Ein Wahlplakat der AfD bei der Bundestagswahl 2021.
Bildrechte: BR/Julia Müller

Studie: AfD-Politik würde eigenen Wählern schaden

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Warum Menschen die AfD wählen – und was sie davon hätten

Eine aktuelle Studie hat die politischen Positionen der AfD mit den Bedürfnissen ihrer Wähler abgeglichen – und deutliche Widersprüche ausgemacht. Würde die AfD ihre politischen Ziele umsetzen, würden ihre Wähler oftmals darunter leiden.

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Seit die Umfragewerte der AfD steigen, beschäftigen sich Politik und Wissenschaft vermehrt damit, was hinter den Zustimmungswerten steckt und was die Anhänger der AfD bewegt. Eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IfD Allensbach im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kommt zu dem Schluss, dass 43 Prozent der AfD-Anhängerinnen und Anhänger ausgeprägt rechte politische Einstellungen haben. 13 Prozent sind rechtsradikal.

Von den nicht ausgeprägt rechten AfD-Unterstützern machen sich 87 Prozent große Sorgen, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Es ist laut der Umfrage das zentrale, verbindende Thema dieser Gruppe – neben einer apokalyptischen Grundeinstellung sowie dem Gefühl, die Gesellschaft treibe auf eine Katastrophe zu. Für viele aus dieser Gruppe ist die Wahl der AfD ein Mittel des Protests.

DIW-Studie: AfD-Wähler schaden sich selbst

Dabei könnten sich zahlreiche AfD-Wähler mit ihrem Kreuzchen für die AfD mehr schaden als nutzen. Zu dem Schluss kommt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das als arbeitnehmernah gilt. Widersprüchlich und ein AfD-Paradox nennt Ökonom und DIW-Chef Marcel Fratzscher das, denn die Eigenschaften und Interessen der Wählerinnen und Wähler der AfD würden "im Kontrast und im kompletten Widerspruch stehen zu den Positionen, für die die AfD steht."

Für seine Studie hat sich Fratzscher angeschaut, wer die Wähler der AfD sind und das mit den politischen Positionen der Partei verglichen. Im Durchschnitt seien die Wähler der AfD mittelalt, vor allem Männer, mit geringen bis mittelhohem Einkommen sowie Bildung. Arbeiter und Arbeitslose seien überdurchschnittlich häufig vertreten. Das gelte nicht für alle Wähler, schränkt Fratzscher ein, aber es sei eine Tendenz.

Fratzscher: AfD extrem neoliberal

Diese Gruppe von AfD-Anhängern würde unter der AfD-Politik stark leiden, so der DIW-Chef. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Partei bezeichnet Fratzscher als "extrem neoliberal": weniger Staat, mehr Markt. Die AfD ist für Steuersenkungen, will die Erbschaftssteuer, die vor allem hohe Erbschaften betrifft, abschaffen und ist gegen eine Steuer auf hohe Vermögen. Davon würden vor allem Besserverdienende profitieren.

Auf der anderen Seite will die AfD Sozialausgaben runterfahren. Fratzscher nennt als Beispiel das Bürgergeld, das die AfD auf sechs Monate begrenzen will. Danach soll es aus AfD-Sicht eine Pflicht zur Arbeit geben. Kürzungen bei den Sozialausgaben und Steuersenkungen für Besserverdiener würden vor allem Menschen mit wenig Einkommen treffen, "die wenig Chancen haben, die entweder arbeitslos sind oder in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Diese würden bei so einer Politik häufiger weniger staatliche Leistungen bekommen. "Das betrifft sicher nicht alle AfD-Wählerinnen und Wähler, aber schon tendenziell im Vergleich zu anderen Parteien doch häufiger."

Fratzscher: Auch bei Anhängern anderen Parteien Widersprüche

Auch bei den Politikfeldern Klima und Europa würden die Menschen, die die AfD unterstützen, am stärksten unter der AfD-Politik leiden, sagt Fratzscher. Allerdings dürfte diese Aussage beim Thema Klima AfD-Anhänger eher nicht beeindrucken. Laut aktueller Allensbach-Studie macht die Klimakrise dieser Gruppe deutlich weniger Sorgen als der Bevölkerung insgesamt, nämlich nur 23 Prozent bei den nicht ausgeprägt rechten AfD-Anhängern.

Insgesamt betont DIW-Ökonom Fratzscher, dass es auch bei anderen Parteien Widersprüchlichkeiten zwischen Wählerinteressen und Positionen gebe, aber bei der AfD sei das besonders ausgeprägt.

AfD-Politiker Holm spricht von unsinniger These

Dem widerspricht Leif-Erik Holm, der im Fraktionsvorstand der AfD im Bundestag ist. Er nennt die Ergebnisse eine "unsinnige These von Herrn Fratzscher". Die AfD wolle, "dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben, damit sie ihr Leben selbst gestalten können". Holm ist dafür, die Steuern und auch Sozialabgaben, zu denen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gehören, zu senken. Der Staat müsse dann auf der anderen Seite Maß halten bei den Ausgaben, sagt der AfD-Politiker.

Die These der DIW-Studie stimme nicht, sagt Holm, denn aus seiner Sicht richtet sich die AfD-Politik an "diejenigen, die jeden Tag arbeiten gehen und wenig Geld in der Tasche haben." Viele Bürgergeldempfänger hingegen bräuchten diese Sozialleistung gar nicht, argumentiert Holm für den AfD-Vorschlag nach deutlich härteren Regeln beim Bürgergeld.

Um große Steuer- und Abgabensenkungen, wie sie die AfD fordert, auszugleichen, würden Kürzungen beim Bürgergeld bei weitem nicht reichen. So ist im kommenden Haushalt der Bundeszuschuss zur Rente zum Beispiel fünf Mal höher als die Kosten fürs Bürgergeld. Drastische Kürzungen im Bundeshaushalt würden wohl auch heftige Verteilungsdebatten nach sich ziehen. Bereits die im Vergleich dazu geringen Kürzungen, die die Ampel aktuell im Haushalt vornimmt, um die Schuldenbremse einzuhalten, sorgen für deutlichen Widerspruch.

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