Wahlplakate zur Landtagswahl in Bayern
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Wahlplakate zur Landtagswahl in Bayern

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Wahlkampf in Bayern: Viel Bundespolitik und mehrere Aufreger

Nach ruhigem Start wurde es ein turbulenter Wahlkampf in Bayern. CSU und Freie Wähler trommelten gemeinsam gegen die Ampel, lieferten sich aber auch einen koalitionsinternen Wettstreit. Die Grünen wurden angefeindet, zuletzt gab es Wirbel um die AfD.

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Eine viel gescholtene Demo-Rede, Störer bei Kundgebungen, Wirbel um Verfehlungen in der Jugend. Zerstörte Wahlplakate, ein Steinwurf aufs Podium und eine mysteriöse Krankenhaus-Einlieferung. So vorhersehbar der bayerische Landtagswahlkampf zunächst schien, so turbulent wurde er dann doch noch, in Umfragen gab es über die Wochen einige Bewegung. Auch wenn klar scheint, wer am Sonntag stärkste Kraft im Freistaat wird, verspricht die Wahl reichlich Spannung.

"Bayern-Power statt Ampel-Trauer"

Eine zentrale Rolle in Bayern spielt seit vielen Monaten die Dauerkritik an der Ampel in Berlin: Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder machte damit schon Wahlkampf, bevor der Wahlkampf so richtig begonnen hatte. Neben die Attacken auf Rot-Grün-Gelb im Bund stellten die Christsozialen das Lob für Schwarz-Orange in Bayern.

Zwar hatte es im Lauf der Jahre auch zwischen CSU und Freien Wählern kräftig geknirscht - insbesondere in der Corona-Krise gab es mehrfach Spannungen zwischen Ministerpräsident Söder und seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler). In den ersten Monaten dieses Jahres aber gaben sich die Koalitionspartner demonstrativ harmonisch und präsentierten sich als Gegenentwurf zur streitenden Ampel in Berlin. "Bayern-Power statt Ampel-Trauer", lautete ein Söder-Slogan dazu.

Der CSU-Vorsitzende, der seine "grüne Phase" längst hinter sich gelassen hat, legte sich schon früh auf eine Fortsetzung von Schwarz-Orange fest. Die Strategie schien aufzugehen: Im BayernTrend vom Mai verbuchten beide Parteien ein Plus und lagen bei der Sonntagsfrage über ihrem Wahlergebnis von 2018, die CSU konnte sogar wieder von einem Resultat oberhalb der 40-Prozent-Marke träumen. Den Grünen, der SPD und FDP in Bayern schlug derweil wegen des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung über die Berliner Ampel-Regierung heftiger bundespolitischer Gegenwind entgegen. Die Hoffnung der drei Parteien, er würde sich über den Sommer legen, erfüllte sich nicht.

Erding und die Debatte über Aiwanger

Aus dem gemütlichen Zieleinlauf, den CSU-Optimisten sich erhofften, wurde aber dennoch nichts: Die Erdinger Demo gegen das Heizungsgesetz im Juni wirbelte den Wahlkampf und das schwarz-orange Verhältnis kräftig durcheinander. Vor allem Aiwangers Aufruf, die Demokratie "zurückzuholen", löste Empörung aus. Der Freie-Wähler-Chef ließ sich dafür in Erding feiern, für Söder gab es zu Beginn seines Auftritts dort viele Pfiffe.

Es war schon länger erklärte Strategie des Freie-Wähler-Chefs, durch markige Sprüche potenzielle AfD-Wähler für seine Partei zu gewinnen. In Erding aber verschärfte er den Ton - und forderte damit auch Söder heraus, der bei der rhetorischen Annäherung an die AfD nicht mitgehen konnte und wollte. Schließlich hatte sich der Ministerpräsident im Wahlkampf 2018 mit einem Rechtsruck die Finger verbrannt und anschließend versprochen, diesen Fehler nicht zu wiederholen.

Erding eröffnete einen koalitionsinternen Wahlkampf. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) warf seinem Kabinettskollegen Aiwanger "Populismus am rechten Rand" vor. Söder mahnte: "Man darf nicht wegen jeder schnellen Stimme den politischen Anstand verlieren." Aiwanger ließ sich davon nicht beeindrucken und legte prompt mit der Aussage nach, Deutschland sei nur noch "formal" eine Demokratie.

Die Flugblatt-Affäre

Verschärft wurden die schwarz-orangen Spannungen durch die Flugblatt-Affäre, die die bayerische Landespolitik tagelang in Atem hielt. Aiwanger räumte ein, als Schüler mit einem antisemitischen Papier erwischt worden zu sein, das sein Bruder verfasst haben soll. Zur Anschuldigung, judenfeindliche Witze erzählt zu haben, sagte der Minister: Er könne das weder dementieren noch bestätigen.

Söder verlangte umfassende Aufklärung von seinem Vize: Es dürfe kein Verdacht übrig bleiben. Eine Erwartung, die Aiwanger nicht erfüllte: Der Ministerpräsident räumte ein, dass die Antworten auf seine 25 Fragen "nicht alle befriedigend" seien. Trotzdem hielt er nach einer "Gesamtabwägung" an seinem Minister fest. Eine Entlassung Aiwangers wäre wohl auch vielen an der CSU-Basis schwer vermittelbar gewesen. Der Unmut in der CSU-Spitze über den Freie-Wähler-Chef aber ist noch nicht verflogen.

Söders Appell, Aiwanger möge Reue und Demut zeigen, lief ins Leere. Beflügelt durch den Applaus in Bierzelten inszenierte sich Aiwanger als Opfer einer Kampagne. Die Umfragewerte der Freien Wähler stiegen daraufhin zwischenzeitlich auf einen Rekordwert, die CSU büßte ein. Dennoch blieb Söder bei seiner Wahlkampfstrategie: klares Ja zum Bündnis mit den Freien Wählern, "definitives" Nein zu Schwarz-Grün.

Aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf

Die Grünen wurden in diesem Wahlkampf nicht nur mit den üblichen AfD-Attacken konfrontiert, sondern auch mit einem Dauerfeuer von CSU und Freien Wählern. Söder sprach den Grünen ein Bayern-Gen ab, wetterte gegen "Umerziehungsideen" und "Verbote". Aiwanger warf der Partei vor, "Deutschland kaputtmachen" zu wollen, schimpfte auf "links-grünen Gender-Gaga" und stilisierte sich zum "Anti-Grünen". Als besonders dankbares Publikum für Anti-Grünen-Polemik erwiesen sich die Zuhörer in den Bierzelten, die Söder und Aiwanger in diesem Wahlkampf unermüdlich abklapperten. Vor allem im Wahlkampf-Endspurt ging auch die FDP zunehmend auf Distanz zu den Grünen: "Bayern braucht keine Verbotspolitik", heißt es beispielsweise im Wahlwerbespot der Liberalen.

Darüber hinaus erlebten die Grünen bei Wahlkampfveranstaltungen regelmäßig Anfeindungen. Bei Kundgebungen auf Marktplätzen und in Bierzelten waren Pfiffe und "Hau ab"-Rufe keine Seltenheit. Tiefpunkt war, als ein Mann in Neu-Ulm einen Stein auf das Podium schleuderte - in Richtung der Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. "Er hat uns nicht verletzt, aber unsere demokratischen Werte", sagte Hartmann dazu. Gleich mehrere Parteien beklagten, dass häufiger als in früheren Wahlkämpfen ihre Plakate beschmiert oder zerstört worden seien.

Am Mittwoch sorgte die AfD für Aufsehen, als sie von einem "tätlichen Übergriff" auf ihren Bundeschef Tino Chrupalla am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt berichtete. Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner sprach daraufhin von einer "Schande für Deutschland", die "Merkel, Söder und Konsorten" zu verantworten hätten. "Und wir werden ihnen am 8.10. einen Denkzettel verpassen, dass sie sich so schnell nicht mehr erholen werden." Tatsächlich wurde der AfD-Chef in ein Krankenhaus gebracht, das er nach etwas mehr als einem Tag wieder verließ. In einem vorläufigen Arztbrief wird laut Staatsanwaltschaft zwar ein "Nadelstich" im rechten Oberarm erwähnt, ein toxikologisches Screening sei aber negativ verlaufen. Nach Angaben der Ermittlungsbehörde gibt es zudem weiter keine Zeugen-Aussagen, die auf einen Angriff hindeuten.

Landespolitische Themen bleiben auf der Strecke

Landespolitische Themen blieben im Anti-Ampel-Wahlkampf von CSU und Freien Wählern vielfach auf der Strecke – und der Opposition gelang es nicht, mit ihren Ideen durchzudringen. In den sozialen Netzwerken warben die Regierungsparteien bis zuletzt mit Slogans wie "Nein zum Tempolimit" und "Keine Cannabis-Legalisierung", "Migrationschaos beenden" und "Mehr Netto vom Brutto" um Stimmen bei der Landtagswahl - obwohl über diese Themen nicht der Landtag entscheidet.

Die Grünen versuchten, die Regierung vor allem bei der Energiepolitik zu stellen. Die SPD mit Florian von Brunn wollte mit der Forderung nach "bezahlbarem Wohnen" punkten, die FDP um Martin Hagen machte sich für eine grundlegende Bildungsreform stark. CSU und Freie Wähler konterten Kritik stets mit dem Argument, dass Bayern in fast allen Rankings Spitzenreiter sei. Statt über bayerische Windräder, niedrigere Mieten und Schulkonzepte wurde im Wahlkampf oft über die Berliner Atomkraft-Entscheidung, eine Reform oder Abschaffung der Erbschaftssteuer sowie Inflation gesprochen.

Das Lieblingsthema der AfD – Migration – wollte Söder lange aus dem Wahlkampf heraushalten. Nachdem die Asylpolitik aber bundesweit immer stärker in den Fokus rückte, belebte der CSU-Chef die "Obergrenzen"-Forderung seines Vorgängers Horst Seehofer unter dem Namen "Integrationsgrenze" neu.

Dreikampf um Platz zwei

In Umfragen liegt die CSU mit deutlichem Abstand vorn - niemand dürfte ernsthaft daran zweifeln, dass die Christsozialen auch die neue Staatsregierung anführen werden. Spannend aber bleibt, ob die Partei zumindest die 37,2 Prozent von 2018 erreicht, was ihr schlechtestes Resultat seit 1950 war. Ein starkes CSU-Ergebnis ist für Söder nicht nur für seine Machtposition in der eigenen Partei wichtig, sondern auch für voraussichtliche Koalitionsverhandlungen mit selbstbewussten Freien Wählern.

Die Partei von Hubert Aiwanger macht sich Hoffnungen, die Grünen zu überflügeln und zweitstärkste Kraft im Freistaat zu werden. Durch die AfD, die in Umfragen ebenfalls zugelegt hat, könnte es sogar einen Dreikampf um den zweiten Platz geben. Die SPD muss dagegen fürchten, wie schon vor fünf Jahren erneut einstellig zu bleiben. Die FDP bangt, ob sie es überhaupt wieder in den Landtag schafft.

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