Die Weltbevölkerung wächst vor allem dort, wo die Menschen pro Kopf besonders wenig klimaschädliches CO2 ausstoßen.
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Die Weltbevölkerung wächst vor allem dort, wo die Menschen pro Kopf besonders wenig klimaschädliches CO2 ausstoßen.

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Bevölkerungswachstum nicht schuld am Klimawandel

Menschen behaupten immer wieder, die wachsende Weltbevölkerung sei der Grund für die Klimakrise. Warum das nicht stimmt, zeigt dieser #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Darum geht’s:

  • Immer wieder wird behauptet, dass die wachsende Zahl der Menschen auf der Erde der Hauptgrund für die Klimakrise ist.
  • Tatsächlich wächst die Bevölkerung aber vor allem dort, wo die Menschen pro Kopf besonders wenig klimaschädliches CO2 ausstoßen.
  • Einen viel größeren Einfluss auf das Klima haben die Menschen in Ländern, in denen sehr viel konsumiert wird. Dort ist das Bevölkerungswachstum aber sehr gering.

Auf der Internetseite der Deutschen Stiftung für Weltbevölkerung (DSW) wird eine Zahl immer größer. Sie zählt die Menschen, die auf der Erde leben. Jede Sekunde kommen etwa zwei hinzu. Am 15. November 2022 stieg die Zahl auf über acht Milliarden. Noch nie haben mehr Menschen gleichzeitig auf der Erde gelebt als heute - und es werden noch mehr.

Frank Swiaczny ist Wissenschaftler am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Demografie. Wie viele Experten geht auch er im Gespräch mit dem #Faktenfuchs davon aus, dass die Weltbevölkerung zwar nur noch langsam wächst, aber noch in diesem Jahrhundert die Zehn-Milliarden-Grenze überschreiten wird. Erst ab 2086 wird die Zahl voraussichtlich wieder zurückgehen. Der Grund dafür ist die weltweit sinkende Geburtenrate. Brachte eine Frau in den 1960er Jahren durchschnittlich fünf Kinder auf die Welt, waren es 2020 nur noch 2,4. Im Jahr 2100 wird die Zahl wohl bei 1,8 liegen. Ein Wert von zwei ist nötig, um die Zahl der Weltbevölkerung stabil zu halten.

Klimakrise spitzt sich zu

Gleichzeitig macht sich der Klimawandel auf der Erde immer stärker bemerkbar. Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), schreibt dazu in einer Mitteilung: "Fünf der sechzehn Kipppunkte könnten bei den durch die globale Erwärmung schon heute erreichten Temperaturen ausgelöst werden." Die Welt steuere aber auf eine globale Erwärmung von zwei bis drei Grad Celsius zu und damit auf mehrere gefährliche Schwellenwerte, deren Überschreitung für die Menschen auf der ganzen Welt "katastrophale Folgen" haben würde.

Der Grund: Ökosysteme wie große Korallenriffe, aber auch Eisschilde und Permafrostböden, die an der Regulierung des Erdklimas beteiligt sind, verändern sich nach Meinung der Experten ab einem bestimmten Punkt - dem Kipppunkt - selbst dann noch in eine für den Menschen ungünstige Richtung, wenn die Temperaturen dann nicht mehr weiter steigen sollten.

Kein Zusammenhang zwischen Weltbevölkerung und Klimakrise

Weil sowohl die Weltbevölkerung wächst, als auch die Klimaprobleme zunehmen, gehen viele Menschen von einem vermeintlichen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Klimawandel aus. Auch in den sozialen Medien finden sich etliche Äußerungen, die den Grund für den Klimawandel vor allem darin sehen, dass angeblich zu viele Menschen auf der Erde leben. "Klimaveränderungen gab es schon immer, das Problem ist die Überbevölkerung", schreibt etwa ein User auf Twitter. "Der Klimawandel ist nicht das Hauptproblem. Vielmehr ist es die wachsende Überbevölkerung, die unsere Erde zerstört", meint ein anderer. Da helfe auch kein Verbrennerverbot oder Tempolimit. Einem dritten fehle in der Klimadiskussion "seit jeher eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Überbevölkerung" und ein anderer schreibt: "Der beste Klimaschutz ist der Kampf gegen die Überbevölkerung."

Nicole Langenbach von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung kennt solche Aussagen. Sie sagt: "Selbst Menschen ohne rassistische Ressentiments wiederholen den angeblichen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Klimawandel nahezu gebetsmühlenartig."

Doch die Annahme, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, ist falsch, wie Experten vieler verschiedener Behörden und Institutionen dem #Faktenfuchs auf Nachfrage erklären. "Nicht die Anzahl der Menschen, sondern der Überkonsum ist das Problem", sagt beispielsweise Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Auch Catherina Hinz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sagt bei einer Diskussionsveranstaltung zum Anlass des achtmilliardsten Erdenbürgers: "Nicht auf die Zahl der Menschen, sondern auf deren Verhalten kommt es an." Und Matthias Mengel, der sich zur Erforschung des Klimawandels im Jahr 2013 der Polarstern-Expedition in das antarktische Weddellmeer angeschlossen hatte und heute stellvertretender Leiter der Forschungsabteilung beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist, sagt: "Auch ein geringeres Bevölkerungswachstum würde nichts daran ändern, dass wir alle auf netto null Ausstoß von Treibhausgasen kommen müssen."

Dieser #Faktenfuchs zeigt, warum das Bevölkerungswachstum allein keinen nennenswerten Einfluss auf den Klimawandel hat, und dass stattdessen eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen in den geburtenschwachen Industrienationen für den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 und damit für die Klimakrise verantwortlich ist. Dazu ist es erstens notwendig, zu zeigen, in welchen Ländern der Erde die Bevölkerung wächst, zweitens welche CO2-Ausstöße die Menschen in diesen Ländern verursachen, und drittens, welchen Wohlstand sie genießen. Dieses Vorgehen wird von allen Experten, die der #Faktenfuchs befragt hat, empfohlen.

Erstens: Wo die Bevölkerung (stark) wächst und wo nicht

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Länder, in denen die Bevölkerung in den vergangenen Jahren am schnellsten wuchs. Einen entsprechenden Überblick bietet unter anderem die Weltbank.

Die Liste der Länder mit dem aktuell stärksten Bevölkerungswachstum führt derzeit Syrien an. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Bevölkerung dort im Jahr 2021 um 4,33 Prozent. Die Zahl sei aber mit Vorsicht zu genießen, sagt Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung dem #Faktenfuchs. Sie sei aufgrund des jahrelangen Bürgerkriegs in dem Land nur schwer zu verifizieren.

Auffällig ist aber, dass danach 15 Länder des afrikanischen Kontinents folgen - von Niger mit 3,75 Prozent über Uganda, Kongo, Angola, Senegal, Kamerun und Äthiopien, bis Guinea mit einem Bevölkerungswachstum von 2,74 Prozent. Zum Vergleich: In den USA liegt das Bevölkerungswachstum bei nur 0,12 Prozent, in Deutschland bei nur 0,1. In China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, bei 0,09 und auch in Indien, dem Land mit den weltweit zweitmeisten Einwohnern, liegt der Wert unter einem Prozent (0,97).

Die Zahlen stehen exemplarisch für das Bevölkerungswachstum in den unterschiedlichen Regionen der Welt, wie ein aktueller Report der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung zeigt: Während die Bevölkerung weltweit um etwa ein Prozent wächst, beträgt das Wachstum in Afrika 2,5 Prozent. In Asien steigt die Bevölkerungszahl dagegen mit 0,9 Prozent unterdurchschnittlich, in Nordamerika mit 0,1 Prozent kaum noch, während sie in Europa bei -0,3 Prozent liegt und damit sogar rückläufig ist. Matthias Mengel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt dazu: "Die Wachstumsrate ist schon lange über ihrem Höhepunkt und es ist zu erwarten, dass sie weiter sinkt."

Aber ist der Blick auf die prozentuale Entwicklung überhaupt der richtige? Zeigen die absoluten Zahlen nicht ein ganz anderes Bild? Schließlich bedeuten 0,09 Prozent Wachstum in China wesentlich mehr "neue" Menschen auf der Erde als 2,7 Prozent in Guinea.

Der Bevölkerungsforscher Swiaczny verteidigt den Blick auf die prozentuale Entwicklung. Im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und Bevölkerungswachstum zeige ein Fokus auf die Wachstumsgeschwindigkeit eine "realistischere Perspektive". Weil sich die Wachstumsrate oft eine Generation später vervielfache, dann nämlich, wenn die jetzt neu Geborenen selbst in das fortpflanzungsfähige Alter kommen, gewähre die Wachstumsrate einen Ausblick auf die nächsten Jahrzehnte. In Niger beispielsweise, sagt Swiaczny, wachse die Bevölkerung von jetzt 26 Millionen auf 167 Millionen im Jahr 2100: "Praktisch das gesamte Bevölkerungswachstum bis 2100 entfällt auf Subsahara Afrika, auch wenn im Moment noch andere Länder ein höheres absolutes Wachstum haben." Matthias Mengel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ergänzt: "Es ist ja nicht nur Niger, das schnell wächst, sondern auch größere Länder wie Nigeria wachsen um 2,5 Prozent pro Jahr." Letzteres bedeute eine Verzwölffachung der Bevölkerung bis zum Jahr 2100.

Warum der Bevölkerungszuwachs gerade in afrikanischen Ländern so hoch ist, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Angela Bähr, mit einem Mangel an Bildung, sexueller Aufklärung und Geschlechtergerechtigkeit: "Zahlreiche Studien und Statistiken belegen, dass Frauen, die eine Sekundarbildung genossen haben, im Schnitt zwei bis drei Kinder bekommen wollen und nicht vier bis fünf, wie das in weiten Teilen Afrikas immer noch der Fall ist." Und Bärbel Kofler, Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erinnert bei der Diskussionsveranstaltung zur achten Milliarde daran: "Die Frage, wie groß Familien sind, hatte auch bei uns früher viel mit Altersabsicherung zu tun."

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Bevölkerungswachstum 2021 in Prozent

Zweitens: Wo die Menschen viel CO2 ausstoßen und wo wenig

Ein großes Bevölkerungswachstum in einem Land bedeutet nicht gleich einen großen Ausstoß an CO2, da sind sich alle Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, einig. Um das zu verstehen, muss man sich zunächst einmal ansehen, was CO2, also Kohlendioxid, überhaupt ist und wie es in die Luft gelangt.

Zunächst einmal ist Kohlendioxid nur eines von vielen Treibhausgasen; nach Angaben des Umweltbundesamtes mit einem Anteil von fast 90 Prozent an der Klimawirkung aller Emissionen aber das mit Abstand bedeutendste.

Wie dieses Kohlendioxid in die Luft gelangt, erklärt Matthias Mengel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) so: Demnach setzt der Mensch beispielsweise durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe in Anlagen und Motoren CO2 frei, das zuvor in der Natur gebunden war. Ihren Anfang nahm diese Entwicklung mit dem Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien. "Kohle wurde verbrannt, um Webstühle anzutreiben. Der moderne und heute so massiv angewachsene CO2-Ausstoß begann", sagt Mengel. CO2 sei damit zum Symbol für die Industrialisierung geworden.

Weltklimarat: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht

Um einen Überblick zu bekommen, welche Wirtschaftsbereiche die meisten Emissionen freisetzen, empfiehlt Mengel einen Blick in den jüngsten Klimawandelbericht des Weltklimarats. Demnach stammten im Jahr 2019 etwa 34 Prozent der gesamten Emissionen aus dem Energieversorgungssektor, 24 Prozent aus der Industrie, 22 Prozent aus Land-, Forst- und sonstiger Landnutzung und 15 Prozent aus dem Verkehr. Der Rest wird Gebäuden zugeordnet. Ähnliche Werte weist die Emissionsdatenbank für globale Atmosphärenforschung der EU-Kommission (EDGAR) auf, auf die Bevölkerungsforscher Swiaczny verweist: Demnach machte die Industrie im Jahr 2021 mehr als ein Fünftel aller Emissionen aus. 20 Prozent entfielen auf den Bereich Verkehr und Transport. Der mit 38 Prozent größte Teil entstand bei der Strom- und Treibstofferzeugung. Durchschnittlich entstanden im Jahr 2021 so weltweit 4,81 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf.

Die Experten des weltweit als "Goldstandard" in Klimafragen anerkannten Weltklimarats haben daher auch keinen Zweifel daran, dass der Klimawandel durch den Menschen gemacht ist. In einer "Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung" schreibt der Weltklimarat:

"Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat."
"Die seit etwa 1750 beobachteten Konzentrationszunahmen gut durchmischter Treibhausgase sind eindeutig durch menschliche Aktivitäten verursacht."
"Der Einfluss des Menschen hat das Klima in einem Maße erwärmt, wie es seit mindestens 2.000 Jahren nicht mehr der Fall war."

Geringer CO2-Ausstoß in geburtenstarken Ländern

Die Datenbank der EU-Kommission zeigt aber auch auf, dass die Pro-Kopf-Emissionen unter den Ländern dieser Welt höchst unterschiedlich verteilt sind. Am deutlichsten über dem Durchschnitt liegen sie demnach in Katar. Mit 34,4 Tonnen pro Kopf erzeugt das Land pro Jahr mehr CO2 als jedes andere Land der Erde. Es folgen die Vereinigten Arabischen Emirate, Kanada, Australien, Saudi-Arabien und die USA. Deutschland kommt demnach auf etwa acht Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Das mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Land der Erde, China, liegt mit 8,7 Tonnen knapp darüber, Indien mit 1,9 Tonnen deutlich darunter.

Die geringsten CO2-Emissionen haben hingegen einige der Länder, die mit den stärksten Geburtenraten auffallen. Darauf weisen alle vom #Faktenfuchs befragten Experten hin. In Angola beispielsweise liegt der jährliche Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 bei 0,7 Tonnen, in Niger bei 0,1 Tonnen und in der Demokratischen Republik Kongo bei 0,04 Tonnen. In Syrien, dem Land mit dem derzeit stärksten Bevölkerungswachstum, liegt der Ausstoß bei 1,3 Tonnen. Damit verursacht ein Einwohner von Katar so viel CO2 wie mehr als 1.000 Kongolesen, ein Deutscher das 13-fache eines Bewohners aus Angola. "Zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich, und diese zehn Prozent leben im globalen Norden, also den hochentwickelten aber keinesfalls überbevölkerten Industrienationen", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Angela Bähr, dazu.

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CO2-Ausstoß pro Kopf 2021 in Tonnen

Bei der Betrachtung dieser Werte muss eines beachtet werden, wie Bevölkerungsforscher Frank Swiaczny erklärt: Die Werte beinhalten nicht nur den Pro-Kopf-Verbrauch der Menschen in den jeweiligen Ländern, sondern auch den Anteil an Emissionen, der zur Herstellung ihrer Konsumgüter in anderen Ländern entsteht. Die in China ausgestoßenen Emissionen beispielsweise werden damit nicht ausschließlich den Einwohnern Chinas zugeschlagen, sondern zu einem Teil auch Nationen wie Deutschland, die ihre Produktionen aus Kostengründen nach China verlagert haben und deren Bürger die dort produzierten Produkte kaufen.

Diese Betrachtungsweise ist nach Ansicht aller vom #Faktenfuchs befragter Experten die, die sich weltweit vermutlich durchsetzen wird. Auch wenn große Organisationen, wie die UN, ihre Zahlen zum CO2-Ausstoß noch nach dem Erzeugerprinzip ausgeben und die Emissionswerte damit ausschließlich dort verorten, wo sie entstehen. Ändere man das und erhebe die Zahlen nach dem Konsumprinzip, lasse das die westlichen Länder noch schlechter dastehen, sagt Mengel. Die sogenannte Konsumlesart sei daher die gerechtere und richtigere, "da jeder Mensch das Recht auf eine gleiche Menge an Konsum haben sollte". Gehe es um Verteilungsgerechtigkeit, sei diese auf den Konsum und nicht auf die Erzeugung von CO2 ausgelegte Perspektive die relevante, sagt auch Swiaczny.

Drittens: Wo die Menschen viel verdienen und wo wenig

Länder mit hohem Bevölkerungswachstum sind nach Ansicht der Experten also in aller Regel jene, in denen pro Kopf besonders wenig CO2 verursacht wird. Im Gegenzug sind einige wenige Länder, in denen die Bevölkerung nur sehr wenig oder kaum wächst, für den Großteil der weltweiten Emissionen verantwortlich. Charakteristisch für Nationen mit hohem Pro-Kopf-Ausstoß ist zudem ein hoher Wohlstand, der sich unter anderem über das Bruttonationaleinkommen, dem früheren Bruttosozialprodukt, definieren lässt.

Diesen Wert listet unter anderem die Weltbank für alle Länder dieser Erde auf. Die soeben noch als größte CO2-Verursacher definierten Nationen liegen dabei auch bei der Betrachtung des Bruttonationaleinkommens auf den vordersten Plätzen: Die USA belegen mit 70.430 Dollar pro Kopf Rang acht der mehr als 190 Länder dieser Welt. Katar liegt mit 57.120 Dollar auf Platz 15. Deutschland findet sich in diesem Ranking mit 51.040 Dollar an 21. Stelle wieder. China liegt mit 11.890 Dollar auf Platz 75 und damit deutlich in der ersten Hälfte der Liste und nur knapp unter dem weltweiten Durchschnitt von 12.070 Dollar pro Kopf. Vor den USA liegen nur Länder wie Bermuda, Lichtenstein oder die Schweiz.

Hingegen sind die Länder mit dem stärksten Bevölkerungswachstum auch die mit den geringsten Einkommen pro Kopf: In Syrien liegt das Bruttonationaleinkommen bei 930 Dollar pro Kopf, in Niger bei 590 Dollar, in Burundi bei 240 Dollar.

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Bruttonationalprodukt pro Kopf 2021 in US-Dollar

Die Verursacher hoher Emissionen leben also in Staaten, die ihren Bürgern aufgrund ihres Industrialisierungsgrades hohe Einkommen und viele Konsummöglichkeiten bieten. "Es sind die 20 größten Industrienationen, die rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen produzieren", sagt Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Global betrachtet genehmige sich somit eine kleine Elite einen teils drastischen Überkonsum, der den Klimawandel vorantreibe. "Ob der Mensch eine große oder kleine ökologische Bürde wird, hängt davon ab, wo er geboren wird", so Swiaczny weiter. Zwar gebe es solche Eliten mit außerordentlich hohem Ressourcenverbrauch in allen Ländern. In einigen Industriestaaten habe sich der Ressourcenhunger aber bis weit in die untere Mittelschicht ausgeweitet. Die Nachfrage nach Flugreisen, immer größerem Wohnraum und mehr Zweitwagen zeige das.

"Arme Menschen tragen weniger zum CO2-Ausstoß bei als reiche", sagt auch Matthias Mengel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Und auch die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Angela Bähr, bestätigt das, wenn sie sagt: "Das reichste ein Prozent der Bevölkerung alleine verursacht mehr CO2-Ausstoß als die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung."

Man sollte daher eher von einem Überkonsum als von Überbevölkerung sprechen, sagt Swiaczny. "Wenn wir uns anschauen, wie viele Menschen in den ärmsten Regionen zu den globalen Umweltproblemen beitragen, dann kann man sagen, dass dort, wo die Menschheit noch stark wächst, also beispielsweise im subsaharischen Afrika, wo die Menschen sehr arm sind und einen sehr niedrigen Lebensstandard haben, sie kaum zu den Emissionen beitragen."

Überkonsum und nicht Überbevölkerung ist Schuld am Klimawandel

Den Begriff der Überbevölkerung hält auch Angela Bähr von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung für unpassend. "Auf der Erde ist genug Platz für acht Milliarden Menschen und es wird auch genug Platz für zehn Milliarden sein", sagt sie. Ernähren könne die Erde diese Anzahl an Menschen allemal. Das zeige die bis vor kurzem erfolgreich bekämpfte Hungerkrise, die allerdings durch die Folgen des Krieges in der Ukraine und die - durch den Klimawandel verursachte - Dürre neu entbrannt sei. "Beides hat jedoch wenig mit der Anzahl der Menschen zu tun, sondern viel mehr mit ihrem Verhalten", so Bähr. Dass der "Mythos" von der Überbevölkerung sich dennoch so hartnäckig halte, könne man mit "mangelnder Information oder auch Desinformation" erklären. Es habe aber auch mit "Ignoranz der eigenen Verantwortung gegenüber" zu tun.

Denn unausgesprochen stecke hinter diesem Mythos auch das Wissen der Menschen, dass eine gerechte Verteilung der Ressourcen, so wie ein Teil der Menschen derzeit lebe, nicht möglich sei, sagt Swiaczny. "Es können nicht alle Menschen auf unserem Lebensstandard leben, weil das die Erde nicht verkraftet. Und die Frage ist, wie wir darauf reagieren sollen, dass wir einen so hohen Anteil an Ressourcen für unseren Lebensstandard verbrauchen, während sich die andere Hälfte der Menschheit mit deutlich weniger Lebensstandard, Einkommen und Lebensqualität zufrieden geben muss."

So sieht das auch Catharina Hinz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Um die Klimakrise nicht weiter zu verschärfen, müsste bei der Entwicklung armer Länder dafür gesorgt werden, dass sich die Fehler der Industrienationen nicht wiederholten. Eine "grüne Revolution für Afrika" sei das Gebot der Stunde, sagt Hinz bei der Diskussionsveranstaltung zur achten Milliarde. Das klassische, fossile Wirtschaftswachstum der Tigerstaaten, also der jüngst von Entwicklungs- zu Industrienationen aufgestiegenen Staaten Ostasiens, dürfe nicht kopiert werden, sagt auch Swiaczny.

Wie es stattdessen geht, weiß man am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Ganz neue Technologien sind nicht nötig, um den Klimawandel aufzuhalten", so Matthias Mengel. Die nötigen Technologien, nämlich emissionsfreie Photovoltaik- und Windenergie, die auch zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden könnten, seien schließlich längst bekannt. Die Herausforderung sei nun vielmehr der Ausbau der vorhandenen Technologien und der Umbau der gesamten Industrie.

Das Beispiel China mache das tatsächliche Problem für das Klima deutlich, sagt Bevölkerungsforscher Swiaczny. Obwohl die Bevölkerung dort nicht mehr besonders stark wachse, stiegen die Pro-Kopf-Emissionen weiter an. Wie in geburtenschwachen Industrienationen auch sei der Wohlstand dort derart gestiegen, dass mehr Konsum möglich sei als in Zeiten starken Bevölkerungswachstums. Selbst technologische Fortschritte, die eigentlich CO2 sparen könnten, würden so beispielsweise durch einen größeren Hunger nach immer stärkeren Motoren im Verkehr aufgezehrt.

Fazit

Länder mit hohem Bevölkerungswachstum sind in den meisten Fällen Länder, in denen die Menschen pro Kopf deutlich weniger Kohlendioxid ausstoßen als im weltweiten Durchschnitt. Gleichzeitig sind es gerade die Länder mit geringen oder gar rückläufigen Bevölkerungszahlen, die besonders viel CO2 pro Kopf ausstoßen. Das liegt an dem hohen Grad der Industrialisierung - Klimaforscher Mengel vom PIK spricht hier lieber von Grad der Entwicklung. Damit verbunden sei aber in jedem Fall ein hoher Wohlstand, der eine Elite und in einigen Nationen sogar weite Teile des Mittelstands in die Lage versetze, überdurchschnittlich viel zu konsumieren.

Das Bevölkerungswachstum oder die Zahl der Menschen auf der Erde allgemein habe hingegen kaum Einfluss auf den Klimawandel, so der Klimaforscher. Das sagt auch der Bevölkerungsexperte Frank Swiaczny: "Das Bevölkerungswachstum alleine hat wenig Einfluss, weil dort, wo starkes Wachstum herrscht, wenig verbraucht wird." Allerdings schränkt Swiaczny ein: Das Wachstum sei nur im Rahmen der zu erwartenden Werte kein Problem für das Klima. Gehe man davon aus, dass die Bevölkerung unendlich weiter wachse, sehe das selbstverständlich anders aus. Experten gehen allerdings davon aus, dass die Weltbevölkerung ab etwa dem Jahr 2086 wieder schrumpft.

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