Jungzüchter Tobias Hüttner aus Niederbayern mit einem seiner Hühner
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Jungzüchter Tobias Hüttner aus Niederbayern mit einem seiner Hühner

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Gackern, Kuscheln, Vogelgrippe: Hühner-Boom in Bayerns Gärten

Immer mehr Menschen halten sich zu Hause Nutztiere wie etwa Hühner. Woher kommt der Hype und welche Tücken bringt die private Nutztierhaltung mit sich? "Kontrovers – Die Story" hat Nutztierhalter besucht und mit einer Tierärztin gesprochen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Ist Maurice Pfeiffer aus Meitingen im Kreis Augsburg in seinem Vorgarten in der Hocke unterwegs, dann kümmert er sich um seine tierischen Mitbewohner und lässt sich das Futter aus der Hand picken. Seit diesem Sommer hat Familie Pfeiffer einen Hahn und drei Hennen. Sie ist damit nur eine von vielen in Bayern, denn die Hobbyhaltung von Hühnern ist ein echter Trend geworden.

Immer mehr Hühner – auch in der Stadt

In Bayern haben die Hobbyhaltungen von Hühnern insgesamt stark zugenommen. Laut Zahlen der Bayerischen Tierseuchenkasse gibt es aktuell offiziell fast 48.000 Hühnerhalter in Bayern, die meisten im ländlichen Raum. Doch auch in Bayerns kreisfreien Städten haben sich die Haltungen seit 2019 fast verdoppelt. Hier sind es meist wenige Tiere, die in privaten Gärten leben. Die Behörden wissen, dass viele Hobbyhalter ihre Hühner nicht registrieren lassen, obwohl sie dazu verpflichtet wären. Die Dunkelziffer der Haltungen sei deshalb noch um einiges höher.

Abwechslung für die Hühner im Garten

Damit sich die Hühner im Vorgarten nicht langweilen, will Maurice Pfeiffer ihnen Abwechslung bieten: Aus Brettern und einem Ast hat er ihnen ein Klettergerüst gebaut: "Die Bretter sind beliebt und das ist auch so die Absprungrampe, damit sie auch mal auf den Zaun hochfliegen können. Aber vielleicht sind sie noch ein Ticken zu hoch."

Pfeiffer muss sich was überlegen, denn vom Zaun können die Hühner jederzeit auf die Straße gelangen – kommen aber nicht mehr zurück: "Das ist einfach zu gefährlich - sowohl für die Tiere als auch, wenn das Auto ausweicht oder irgendwo reinfährt - das muss ja auch nicht sein."

Hühner-Trend in Bayern und im Netz

Jungzüchter Tobias Hüttner aus Niederbayern profitiert vom Hühner-Trend. Seine Zwerg-Cochins sind eine besondere Zwerghühnerrasse, zählen sogar zu den Urzwergen. Hüttner züchtet sie in seiner Freizeit und zeigt sie auch auf Ausstellungen. Seine Zwerghühner sind beliebt, unter anderem, weil sie verkuschelt sind, erzählt er: "Die sind wirklich sehr zahm, sehr ruhig und das ist super, wenn man die Tiere auch mal hochheben kann, dass man kontrollieren kann: Sind die Tiere auch gesund?"

Tobias Hüttner verkauft seine Hühner und Bruteier vor allem auf Instagram, denn auch im Netz ist der Hühner-Hype riesig. Inzwischen hat der junge Hühnerzüchter Tausende Follower. Mit ihnen bleibt er gerne in Kontakt, bekommt sogar Fotos von Hühnern, die er ihnen verkauft hat: "Da ist schon ein guter Austausch da."

Kontrovers – Die Story im Video: Hühner-Boom in Bayerns Gärten

Mangel an Tierärzten für Hühnerhalter

Über die Jahre gab es auch in Hüttners Hühnerstall immer mal wieder Krankheiten. Inzwischen kennt sich der Jungzüchter zwar gut aus, aber wie vielen anderen Hobbyhaltern fehlt ihm ein Tierarzt. Sein Tierarzt betreue Kleintiere, erzählt Hüttner, und wenn es sein müsse, auch mal die Schafe der Familie. Die Hühner jedoch nicht.

Der Niederbayer glaubt, dass bei vielen Tierärzten noch nicht angekommen ist, dass Hühner inzwischen auch als Haustiere gehalten werden. Er geht davon aus, dass sie von vielen immer noch als "billiges Nutztier, dass man für fünf Euro neu kaufen kann" gesehen werden.

Nutztiervorschriften auch für Haustierhaltung von Hühnern

Tierärztin Melina Zwack aus Prien in Oberbayern findet das grundfalsch. Jedes Tier, das leide, verdiene Hilfe – egal wie teuer es in der Anschaffung war, findet sie. Sie hat sich als eine der wenigen Veterinäre in Bayern auf Hühner spezialisiert. In ihrer Praxis zeigt sie dem Kontrovers-Team die spezialisierte Ausstattung, hier kann sie Hühner zur Diagnose röntgen und in ernsten Fällen sogar operieren.

Wenngleich sie inzwischen oft wie Haustiere gehalten werden, sind Hühner offiziell Nutztiere. Deswegen muss die Tierärztin zusätzliche Vorschriften beachten und dokumentieren – auch das scheuen offenbar einige Kollegen. Doch auch für sie gilt das Tierschutzgesetz, das unnötiges Leid verbietet.

Heute hat Melina Zwack eine Henne im Behandlungszimmer, die schlecht Luft bekommt – vermutlich einen Infekt hat. Ihre Halterin scheut die Tierarztkosten nicht: "Ich glaube, es sind 500 bis 700 Euro im Jahr – je nachdem, was anfällt. Aber es ist jeden Cent oder Euro wert. Lieber würden wir mal weniger essen, als an den Tieren zu sparen."

Vogelgrippe – bei Hobby-Hühnerhaltungen wahrscheinlicher

Tierärztin Melina Zwack macht auch Hausbesuche. Im Umfeld der Tiere kann sie noch besser sehen, was einem Huhn fehlt. Denn weil sie Beutetiere sind, versuchen Hühner, Krankheiten möglichst zu verstecken. Auf schwache und kranke Tiere hätten es zum Beispiel Füchse besonders abgesehen und Hühner wollen sich so schützen, erklärt Melina Zwack. Tierärzte brauchen also viel Erfahrung.

Außerdem gibt es für Hühner in Deutschland eine Impfpflicht gegen die Newcastle Vogelgrippe. Doch wer behält im aktuell wachsenden Trend der Hobbyhühnerhaltung einen Überblick, wie viele Hühner in Bayern überhaupt geimpft wurden? Michael Köstler von der Bayerischen Tierseuchenkasse ist sich sicher, dass viele Hobbyhalter ihre Tiere nicht impfen – obwohl das vorgeschrieben und notwendig wäre.

Die Vogelgrippe bricht bei Hobbyhaltern häufiger aus, berichtet Köstler: "Die Tiere haben in der Regel Freilauf und die Infektion wird überwiegend eingetragen über Wildvögel. Und gerade die Hobbyhaltungen haben in der Regel Kontakt zu Wildvögeln." Wenn die Vogelgrippe ausbricht, übernimmt die Bayerische Tierseuchenkasse die Kosten für amtlich angeordnete Tötungen.

Hobby-Hühnerhaltung mit aufwendiger Bürokratie

Maurice Pfeiffer aus Meitingen hat seine vier Tiere vorschriftsgemäß gemeldet. Er musste sich an drei verschiedene Stellen wenden – so ist der vorgeschriebene Ablauf in Bayern. Ganze zehn Wochen hat das gedauert, erzählt Pfeiffer.

"Als Beamter bin ich ja doch relativ erfahren im Umgang mit Formularen und so weiter. Aber ich sag mal für jemanden, der mit so etwas eher weniger am Hut hat, ist das natürlich ein richtiger Kampf. Dass man das alles einzeln raussucht und alles ausfüllen muss." Maurice Pfeiffer, Hobby-Hühnerhalter

Für Familie Pfeiffer hat sich der Aufwand trotzdem gelohnt. Das Zusammenleben mit den Hühnern hat schon jetzt die Einstellung der Familie verändert, erzählt Maurice Pfeiffer: "Je länger ich jetzt Hühner hab, desto mehr ekelt einen das eigentlich auch an, wie manche Hühner dann auch wirklich leben müssen, rein zum Zwecke des Eierlegens und zum Schlachten."

Krähende Hähne nicht so beliebt wie Hennen

Doch möglicherweise muss sich Familie Pfeiffer bald einem Problem stellen: Hahn Max hat inzwischen das Krähen gelernt und wird immer lauter. Bald könnte er mit dem Hahn aus dem nebenanliegenden Garten um das Revier konkurrieren. Dann könnten sich die Hähne beim Krähen gegenseitig anstacheln. Im schlimmsten Fall würde Maurice Pfeiffer seinen Hahn wieder abgeben, erzählt er in der Kontrovers-Reportage – wenn er ihn denn loswird. Denn bei Hobbyhaltern sind Hähne trotz des Hühner-Hypes in Bayern nicht gerade beliebt.

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