Hubert Aiwanger und Markus Söder
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Landtagswahl: Kampf der Koalitionäre

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Landtagswahl: Aiwanger und Söder – Kampf der Koalitionäre

Söder gegen Aiwanger – direkte Anfeindungen bleiben aus, aber keiner gönnt dem anderen einen erfolgreichen Wahlkampftermin. Die Freien Wähler wollen wieder mitregieren und präsentieren sich als Korrektiv zu einer CSU-Alleinregierung. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Würde man sich diesen Termin ausdenken – der Vorwurf des Bayern-Klischees wäre wohl nicht weit. Es ist Anfang Mai, Patronatstag der Gebirgsschützen im oberbayerischen Gmund am Tegernsee. Während des Gottesdienstes unter freiem Himmel kommen im Hintergrund die Berge vor lauter Sonne aus dem Strahlen nicht mehr heraus. Die Menschen tragen Janker, Dirndl und Filzhüte. Fahnenträger, Trommler und Hornbläser laufen in Formation.

"Schöner geht's nicht mehr," sagt Markus Söder in kleiner Runde. Der bayerische Ministerpräsident ist gern gekommen. Seine Rede nutzt er auch für ein wenig Wahlkampf: "Man hat mir vorgeschlagen, nicht Schützenbrüder oder -schwestern zu sagen, sondern Schützenbrüderinnen." Seitenhiebe gegen Gendern, vegane Ernährung und alles, was Söder unter "Wokeness" fasst, dürfen gerade bei keinem Anlass fehlen. Dort die zerstrittene Berliner Ampel mit den Grünen, hier das geerdete Bayern unter CSU-Führung.

Vereint gegen Grün – aber wie läuft der Wahlkampf untereinander

Söder ist nicht allein am Patronatstag am Tegernsee – auch Hubert Aiwanger ist hier. Kein Zufall. Die beiden Koalitionäre buhlen im Landtagswahlkampf weitgehend um dieselben Stimmen. Das BR-Politikmagazin Kontrovers hat die beiden Koalitionäre zum Wahlkampfauftakt begleitet.

In ihren Attacken auf politische Gegner klingen die zwei Spitzenkandidaten oft sehr ähnlich. Etwa wenn der eine (Söder) von "Miesmachern" spricht, bei "denen man im Gesicht erkennt, das sie null Lebensfreude haben“ und der andere (Aiwanger) findet, dass manche "im Gesichtsausdruck den Weltuntergang schon vor sich hertragen". Seit bald fünf Jahren regieren sie zusammen den Freistaat. Nun tingeln beide im Akkord durch die Bierzelte, keiner überlässt dem anderen einen Zentimeter Wahlkampfterrain.

Aiwanger: "Die CSU darf nicht alleine regieren"

Vor allem für die Freien Wähler geht es um viel, denn von einer weiteren Regierungsbeteiligung kann sie voraussichtlich nur eines abhalten: Eine absolute Mehrheit für die CSU. Dieses Schreckensszenario aus Sicht der Freien Wähler malt Hubert Aiwanger an die Wand: "Die CSU darf nicht alleine regieren. Es tut Bayern gut, wenn wir ein Vier-Augen-Prinzip haben", sagte der FW-Chef auf dem Landesparteitag am vergangenen Samstag in Amberg.

Versucht da jemand, diejenigen zu mobilisieren, die keine Alleinregierung wollen? Dem anderen scheint dieses Thema dagegen gar nicht recht – jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Söder schweigt sich bei Fragen zur Alleinregierung aus, will die Messlatte für sich selbst vielleicht nicht zu hoch hängen. An der CSU-Basis hält sich der Wunsch nach einer absoluten Mehrheit aber hartnäckig. "Vielleicht doch möglich", äußert sich ein Anhänger gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers nach einer Söder-Rede in der Nähe von Nürnberg hoffnungsfroh. "Natürlich", sagt eine andere. "Da setzen wir alles dran."

Söder gibt sich auch persönlich - Aiwanger vor allem angriffslustig

Auch wenn es inhaltlich starke Überschneidungen gibt, in der Tonalität treten der Ministerpräsident und sein Stellvertreter durchaus unterschiedlich auf. Am Dienstagabend erzählt Söder im Bierzelt auf dem Volksfest in Trudering eine Geschichte: "Mein Vater hat gesagt: Bub, du hast zwei so linke Hände, aber so eine große Goschn – du kannst bestenfalls Pfarrer oder Politiker werden. Für was Anständiges reicht es nicht." Auf den Social-Media-Accounts des Ministerpräsidenten gibt es Essenstipps und Star-Wars-Anspielungen – Söder persönlich.

Aiwanger setzt hingegen sowohl online als auch analog vor allem auf Attacke: "Ich bin nicht dafür, dass ideologisch Durchgeknallte, die mit ihrem eigenen Leben nicht fertig werden, den Muttertag abschaffen wollen und unseren Kindern Flausen in den Kopf setzen", sagte der FW-Chef vergangenen Sonntag auf der Maidult in Regensburg. In diesem Duktus geht es im Netz weiter. Wenn Dragqueens aus Büchern vorlesen sollen, schreibt Aiwanger bei Twitter von "Kindeswohlgefährdung", eine Kita, die keine Muttertagsgeschenke basteln will, kritisiert er öffentlich.

Bei den Bürgern scheint das anzukommen: Mit seinen persönlichen Beliebtheitswerten rückt Aiwanger im BR24 BayernTrend von dieser Woche nah an Söder heran. Einen offenen Schlagabtausch vermeiden die beiden bislang. Der Wettbewerb läuft subtiler. Vor drei Wochen hatten Aiwanger und FW-Umweltminister Thorsten Glauber zum Wolfs- und Bärengipfel in die Berge geladen. Spontan meldete sich noch ein weiterer Teilnehmer an: Ministerpräsident Markus Söder, der dann bei der Pressekonferenz selbstverständlich im Mittelpunkt stand. Söder mischt sich immer wieder in die Ressorts der Freien Wähler ein, zum Beispiel bei den Gehältern für Lehrkräfte. Profil gewinnen in der Koalition ist für den kleineren Partner nicht einfach – auch deshalb tritt ein Hubert Aiwanger so auf, wie er eben auftritt: laut und deutlich.

Im Video: Söder-Biograph Deininger im Kontrovers-Interview

Roman Deininger, Söder-Biograph, im Kontrovers-Interview
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Roman Deininger

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