Der Klimawandel ist heute nicht mehr auf einzelne Regionen beschränkt, so das Ergebnis einer Studie.
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Der Klimawandel ist heute nicht mehr auf einzelne Regionen beschränkt, so das Ergebnis einer Studie.

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Heutige Klimaerwärmung tritt global und nicht mehr regional auf

"Klimaschwankungen gab es früher auch schon", heißt es in der Klimawandel-Diskussion oft. Stimmt - aber auf einzelne Regionen beschränkt. Einen weltweiten Temperaturanstieg wie heute gab es laut einer neuen Studie in den letzten 2.000 Jahren nicht.

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Die jüngste Klimaerwärmung sei eine natürliche Erscheinung und nichts Beunruhigendes, schließlich habe es Klimaschwankungen früher auch schon gegeben. So - und mit Verweis etwa auf die Kleine Eiszeit oder die Mittelalterliche Warmzeit - wird oft gegen den Klimawandel argumentiert. Ein Team um den Klimatologen Raphael Neukom von der Universität Bern wollte es genauer wissen und hat Klimadaten der vergangenen 2.000 Jahre untersucht. Die Wissenschaftler kommen im Fachmagazin "Nature" zu dem Ergebnis, dass Warm- oder Kaltzeiten in ihrem Untersuchungszeitraum nie auf der ganzen Welt gleichzeitig auftraten. Ihrer Ansicht nach ist der jüngste Temperaturanstieg jetzt ein deutlicher Ausreißer: Ihn bekommt nahezu die ganze Welt zu spüren.

Forscher analysierten weltweite Klimadaten der letzten 2.000 Jahre

Die Forscher nutzten unter anderem die große sogenannte "PAGES2k"-Datenbank, in der Daten aus biologischen und geologischen Proben gesammelt sind und die die letzten zwei Jahrtausende umfasst. Dadurch enthält die Datenbank indirekte Informationen über die Temperaturen in der Vergangenheit: Festgehalten sind darin zum Beispiel Daten aus den Jahresringen von Bäumen, weil die Baumringe in wärmeren Jahren dicker wachsen. Langsam wachsende Korallenstöcke geben Aufschluss über Veränderungen der Wassertemperatur. Auch Daten, die aus Eisbohrkernen, Meeres- oder Seesediment-Proben sowie historischen Dokumenten gewonnen wurden, sind in "PAGES2k" enthalten.

"Vollständigste Datensammlung zum Klimawandel"

Die Datenbank umfasse alle Kontinente und Ozeane und sei mit rund 700 Einträgen von 650 Orten die "bisher transparenteste und vollständigste Datensammlung zum Klimawandel der letzten 2.000 Jahre", schreibt die Universität Bern. Forscher aus der ganzen Welt haben sie mit ihren Daten gespeist, koordiniert wurde die Zusammenstellung von PAGES (Past Global Changes), einer internationalen Klimawissenschaftsorganisation mit Hauptsitz an der Universität Bern.

Kleine Eiszeit fand nicht überall zur gleichen Zeit statt

Die Berner Wissenschaftler analysierten mithilfe von "PAGES2k" zum Beispiel die Kleine Eiszeit, die sich vom 15. bis zum 19. Jahrhundert erstreckte: Ihren Ergebnissen zufolge herrschten im 15. Jahrhundert die tiefsten Temperaturen im Zentral- und Ostpazifik, im 17. Jahrhundert in Nordwesteuropa sowie im südöstlichen Nordamerika und im 19. Jahrhundert dann in weiteren Weltregionen.

Menschgemachte Erwärmung zeigt sich überall

"Im Gegensatz dazu sehen wir, dass die wärmste Periode der vergangenen zwei Jahrtausende im 20. Jahrhundert auf 98 Prozent der Erde stattfand." Aus der Studie der Universität Bern

Für die Forscher sei dies "ein starker Hinweis, dass die vom Menschen verursachte globale Erwärmung beispiellos ist - nicht nur, was die absoluten Temperaturen angeht, sondern auch, was die räumliche Konsistenz im Kontext der vergangenen 2.000 Jahre angeht".

Erwärmung der vergangenen Jahrzehnte ist beispiellos

Scott George, Geografieprofessor an der Universität Minnesota, zeigt in einem zugehörigen Kommentar in "Nature" die Grenzen der Temperaturdaten der vergangenen 2.000 Jahre auf: Es sei manchmal schwierig, alte Kalt- und Warmphasen miteinander zu vergleichen, weil zum Beispiel die Jahresringe in Bäumen einen sehr langsamen Klimawandel, der sich über mehrere Jahrhunderte ausdehne, nicht zuverlässig darstellen könnten. Trotzdem schlussfolgert auch er: "Die gängige Maxime, dass das Klima sich immer ändert, stimmt mit Sicherheit. Aber selbst, wenn wir in unserer Perspektive bis in die frühen Tage der Römischen Kaiserzeit zurückgehen, können wir kein Ereignis erkennen, dass in Grad oder Ausmaß der Erwärmung der vergangenen Jahrzehnte auch nur annähernd entspricht."

"Das heutige Klima hebt sich in seiner heißen weltweiten Synchronie ab." Scott George, Geografieprofessor, Universität Minnesota

Weder warme noch kalte Phasen nie gleichzeitig rund um den Globus

In Summe schwächen die Berner Wissenschaftler mit ihrer am 24. Juli 2019 publizierten Studie eines der gängigsten Argumente gegen den menschgemachten Klimawandel: Dass sich die Erde früher auch schon immer mal wieder erwärmt habe. Laut ihren Erkenntnissen gab es in den letzten 2.000 Jahren tatsächlich häufiger Klimaschwankungen - aber immer nur auf bestimmte Regionen beschränkt. Die jüngste Erwärmung, die sich seit rund 150 Jahren abzeichne, finde dagegen auf 98 Prozent der Erde statt. Die Berner Forscher fanden auch heraus, dass die Erwärmungsraten über Zeiträume von mindestens zwanzig Jahren im späteren 20. Jahrhundert am höchsten waren. Vorindustrielle Klimaschwankungen, zum Beispiel im frühen 19. Jahrhundert, seien hauptsächlich von vulkanischen Aktivitäten ausgelöst worden. Weder für warme noch für kalte Phasen haben die Forscher Beweise gefunden, dass sie rund um den Globus gleichzeitig stattgefunden hätten.

Die Erde bekommt den Klimawandel zu spüren

Dass sich die Erde gerade in rasantem Tempo erwärmt, zeigen viele verschiedene Studien zum Klimawandel: In den vergangenen Jahren erreichten die Temperaturen Rekordwerte, die Jahreszeiten verschieben sich, das Gletschereis schmilzt, die Meerespegel steigen, die Ozeane werden wärmer und saurer , Tiere und Pflanzen bekommen die Auswirkungen längst zu spüren.