Markus Söder und Albert Füracker vor der Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag.
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Der Regierungschef und sein Finanzminister: Markus Söder (rechts) und Albert Füracker vor der Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag.

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Haushaltsurteil: Fehlt jetzt Geld in Bayern?

Die Entscheidung der Karlsruher Richter wirft für die Staatsregierung Fragen auf: Wie groß ist die Gefahr, dass auch Bayerns Haushalt verfassungswidrig sein könnte? Und: Gefährdet das Milliardenloch im Bund Investitionen im Freistaat?

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Der CSU-Generalsekretär im Angriffsmodus: "Olaf Scholz belügt das Volk", sagte Martin Huber mit drohender Stimme in einem Video auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). Darin nimmt er Bezug auf die Regierungserklärung des SPD-Bundeskanzlers am Dienstag, in der Scholz sagte: "In Ihrem Alltag, hier und heute, ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts."

Für Huber "blanker Hohn". Die Ampel habe kein Geld mehr, und die Bürger müssten dafür bezahlen – die Lkw-Maut, der CO2-Preis und die Gastro-Steuer würden erhöht, das Elterngeld gekürzt.

Fest steht: Die meisten dieser Entscheidungen hatte die Ampel bereits vor dem Haushaltsurteil der Verfassungsrichter am 15. November getroffen. Inwieweit das 60-Milliarden-Euro-Loch die Menschen also in ihrem Alltag betrifft, bleibt offen – für die bayerische Staatsregierung wirft es hingegen sehr wohl Fragen auf.

Wurden auch in Bayern Schulden verfassungswidrig umgewidmet?

Das Gericht in Karlsruhe hatte den Nachtragshaushalt des Bundes 2021 für verfassungswidrig erklärt, weil Geld zur Bewältigung der Corona-Krise einfach in den Klimafonds gepackt wurde. Auch Bayern hat mit Beginn der Corona-Pandemie die Schuldenbremse ausgesetzt. Für die Jahre 2020 bis 2022 waren neue Schulden ausnahmsweise erlaubt.

Im Jahr 2022 lag die Kreditermächtigung bei 5,8 Milliarden Euro. Davon entfielen 1,9 Milliarden auf "konjunkturstabilisierende Maßnahmen". Das meiste davon stand fürs "Corona-Investitionsprogramm" bereit. Knapp 400 Millionen aber waren für die Hightech-Agenda Plus vorgesehen. Hat also auch der Freistaat ähnlich wie der Bund getrickst?

Füracker hält Haushalt für verfassungskonform – AfD klagt

Am Mittwoch hatte CSU-Finanzminister Albert Füracker seinen Antrittsbesuch im Haushaltsausschuss des Landtags. Füracker bekräftigte dort: Der bayerische Haushalt sei verfassungskonform, da der Freistaat die Kreditermächtigungen 2022 gar nicht in Anspruch genommen habe. "Wir haben im Jahr 2022 unsere Schulden nicht erhöht. Wir haben keine Schulden für Corona genommen, um etwas anderes zu bezahlen", so Füracker. Insofern sei die Situation mit dem Bund nicht vergleichbar. Wer keine Schulden mache, könne auch nicht gegen die Verfassung verstoßen haben, so der Finanzminister.

Claudia Köhler, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, sieht das anders: Von tatsächlichen Schulden stehe überhaupt nichts im Karlsruher Urteil. "Das ist unerheblich. Es geht um den Haushaltsplan", sagte Köhler dem BR. Und bei dessen Aufstellung habe sich auch der Freistaat nicht korrekt verhalten. Ähnlich beurteilen das SPD und AfD in Bayern. Die AfD-Fraktion sah eine "Zweckentfremdung großen Stils", Corona-Hilfen würden "missbraucht". Schon im Mai 2022 hatte sie vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den Haushalt geklagt, das Urteil steht aus.

Förderbescheide über 1,3 Milliarden Euro fehlen

Rechtlich ist die zurückliegende Haushaltsplanung in Bayern also noch nicht final geklärt – bleibt eine weitere Frage: Was bedeutet das 60-Milliarden-Loch für Investitionen in die bayerische Wirtschaft?

Insgesamt knapp zwei Milliarden Euro waren als Kofinanzierung des Bundes vorgesehen – für mehr als zwei Dutzend Projekte im Freistaat. Davon sind laut Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) knapp 700 Millionen Euro sicher. Derzeit fehlten vom Bund aber noch Förderbescheide in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro. Es geht unter anderem um Halbleiter, Mikroelektronik, Batteriezellen, Photovoltaikmodule und die Wasserstoffindustrie.

Aiwanger: "Wir wollen dieses Geld, wir brauchen dieses Geld"

Am Mittwoch stellte Aiwanger klar: "Wir wollen diese Projekte natürlich nicht sterben lassen." Die Staatsregierung werde in Berlin "massiv auf die Tube drücken" und sagen: "Wir wollen dieses Geld, wir brauchen dieses Geld." Er sei überzeugt, dass der Bund eine Möglichkeit finden werde, die Modernisierung der Wirtschaft zu finanzieren. Der Prozess, wieder eine Notlage zu erklären und so die Schuldenbremse auszusetzen, sei bereits eingeleitet worden. Wer auf der einen Seite viele soziale Projekte finanziere, müsse an der Stelle auch in die Zukunft investieren, so Aiwanger.

Kanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B'90/Die Grünen) haben bereits öffentlich gesagt, dass sie zugesicherte Transformationsprojekte trotz des Haushaltsurteils weiter fördern wollen. "Mein Gegenfinanzierungsvorschlag ist immer im Bereich des Bürgergelds, im Bereich der illegalen Migration etwas genauer hinzuschauen und dort Milliarden einzusammeln", sagte Aiwanger dem BR. Klar sei: Die finanzielle Lösung müsse aus Berlin kommen und nicht aus dem bayerischen Haushalt.

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