Überwucherte Schiene
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29 Bahnstrecken in Bayern kämen laut BEG für eine Reaktivierung in Frage, aber nur für zwei gibt es dafür eine Jahreszahl.

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Reaktivierung von Bahnstrecken in Bayern: Kommt neuer Schwung?

Während der letzten fünf Jahre der CSU-/FW-Regierung wurde in Bayern keine Bahnstrecke wieder für den Personenverkehr in Betrieb genommen. Fahrgastverbände fordern neuen Schwung. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

In der jetzt beginnenden neuen Legislaturperiode des Landtags wird in Sachen Bahn-Reaktivierungen mit einiger Sicherheit zumindest mehr als nichts passieren. Ein Datum steht schon fest: Auf der Hesselbergbahn von Gunzenhausen nach Wassertrüdingen sollen ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 wieder Züge fahren - wenn nichts dazwischenkommt.

Ein zweites Datum ist ebenfalls zumindest angepeilt: für die Staudenbahn südlich von Augsburg. Auch sie sollte eigentlich schon nächstes Jahr wieder in Betrieb gehen. Das wird aber noch länger dauern - bis 2027, heißt es inzwischen. Im Bayerischen Wald kann vielleicht irgendwann der Probebetrieb zwischen Viechtach und Gotteszell zum Regelbetrieb werden.

Bei einer Menge anderer Strecken ist jedoch noch unklar, wann und wie es weitergeht.

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Nur für einen Teil der Hesselbergbahn und für die Staudenbahn ist ein Datum der Reaktivierung bekannt.

Wie die staatliche Eisenbahngesellschaft die Reaktivierung sieht

Die staatliche Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) bestellt im Auftrag des Freistaats den Schienen-Personennahverkehr im Freistaat. Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks stellte sie eine Übersicht zusammen, wie es aktuell um die Wiederbelebung von Bahnstrecken in Bayern bestellt ist. Sie zählt insgesamt 29 Strecken, die im Prinzip für eine Reaktivierung infrage kämen, auf denen aber bisher noch nichts fährt.

Fast nirgends gibt es einen Zeitplan

Neben den beiden Linien mit einem konkreten Datum läuft laut BEG bei sieben weiteren Projekten derzeit der Reaktivierungsprozess. Nämlich bei der Weiterführung der Hesselbergbahn nach Nördlingen, der Strecke Dombühl-Wilburgstetten im Kreis Ansbach, dem Eisenbahn-Nordring München, dem Nordring Nürnberg sowie den Stichbahnen nach Lohr-Stadt, Volkach und Burglengenfeld. Dass keine Jahreszahl angegeben wird, zeigt jedoch auch, dass es noch sehr lange dauern kann.

Bei 15 Strecken heißt es von der BEG, es seien "erste Initiativen gestartet" – mit anderen Worten: Bis dort wieder Züge fahren könnten, ist der Weg noch sehr weit. Bei fünf Strecken wird die Wiederinbetriebnahme derzeit gar nicht mehr weiterverfolgt – unter anderem, weil die Fahrgastprognosen teilweise zu niedrig sind.

Pro Bahn: Reaktivierung läuft zäh

Auf alten Strecken wieder neue Züge fahren zu lassen – das läuft in Bayern sehr zäh, findet Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn: "Bisher ist es so, dass der Freistaat sehr passiv ist und erst, wenn viele Leute das Ganze angeschoben haben, überhaupt aufspringt. Es bräuchte eine deutlich aktivere Rolle. Andere Bundesländer machen es vor."

Baden-Württemberg ist aktiver

In Baden-Württemberg etwa hat das Land von sich aus alle infrage kommenden stillgelegten Bahnstrecken daraufhin untersucht, wo sich Reaktivierungen lohnen. In Bayern reagiert die Staatsregierung erst dann, wenn sie von Initiativen vor Ort dazu aufgefordert wird – und von ausnahmslos allen Kommunen entlang der Strecke. Da brauche es sehr viel Einsatz von Ehrenamtlern vor Ort, sagt Iffländer.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) veranstaltet in Bayern jährlich ein Treffen der Reaktivierungsinitiativen aus dem Freistaat. Beim letzten Mal waren zehn Initiativen aus allen Teilen Bayerns dabei.

Freistaat verlangt 1.000 Fahrgastkilometer täglich

Die staatliche BEG betont indessen: Reaktivierungen seien nur dann sinnvoll, wenn es ein ausreichendes Fahrgastpotenzial gibt und die Kommunen vor Ort die Bahnstrecke sinnvoll in ihr Nahverkehrskonzept integrieren. Leere Züge trügen nicht zur CO2-Einsparung bei. Im Übrigen sei zu beachten, dass Bayern in der Vergangenheit weniger Strecken stillgelegt habe als andere Bundesländer.

Eine Reaktivierung kommt für den Freistaat nur infrage, wenn Verkehrsprognosen mindestens 1.000 Passagiere pro Kilometer und Werktag erwarten lassen. Verbände wie der VCD kritisieren diese Hürde als zu hoch. Allerdings haben sich die Züge zuletzt flächendeckend merklich gefüllt, betont der VCD: durch das 49-Euro-Ticket habe die Nachfrage um 30 Prozent zugenommen, das könne man auf bestehende Fahrgastprognosen schon einmal draufrechnen.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund des Kommentars von "HerrPanzelt" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" mit weiteren Informationen zur Fahrgastkalkulation ergänzt.

Bei der Berechnung von Streckenauslastungen spricht die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) von Personenkilometern. Dieser Wert wird wie folgt berechnet: Grundlage ist die Anzahl der Fahrgäste zwischen zwei Haltestellen, die sogenannte Besetzung. Die Besetzung zwischen zwei Haltestellen wird mit der Länge der Strecke zwischen diesen beiden Haltestellen multipliziert - Ergebnis sind die Personenkilometer. Alle Personenkilometer zwischen den einzelnen Haltestellen einer Strecke werden addiert. Die Summe aller Personenkilometer-Werte wird zum Schluss durch die Streckenlänge dividiert. Ein Fahrgast, der nur eine Teilstrecke der Reaktivierungsstrecke zurücklegt, fließt hier nicht 1:1 als ein Reisender ein, sondern lediglich anteilsmäßig.

Kurz gesagt, ist der Personenkilometer also eine Maßeinheit, um die Transportleistung eines Verkehrsmittels abzubilden. Hierfür werden Passagiere und Entfernung multipliziert. Eine Berechnung, die so auch in der Luft- und Seefahrt angewendet wird. 💬

Verkehrsclub Deutschland gibt sich optimistisch

Der Bahnexperte des VVD, Gerd Weibelzahl, gibt sich relativ optimistisch, dass Bayern in den kommenden Jahren mehr regionale Bahnstrecken wieder zum Leben erweckt als zuletzt. Denn politische Unterstützung sei schon da. Nicht nur von den Grünen, die in den Monaten vor der Wahl eine extra Reaktivierungstour durch die Regionen gemacht haben. Sondern auch von den Freien Wählern – Reaktivierungen waren Teil ihres Wahlprogramms.

Koalitionsvertrag erwähnt Reaktivierungen nicht

In den Koalitionsvertrag von CSU und FW hat es die Reaktivierung von Bahnstrecken allerdings nicht geschafft. Dort heißt es nur: "Wir machen Bayern zum modernsten Bahnland Deutschlands. Hierzu wollen wir, dass der Bund den Schienenausbau im Freistaat massiv vorantreibt."

Hinweis: Beim Nordring Nürnberg hat die BEG ihre ursprünglichen Angaben korrigiert: Der Reaktivierungsprozess laufe dort bereits.

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