Studierende in einer Vorlesung
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Hochschulen entsetzt: Stipendien und Projekte gestrichen

Entsetzen an den Hochschulen über die staatlichen Kürzungen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst: Stipendien fallen weg, Sommerkurse und Projekte müssen kleiner oder ganz ausfallen. Das Ganze sei ein "bislang nicht vorstellbarer Vorgang".

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Das Auswärtige Amt kürzt erheblich die Mittel für den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Der DAAD muss deshalb die Hälfte der Stipendien für ausländische Studierende, Promovierende und Forschende streichen. Fördergelder für Vortrags- und Kongressreisen, Sommer- und Winterkurse fallen aus. Bei den Hochschulen werden die Mittel für die Betreuung internationaler Studierender halbiert.

  • Zum Artikel: #StopTheCuts: Wissenschaft warnt vor Kürzungen

"Bisher nicht vorstellbarer Vorgang"

"Das Ganze ist ein bisher nicht vorstellbarer Vorgang", kritisiert der Sprecher der TH Deggendorf, Jörg Kunz, auf BR-Anfrage: "Eingriffe in bestehende Verträge zu Lasten der Hochschulen waren bisher nicht denkbar."

Die TH Deggendorf hat eine "Summer-School" zum Thema IT und Künstliche Intelligenz organisiert. Die Verträge seien geschlossen und nicht mehr aufhebbar, so Kunz.

Vertraglich zugesicherte Zuschüsse gekürzt

"Der vertraglich zugesagte DAAD-Zuschuss wird aber jetzt einseitig gekürzt, so dass wir manche Leistungen während der Summer-School soweit noch möglich verringern müssen", berichtet TH-Sprecher Kunz. "Manches werden wir aus unserem Haushalt abdecken müssen."

Stipendien für Studierende fallen weg

An der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) fallen wegen der Kürzungen etwa zehn Auslandsstipendien für heimische Studierende und etwa 35 Stipendien für ausländische Studierende weg.

"In einer Zeit, in der der internationale Austausch nach der Pandemie dringend wieder aufgenommen werden muss, sind diese Kürzungen sehr schmerzhaft", mahnt Professor Ralph Schneider, Präsident der OTH Regensburg. "Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge", sagte er dem BR.

Uni Regensburg: Internationale Vernetzung beeinträchtigt

Ebenfalls besorgt äußert sich die Vizepräsidentin für Internationalisierung und Diversity der Universität Regensburg, Prof. Ursula Regener. Alle Universitäten würden durch die Kürzungen nachhaltig in ihren Potentialen beeinträchtigt, Forschung, Studium und Lehre international zu vernetzen. Trotz angespannter Haushaltslage des Bundes wäre das aus ihrer Sicht "gerade mit Blick auf die aktuelle Weltlage sowie die globalen Herausforderungen ein fatales Zeichen".

Die Universität Regensburg ist bereits jetzt von der Streichung eines Stipendienprogramms für Geflüchtete aus der Ukraine betroffen. Zudem stehen viele langfristige Studien- und Promotionsstipendien auf der Kippe.

OTH-Präsident: "Partnerschaften ins Ausland sehr wichtig"

Die OTH Regensburg muss im Dozierenden- und Forschendenaustausch viele Programme auf Eis legen. Dabei seien der internationale akademische Austausch und die Partnerschaften mit ausländischen Hochschulen gerade in Krisenzeiten extrem wichtig, so Schneider. Hochschulen hielten eigene Verbindungen in die Zivilgesellschaft und könnten wichtige Akteure etwa für den Wiederaufbau der Ukraine sein.

Erst vor wenigen Tagen hatte die OTH Regensburg eine Kooperation mit der Taras Shevchenko National University in Kiew vereinbart. Ziel ist es, ukrainischen Studierenden praktische Laborübungen in Regensburg zu ermöglichen, die in ihrer kriegsgebeutelten und teils zerstörten Universität auf absehbare Zeit nicht möglich sind. "Das ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Erhaltung der akademischen Ausbildung von jungen Menschen, die im Wiederaufbau unverzichtbar ist", betont OTH-Präsident Schneider.

"Rückschritt im Wettbewerb um Exzellenz und akademischen Nachwuchs"

Generell sei Internationalität ein entscheidender Faktor im internationalen Wettbewerb um Exzellenz und akademischen Nachwuchs. "Daher sind die Kürzungen im Etat des DAAD ein klarer Rückschritt", warnt OTH-Präsident Schneider.

Kürzungen kamen überraschend

Professor Ulrich Müller, Vizepräsident für Internationalisierung an der OTH Amberg-Weiden beklagt ebenfalls Kürzungen bei Projekten seiner Hochschule: "Die OTH Amberg-Weiden hat aufgrund ihrer ausgeprägten Internationalisierung in jüngster Zeit mehrere Förderanträge beim DAAD gestellt, die leider durch die überraschenden Kürzungen betroffen sind."

Zukunft erfolgreicher Projekte ungewiss

Ein genehmigtes Projekt im Rahmen des Sonderprogramms Ukraine muss kleiner ausfallen: Zwei der drei Förderungsjahre wurden gestrichen. Ende des Jahres ist hier Schluss.

Das laut OTH seit mehreren Jahren erfolgreich laufende Projekt INTEGRA (Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium) läuft zum Jahresende aus. Nun ist unklar, ob es weitergehen kann. Das Erasmus-Programm und andere laufende Programme würden um zehn Prozent gekürzt, so die OTH Amberg-Weiden zum BR.

Auch die Universität Passau ist von den Kürzungen betroffen. Wie sehr genau, werde noch in einer Sitzung der Universitätsleitung ausgelotet, hieß es.

Minister Blume: "Fatales Zeichen in dieser Zeit"

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sieht angesichts der Kürzungen eine "Eiszeit für die Wissenschaft" heraufziehen: "Der Bund setzt den Rotstift jetzt auch noch beim wissenschaftlichen Austausch an. Dieser Kahlschlag beim DAAD ist ein fatales Zeichen in dieser Zeit", sagte Blume dem BR. "Gerade in Europa zeigt sich doch: Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg ist heute wichtiger denn je."

Die verringerten Zuschüsse an den DAAD sind eine Folge der Budgetkürzungen, die das Bundeskabinett Anfang Juli beschlossen hat. Allerdings widersprechen sie dem Koalitionsvertrag, der internationaler Hochschulkooperation einen hohen Stellenwert einräumt. Das letzte Wort hat der Bundestag, wenn er über den Bundeshaushalt 2023 abstimmt.

"Schaden für Wissenschaftsstandort Deutschland"

Darauf ruht nun die Hoffnung von DAAD-Präsident Prof. Joybrato Mukherjee. Seiner Meinung nach senken die Kürzungen "die internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland und seiner Hochschulen, und das in einer Zeit, in der außenwissenschaftspolitisch eine Vorbildfunktion und eine Führungsrolle Deutschlands in besonderer Weise notwendig wären".

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