Ausblick 2024
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Neue Herausforderungen 2024: Was das politische Jahr bringt

Weltpolitik und Wahlen. Spröde Begriffe, die 2024 Zündstoff bergen dürften. Global gesehen wächst der Druck auf den Westen. Innenpolitisch werden die Wahlen zum EU-Parlament und zu drei Ost-Landtagen die Parteien vor neue Herausforderungen stellen.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

Dass der Krieg in der Ukraine 2023 beendet sein würde – womöglich mit einem Sieg Kiews über den russischen Aggressor – lag vor einem Jahr im Erwartungshorizont nicht weniger Experten. Es kam anders. Ein wichtiger Grund: Der Westen unterstützt gerade nicht genug – für die Ukraine ist es zu viel um zu verlieren, aber zu wenig für den Sieg. Wird es 2024 Frieden geben? Und unter welchen Bedingungen? Reicht man Putin den kleinen Friedensfinger, nimmt er dann die ganze Hand?

Wenn Mitte Februar die 60. Münchner Sicherheitskonferenz stattfindet, wird ein weiterer Krieg auf der Tagesordnung stehen. Die Hamas hat ihn Israel erklärt mit einem Massaker an Zivilisten. Die Unschuldigen sind auch die Leidtragenden des israelischen Einmarsches im Gazastreifen.

Der Westen unter Druck

Wie im Fall der Ukraine ist der Westen der eigentliche Feind. Iran, China, Russland und ihre Verbündeten wollen die freiheitlichen Demokratien destabilisieren – eine Erkenntnis, die alles andere als neu ist, lässt man die warnenden Mottos der letzten Sicherheitskonferenz Revue passieren: To the Brink (Am Abgrund, 2018), Westlessness (Ohne den Westen, 2020), Unlearning Helplessness (Hilflosigkeit verlernen, 2022). Sie alle sind zur Wiederverwendung geeignet.

Nicht nur unverbesserliche Pessimisten oder Optimisten – je nach Haltung – stellen sich den Westen bereits ohne die USA vor, wenn sie auf den 5. November blicken, den Tag der Präsidentenwahl in Amerika. Nein, Donald Trump ist noch nicht in eine zweite Amtszeit gewählt, er ist noch nicht einmal als Kandidat nominiert. Aber für den Fall der Fälle warnen auch unaufgeregte Analytikerinnen wie Liana Fix Europa, sich allzu großen Illusionen hinzugeben.

"Wenn Donald Trump einfach die Glaubwürdigkeit der Nato infrage stellt und die Glaubwürdigkeit der US-Garantien für Europa, und zum Beispiel suggeriert, dass er nicht zur Verteidigung des Baltikums kommen wird. Allein so eine Aussage kann schon ausreichen, um die Verteidigung der Nato komplett zu unterminieren, und um Russland zu ermutigen, zu zündeln an den Grenzen." Liana Fix, Council on Foreign Relations, Washington

Europa auf sich gestellt, das wäre ein vollkommen neues Szenario seit den beiden Weltkriegen. Wenn Europa – also die EU – vom 6. bis 9. Juni ein neues Parlament wählt, wird sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Abschneiden der national orientierten Kritiker und Gegner der EU richten. Umfragen zufolge werden sie im neuen Europaparlament zulegen – was nicht zuletzt am Höhenflug der AfD in Deutschland liegt. Die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Maria Noichl spricht von einer "Schicksalswahl für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte". Spannend: Wie werden die 16- und 17-Jährigen abstimmen, die in Deutschland zum ersten Mal bei einer Europawahl wählen dürfen?

Bayern: Landespolitik im Zeichen der Migrationspolitik

Die AfD punktet vor allem beim Thema Migration und Asyl, das in der Wichtigkeit unter den Wahlberechtigten weit oben rangiert. Nicht nur in der EU, auch in der bayerischen Landespolitik wird es eines der großen Arbeitsfelder bleiben. Unter den Schlagworten "Ja" zu Hilfe, aber "Nein" zu Überforderung und illegaler Zuwanderung will die schwarz-orange Staatsregierung bayernweit und so weit als möglich das Sachleistungsprinzip für Asylbewerber durchsetzen.

Statt mit Bargeld sollen die Geflüchteten mit speziellen Bezahlkarten einkaufen müssen, etwa damit kein Geld in die Heimatländer überwiesen werden kann. Vor allem abgelehnten Asylbewerbern soll unter anderem damit das Leben möglichst unbequem gemacht werden, damit möglichst viele Abschiebepflichtige freiwillig ausreisen. SPD und Grüne wollen dagegen für Flüchtlinge die Hürden senken, damit sie möglichst schnell bezahlte Arbeit aufnehmen können. Wie genau Sprachtests, Sprach-Kitas und Sprach-Klassen umgesetzt werden, darüber wird im Landtag sicher ausführlich gestritten werden.

Die Grünen wird der Asyl-Kurs der Parteispitze auch 2024 einer Zerreißprobe aussetzen. Vor allem die Parteijugend hält wenig vom "Migrationspaket" der Bundesregierung, an der die Partei beteiligt ist. Bayerns Fraktionschefin Katharina Schulze spricht von "Humanität und Ordnung" – mit der Betonung auf dem "und". Vor allem gehe es darum, die Kommunen zu entlasten, weil da sehr viele bereits am Rande der Belastungsgrenze seien, sagte sie im BR-Interview.

Bayern in Europa: Zoff zwischen Freien Wählern und CSU

Seit 2012 gibt es in Bayern das Regionalsiegel – für Lebensmittel. Das verpassen sich CSU und Freie Wähler nun politisch, wenn auch in ganz unterschiedlicher Auslegung. Wenn die Freien Wähler und die AfD ihren Rückenwind unter anderem aus der bayerischen Landtagswahl mitnehmen sollten, dann drohen der CSU herbe Einbrüche. Die will Parteichef Markus Söder unbedingt verhindern. Zusammen mit Spitzenkandidat Manfred Weber macht er mit Blick auf die Freien Wähler klar: Die Christsozialen seien die "einzige echte Partei aus Bayern für Bayern in Europa".

Bei den Freien Wählern stehe zwar vorn auf der Europaliste eine Kandidatin aus Bayern, dahinter folgten aber "alle möglichen Leute aus ganz Deutschland". Und Weber sagt: "Die einzige Partei, die rein bayerische Kandidaten hat, ist die CSU." Bei den Freien Wählern folge auf die Spitzenkandidatin erst wieder auf Rang sieben ein Kandidat aus dem Freistaat. Die CSU werde im Europawahlkampf klarstellen, "dass die Freien Wähler Bundespartei sind", kündigte Weber an. "CSU wählen, heißt, Bayern wählen – Bayern stark machen in Brüssel."

Die CSU, so weiß-blau wie sonst niemand? Für Bayerns Freie Wähler-Generalsekretärin Susann Enders kein Vorteil: Anders als die "Regionalpartei" CSU seien die Freien Wähler in ganz Deutschland wählbar. Sie schauten "über den Tellerrand hinaus" und genössen deutschlandweit wachsenden Einfluss.

Wahlen im Osten: Schwierige Regierungsbildung

Neben der Europawahl wird 2024 in Deutschland in drei Bundesländern gewählt: Am 1. September in Thüringen und Sachsen, am 22. September in Brandenburg. Die hohen Umfragewerte der AfD im Osten sorgen für Nervosität bei den anderen Parteien. AfD-Chefin Alice Weidel sagte kürzlich bei einem Besuch der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich, ihre Partei habe eine "reelle Chance", im Osten Deutschlands "eine Landesregierung mit zu stellen" und "ans Ruder" zu kommen.

Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter sieht dafür wenig Chancen. Denn für eine Regierungsmehrheit bräuchte Weidels Partei eine andere Partei als Partner. Das schließt Falter aus. "Nach heutigem Stand und auf absehbare Zeit wird die AfD in keine Koalition in einem der drei Bundesländer aufgenommen werden. Das kann und will sich keine der anderen Parteien leisten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die von der CDU errichtete Brandmauer gegenüber der AfD hält also nach Falters Einschätzung. Aber wo genau wird sie verlaufen? Neben einer echten Koalition kann es auch andere Modelle geben, etwa die Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung durch die AfD.

Von solchen Überlegungen in der sächsischen CDU will Ministerpräsident Michael Kretschmer nichts wissen. Er hält an den Grünen fest, auch um die AfD-Frage so weit es geht zu umschiffen. In Sachsen liefern sich Kretschmers CDU und die AfD in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins. Die Regierungsbildung dürfte jedenfalls nicht nur dort bei einer starken, aber ausgegrenzten AfD schwierig werden. In Sachsen und Thüringen stuft der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" ein.

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