht, den niedrigen Frauenanteil zu begründen und zu rechtfertigen, freuen sich die Freien Wähler über ihre erste Ministerin. Am Frauenanteil der FW-Riege im Kabinett ändert sich damit zwar nichts - Stolz war vorher schon Staatssekretärin. Aiwanger, der eigentlich nicht als Verfechter einer Frauenquote gilt, kann dennoch darauf pochen: Anders als die CSU hat er den Frauenanteil unter seinen FW-Kabinettsmitgliedern nicht verringert. Allerdings: Ein bisschen niedriger als jeder der CSU ist er weiterhin.

Im Audio: Bayerns neues Kabinett

Ministerpräsident Söder setzt überwiegend auf vertraute Gesichter - und nicht auf Überraschungscoups.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ministerpräsident Söder setzt überwiegend auf vertraute Gesichter - und nicht auf Überraschungscoups.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!