Umweltministerin Steffi Lemke (Foto vom 30.06.2023).
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Umweltministerin Steffi Lemke.

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Umweltministerin Steffi Lemke ruft zu mehr Klimaschutz auf

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ist in Sorge, ob künftig ausreichend Wasser in Deutschland zur Verfügung steht. Sie ruft zu mehr Klimaschutz in den Kommunen auf. Und sie stellt 630 Millionen Euro für den Meeresschutz bereit.

Über dieses Thema berichtet: Interview der Woche am .

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sorgt sich um die künftige Wasserversorgung. Denn in Deutschland steige die Durchschnittstemperatur: "Das erhöht selbstverständlich die Verdunstung. Die Vegetationsperiode ist bei uns auch schon länger geworden. Deshalb wird sich der gesamte Wasserhauhalt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter verändern." Die Folgen liegen für die Ministerin auf der Hand: "Deshalb müssen wir Vorsorge tragen, damit wir auch in Zukunft und ehrlich gesagt heute und morgen noch ausreichend Wasser zur Verfügung haben."

Mit Fernwasserleitungen will das bayrische Umweltministerium deshalb die Trinkwasserversorgung sichern.
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Mit Fernwasserleitungen will das bayrische Umweltministerium deshalb die Trinkwasserversorgung sichern.

Klimawandel bringt große Aufgaben für die Kommunen

Lemke appelliert an Städte und Gemeinden, mehr in Klimaanpassungsmaßnahmen zu investieren. Das im Kabinett beschlossene Klimaanpassungsgesetz gebe den Kommunen dafür einen klaren Rechtsrahmen an die Hand, "damit sie wissen, dass sie aus ihren Haushalten Klimaanpassung finanzieren dürfen". Die Ministerin betont, dies sei kein "Nice to Have", sondern eine "verdammte Notwendigkeit, die wir in Zukunft umsetzen müssen."

Viele Kommunen hätten noch keine Konzepte für Maßnahmen erarbeitet. Häufig werde auch noch nach Instrumenten und Lösungen gesucht. Städte zu begrünen, zu bepflanzen – das biete Schatten und kühle ab, aber: "Es gibt Schwierigkeiten, weil das vertrocknet, weil mehr Bäume absterben, als nachgepflanzt werden können." Das bleibe nicht folgenlos, so Lemke: "Wir brauchen neue Methoden, wie wir das Wasser auf den Dächern besser nutzen können, um das Stadtgrün auch in trockenen Perioden mit Wasser speisen zu können." Dafür werde sich auch der Städtebau ändern müssen - und mehr, so Lemkes Auffassung: "Wir werden das ganze Bauen verändern müssen. Häuser werden in Zukunft nicht mehr so aussehen wie heute. Sie werden ein Stück weit Wasserspeicher sein müssen." Die Ministerin beobachtet dazu in den Kommunen ein Umdenken, eine Bewusstseinsänderung.

Finanzierung noch unklar

Um die Klimaanpassungsmaßnahmen umsetzen zu können, fordern die Städte und Gemeinden mehr finanzielle Unterstützung. Der Deutsche Städtetag spricht von Kosten in Höhe von 55 Milliarden Euro. Mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln sei das nicht zu finanzieren. Die Grünen-Ministerin gesteht ein, dass für den größten Teil der Finanzierung noch keine abschließende Lösung gefunden sei. Klar sei auch, "dass die jetzigen Förderprogramme nicht für alles ausreichen werden - vor allem nicht, um das flächendeckend umzusetzen." Aus dem Kreis der Umweltministerinnen und Umweltminister gebe es den Vorschlag, dafür eine "Gemeinschaftsaufgabe einzurichten" - mit dem Ziel, dass sich Bund und Länder die Kosten teilen.

Kernaufgabe für den nächsten Bundestag

"Ich will aber auch betonen, dass es auch darum geht, dass man Dinge nicht mehr macht", so Lemke. "Eine Fläche nicht zu versiegeln, kostet in der Regel kein Geld."

Die Umweltministerin geht nicht davon aus, dass der Bund noch in dieser Legislaturperiode mehr Geld zur Verfügung stellen kann. "Wenn wir eine solche Gemeinschaftsaufgabe einrichten würden, dann würde es dazu eine Verfassungsänderung brauchen. Das muss im Deutschen Bundestag mit verfassungsgebender Mehrheit abgestimmt werden. Deshalb befürchte ich, dass das in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu schaffen sein wird." Für die nächste Regierung aber wäre das eine Kernaufgabe, so Lemke.

630 Millionen Euro für den Meeresschutz

Die Grünen-Politikerin kündigt im BR24-Interview der Woche an, im nächsten Jahr 630 Millionen Euro in den Meeresschutz investieren zu wollen. "Das ist ein Riesenschritt nach vorne", sagt die Ministerin. Das Geld kommt aus der Versteigerung von Windkraftlizenzen. Windparkbetreiber, die Anlagen auf dem Meer betreiben, zahlten Geld, um mögliche Umweltbelastungen ausgleichen zu können. Zum ersten Mal gebe es diese Gelder für den Meeresschutz. "So viel Geld ist dort noch nie investiert worden", erklärt Lemke. Die Mittel sollen zum Beispiel für den Schutz von Zugvögeln und die bedrohte Art der Schweinswale eingesetzt werden. "Ich möchte auch prüfen lassen, ob wir einen Ostsee Nationalpark, der in Schleswig-Holstein diskutiert wird, unterstützen können."

Sorge wegen hoher AfD-Umfragewerte

Die hohen Umfragewerte der AfD und die aktuell aufgeladene Stimmung in Teilen der Bevölkerung bereiten der Ministerin Sorge. Auch sie erlebe Beschimpfungen und Aggressionen. "Das geht an keinem vorbei, vor allem an Kommunalpolitikern nicht und nicht nur bei den Grünen."

Sie kritisiert die Kommunikation der Ampel-Koalition und gesteht politische Fehler ein: "Wir müssen früher und besser begründen, warum Maßnahmen, die nicht beliebt sind, trotzdem notwendig sind." Politik müsse bessere Entscheidungen treffen. Lemke betont allerdings mit Blick auf ihre eigene Partei. "Auch wenn ihnen das möglicherweise paradox erscheint oder Widerspruch auslöst, ich glaube, dass wir eine ganze Menge richtig machen."

Lemke: Änderungen sind notwendig

Die Grünen seien die erste Partei gewesen, die bei Umwelt- und Klimaschutz auf Veränderungen gedrängt habe. Aber es sei zu wenig passiert. "Diese Probleme wurden viel zu lange ignoriert." Und: "Dass wir jetzt auf eine Situation zulaufen, wo die Maßnahmen viel drastischer sind, als sie das mit mehr Vorlauf gewesen wären, hat sicher damit zu tun, dass die anderen Parteien die Probleme ignoriert haben."

Die gegenwärtige Situation sei aus verschiedenen Gründen sehr schwierig. Für die Bundesumweltministerin ist klar: "Grüne Politik enthält Zumutungen, weil wir sagen, wir wollen diesen Planeten bewohnbar halten, wir wollen auch Natur und Umwelt retten, damit auch unsere Kinder noch Wasser zur Verfügung haben." Dafür brauche es auch unpopuläre Maßnahmen, so Lemke. Und weiter: "Dafür müssen wir etwas an unserer bisherigen Wirtschafts- und Verhaltensweise ändern. Sonst wird das nicht funktionieren. Und diese Botschaft müssen wir früher und besser vermitteln."

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Wasser wird knapper, im Norden von Bayern, wo es weniger regnet, noch mehr als im Süden.
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