Hilfskraft Dogan Kacar unterstützt einen Bewohner im Pflegeheim St. Dominikus in Bad Grönenbach.
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Hilfskraft Dogan Kacar unterstützt einen Bewohner im Pflegeheim St. Dominikus in Bad Grönenbach.

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Ausländische Pflegekräfte sollen "Pflegekollaps" verhindern

In der Pflege wird jede Kraft gebraucht, doch der Personalmangel wird Prognosen zufolge in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Abhilfe schaffen soll die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Doch aktuell gibt es dafür noch viele Hürden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Dogan Kacar arbeitet als Hilfskraft in der Pflege Sankt Dominikus in Bad Grönenbach. Seit zwei Jahren ist er in Deutschland, hat schnell die Sprache gelernt, ist bei Bewohnern und Kollegen beliebt. "Das freut mich, wenn ich in diesem Betrieb bin. Weil ich denke nicht: Ich gehe zum Arbeiten. Ich gehe meine Bewohner besuchen, ich gehe meinen Freunden helfen", sagt Kacar.

Türkische Pflege-Hilfskraft muss Deutschland verlassen

Doch Kacars Asylantrag wurde abgelehnt. Hier bleiben dürfte er nur, wenn er eine Ausbildung beginnt, die ihm das Pflegeheim auch schon angeboten hat. Ein Visum für die Ausbildung könne er aber nur in der Türkei beantragen, wo ihm, so sagt er, der Wehrdienst und politische Verfolgung drohen. Die Behörden geben ihm nun bis 15. Dezember Zeit – um seine Ausreise vorzubereiten. Kacars Anwältin Bettina Feix will organisieren, dass diese Zeit in der Türkei möglichst kurz wird. "Weil für ihn persönlich stellt das schon eine gewisse Gefahr dar, wieder in die Türkei zu reisen", sagt Feix.

Gesundheitsminister Holetschek sieht "juristische Hürden"

Auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) will Pflegekräfte wie Dogan Kacar hier halten, verweist aber auf geltende Gesetze. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man diese Menschen in der Pflege halten kann, die dort eine Ausbildung auch beginnen wollen. Es gibt allerdings juristische Hürden, die nun mal da sind. " Er habe aber die Auskunft aus dem Innenministerium, dass man helfen wolle und nach einer Lösung suche.

Ländlichem Raum droht der "Pflegekollaps"

Doch diese Lösung funktioniere laut dem Innenministerium nur mit einer vorübergehenden Ausreise in die Türkei - oder in ein anderes Land, wo er in einer deutschen Vertretung sein Visum beantragen könnte. In einem anderen Land, sagt seine Anwältin Feix, müsste er aber aber erst einige Zeit leben, um dort ein solches Visum beantragen zu können, was diese Option deutlich erschweren würde. Wie groß derweil der Handlungsbedarf ist, weiß der Pflegekoordinator des Landkreises Unterallgäu, Hubert Plepla. Er erwartet "prognostisch einen riesen Pflegekollaps“. Gerade in ländlichen Regionen wie dem Unterallgäu seien die Aussichten dramatisch, sagte Plepla.

Weil viele jüngere Menschen in die Städte abwanderten, steige der Anteil alter und potenziell pflegebedürftiger Menschen stärker als in urbanen Regionen. Das große Problem: "Wir haben eine Ausbildungsquote, die unterhalb der Erhaltungsquote liegt. Also wir müssen schauen, dass wir möglichst viele Menschen in diesen Pflegeberuf bringen. Die Initiative sehe ich bis jetzt einfach nicht." Das Thema Migration sei ein Riesenthema. "Wir brauchen Migranten, die für den Pflegeberuf zur Verfügung stehen", sagt Plepla. Diese Menschen müsse man abholen, sie begleiten und zudem Hürden abbauen.

Von der Politik fordert er entschiedenere Maßnahmen, um Menschen in die Pflegeberufe zu bringen. Er schlägt etwa vor, Hürden abzubauen, dass Migranten leichter eine Arbeit im Pflegebereich annehmen können, oder auch ein verpflichtendes soziales Jahr, in dem junge Menschen an die Pflege herangeführt werden könnten.

Geeignetes Pflegepersonal ist rar

Auch der Leiter des Pflegeheims St. Dominikus, Maximilian Müller, kann nicht verstehen, wie kompliziert alles bei Dogan Kacar ist. "Wir haben unglaubliche Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden oder Personal im Allgemeinen. Deshalb ist es für uns absolut nicht nachvollziehbar, dass es solche großen und schwierigen Hürden gibt, jemand wie ihn zu halten."

Dogan Kacar bleibe jetzt erst einmal nur, in Istanbul ein Visum für seine Ausbildung zu beantragen. "Ich bin ein bisschen traurig, aber ich muss immer positiv denken." Und so hoffen er und die Leitung des Pflegeheims, dass er dann bald nach Bad Grönenbach zurückkehren kann.

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