T-Shirts, Sweatshirts und Mützen mit dem Bild und dem Namen des ehemaligen US-Präsidenten Trump, den Schriftzügen "Make America Great Again" (Mach Amerika wieder großartig), "Trump Save America" (Trump rette Amerika) und "Jesus is my Savior" (Jesus ist mein Retter) werden an einem Verkaufsstand angeboten vor einer Commit-to-Caucus-Kundgebung in Coralville, Iowa.
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Donald Trump: Wird der 45. Präsident der USA auch der 47.?

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US-Wahl'24: "Müssen Trumps autoritäre Neigung sehr ernst nehmen"

Nicht nur innerparteilich liegt Donald Trump in Umfragen vorn, er liegt auch vor US-Präsident Biden. In Interviews "scherzt" Trump, er würde im Falle seiner Wiederwahl für einen Tag Diktator werden. Was droht der Welt wirklich? Ein Expertengespräch.

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

Nächsten Monat beginnen die Vorwahlen in den USA. Die Demokraten werden höchstwahrscheinlich den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden nominieren. Bei den Republikanern scheint die Sache ebenfalls bereits ausgemacht: Der frühere US-Präsident Donald Trump ist der Kandidat im Umfragehoch, weit vor den einstigen ärgsten Rivalen Ron DeSantis und Nikki Haley.

Bereits vor seiner ersten Präsidentschaft kamen Befürchtungen auf, jetzt haben Beobachterinnen und Beobachter in den USA, vor allem aber in Europa und Deutschland, Angst, dass teilweise gar ein autoritäres Regime unter Trump entstehen könnte.

Sind die Befürchtungen berechtigt? Was haben wir zu erwarten? Und wie wird es um die europäische Sicherheit in Zukunft bestellt sein – Stichwort: Nato – sollte der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika erneut Donald J. Trump heißen? BR24 hat mit Johannes Thimm, dem stellvertretenden Forschungsgruppenleiter Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik, für das neue "Possoch klärt" gesprochen.

BR24: Was erwarten Sie von einer möglichen erneuten US-Präsidentschaft Donald Trumps 2024?

Johannes Thimm: Ich gehe davon aus, dass eine zweite Amtszeit von Donald Trump noch radikaler und noch folgenschwerer werden würde, als es die erste Amtszeit schon war. Trump muss sich jetzt nicht mehr über eine Wiederwahl Gedanken machen. Er darf laut amerikanischer Verfassung nur zweimal gewählt werden. Das heißt, das entfesselt ihn und er muss sich weniger um sein Image Gedanken machen.

Trump: Politik des maximalen Drucks – auch auf Deutschland?

BR24: Was würde eine zweite Präsidentschaft Trumps konkret für Deutschland bedeuten?

Thimm: Wir wissen, dass Trump keine Sympathien für Deutschland hegt. Er hat in seiner ersten Amtszeit Deutschland und die Europäische Union mit Zöllen belegt, und es könnte sein, dass das wieder passiert. Es kann auch einfach sein, dass noch stärker politische Forderungen mit wirtschaftlichem Druck verbunden werden.

Es ist jetzt schon so, dass – durch die Situation mit dem Krieg in der Ukraine – Deutschland und Europa verstärkt Flüssiggas von den USA zu relativ hohen Preisen einkaufen. Flüssiggas, was über Schiffe transportiert wird, ist einfach deutlich teurer als das russische Gas, was wir durch Pipelines vor der Krise importiert haben. Es ist jetzt schon so, dass die Europäer insgesamt in den USA wieder mehr Waffen einkaufen.

Das sind alles Dinge, die werden Trump gefallen, und an denen wird er vielleicht auch gar nicht so viel ändern. Aber wir müssen damit rechnen, dass das Umfeld insgesamt volatiler wird, dass es vielleicht wieder neue Zölle gibt und das wird in einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft sowieso schon am Kämpfen ist, sicherlich nicht zur Beruhigung beitragen.

Im Video: Was droht uns, sollte Trump 2024 wieder US-Präsident werden? Possoch klärt!

"Man muss die autoritären Neigungen von Trump sehr ernst nehmen"

BR24: Trump sagte jüngst mehrfach, dass er kein Diktator werden würde, außer am ersten Tag seiner Amtszeit. Wie ist das zu verstehen?

Thimm: In dieser Formulierung und mit dem Augenzwinkern, wie er das in diesem Interview gesagt hat, war es nicht ganz ernst gemeint. Das bedeutet jedoch nicht, dass man die autoritären Neigungen von Trump nicht ernst nehmen muss. Man muss sie sehr ernst nehmen. Trump hat in seiner ersten Präsidentschaft immer wieder die Grenzen ausgetestet, was möglich ist.

Er hat praktisch gegen alle ungeschriebenen Gesetze, alle Normen, die sich aus der Geschichte und der Gewohnheit ergeben, wie ein Präsident sich zu verhalten hat, systematisch verstoßen und immer wieder getestet, was er machen kann, womit er noch durchkommt, bevor ihm jemand einen Riegel vorschiebt. Er hat bei verschiedensten Gelegenheiten Sympathien für Diktatoren und autoritäre Herrscher dieser Welt bekundet, sozusagen geradezu Bewunderung ausgedrückt.

Er hat wiederholt gezeigt, dass ihn Menschenrechte nicht interessieren, dass das also auch keine Auswirkungen auf seinen Umgang mit anderen Regierungen hat. Und es gibt schon jetzt konkrete Pläne, wie er seine Macht als Präsident ausdehnen will.

BR24: Wie sehen diese Pläne aus?

Thimm: Trump hat auf seiner eigenen Webseite und in Interviews angekündigt, dass er vorhat, bestimmte Institutionen und Leute, die ihm Widerstand leisten könnten, zu entmachten. Das betrifft die Behörden des amerikanischen Regierungsapparats. Es gibt in den USA eine ganze Reihe von Behörden, die ein gewisses Maß an Unabhängigkeit genießen. Dazu gehören zum Beispiel die Notenbank Federal Reserve und das Justizministerium. Dazu gehören auch Regulierungsbehörden wie die Environmental Protection Agency (Umweltschutzbehörde; Anm. d. Red.).

Es gibt ein relativ detailliertes Programm von Think-Tanks und Organisationen, die Trump nahestehen, wie diese Organisationen und Institutionen und Regierungsbehörden entmachtet werden sollen. Das geht so weit, dass Trump es sich leichter machen will, Angestellte dieser Behörden entlassen zu können, wenn sie seine Anordnung nicht umsetzen. Es gibt eine Vielzahl von Anzeichen dafür, dass Trump wirklich bereit ist, seine Macht in vollem Umfang einzusetzen, davon Gebrauch zu machen und sich dabei nicht von bestehenden Regeln und Traditionen abhalten lassen wird.

Bei Wiederwahl: "Trump wird versuchen, so lange wie möglich im Amt zu bleiben – mit allen Mitteln"

BR24: Könnte das sogar so weit gehen, dass Trump das Präsidentschaftsamt nach einer zweiten Amtszeit 2028 nicht mehr abgeben möchte?

Thimm: Dass Trump aus dem Oval Office nicht mehr raus möchte, halte ich durchaus für realistisch. Es laufen im Moment vier Strafverfahren und eine Reihe von Zivilprozessen gegen Trump. Trump hat ein starkes Eigeninteresse daran, dass er nie verurteilt wird, und die sicherste Versicherung, die er dagegen hat, ist, dass er Präsident ist und Ermittlungen gegen sich selbst verhindern, vielleicht auch sich selbst begnadigen kann. Insofern hat er einen Anreiz, solange wie möglich im Amt zu bleiben.

Er hat außerdem schon gezeigt, dass er das versucht hat: Beim ersten Mal hat er die friedliche Machtübergabe verhindert. Er hat sich geweigert, anzuerkennen, dass er die Wahl verloren hatte, und versucht, mit allen Mitteln, die ihm damals zur Verfügung standen, im Amt zu bleiben. Es ist also davon auszugehen, dass er das auch wieder versuchen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hat.

Trump: Welt in Unordnung

BR24: Trumps Motto lautet: "America First". Wie fügt sich das in die derzeitige Weltordnung ein beziehungsweise will Trump diese ändern?

Thimm: Die USA haben auch unter Trump den Anspruch, die Nummer eins in der Welt zu sein, aber es ist tatsächlich ein grundsätzlich anderer Ansatz. Es ist relativ schwierig, von einer Trump'schen Weltordnung zu sprechen. Ich würde eher von einer 'Weltunordnung' sprechen, weil Trump selbst so wahnsinnig inkonsistent in seinen Zielen ist, weil er so erratisch agiert und nicht wirklich einen genauen Plan verfolgt.

Aber es gibt bestimmte Dinge, die sind klar: Er würde stark auf militärische Stärke setzen, aber es ist klar, dass ihm an Allianzen und Bündnissen nicht viel gelegen ist. Trump erkennt keinen Wert in Bündnissen mit anderen Staaten, in Kooperation, in Zusammenarbeit. Auch die Nato ist für ihn nur eine Last. Er erkennt nicht an, dass die USA durchaus auch von der Nato profitieren, dass die Nato praktisch ein Machtverstärker für die USA in der Welt ist.

Trump kümmert sich zudem überhaupt nicht ums Völkerrecht. Das hat er in seiner ersten Amtszeit deutlich gemacht: Organisationen wie die Vereinten Nationen oder völkerrechtliche Regeln sind ihm vollkommen egal. Deswegen gehe ich davon aus, dass diese Weltunordnung unter Trump sehr dynamisch sein würde, sehr wechselhaft.

Im Audio: Johannes Thimm im Expertengespräch

Johannes Thimm: stellvertretender Forschungsgruppenleiter Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik
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Johannes Thimm: stellvertretender Forschungsgruppenleiter Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die Madman-Theorie

BR24: Nimmt Trump die Weltunordnung in Kauf oder will er sie herstellen?

Thimm: Es gibt die sogenannte 'Madman-Theorie', die besagt, dass Regierungschefs einen Vorteil daraus ziehen, dass ihnen tatsächlich zugetraut wird, zum Äußersten zu gehen, dass sie für ein bisschen verrückt gehalten werden und deswegen andere Regierungschefs sich nicht wirklich trauen, ihnen in die Quere zu kommen.

Das ist durchaus etwas, was eintreten könnte, dass die Trump-Regierung von so etwas profitiert, beispielsweise im Umgang mit China. Vor Trumps erster Amtszeit waren die Chinesen noch davon überzeugt, dass ein Präsident Trump für sie gut sein könnte. Ich glaube, inzwischen haben sie auch verstanden, dass das relativ riskant ist für China.

BR24: Im Grunde also lässt sich Trump überhaupt nicht vorhersagen?

Thimm: Trump agiert sehr instinktiv, sehr impulsiv, aber es gibt bestimmte grundsätzliche Überzeugungen, die er schon lange hat und in denen er dann auch konsistent ist: Eine ganz wichtige seiner Überzeugungen ist, dass Freihandel den USA nicht gutgetan hat. Trump ist ein Anhänger des Protektionismus. Er sieht Handelsdefizite, wie sie die USA mit Europa und mit China haben, als großes Problem an und er will diese Handelsdefizite beenden – mit allen Mitteln. Er hat zu diesem Zweck in seiner ersten Amtszeit Handelskriege sowohl mit China als auch mit Europa begonnen.

Das Interessante daran ist, dass er damit auch bei den Wählerinnen und Wählern einen Nerv getroffen zu haben scheint. Denn diese Art der Handelspolitik ist mit kleinen Korrekturen auch unter der Biden-Administration beibehalten worden.

Tritt Trump wirklich aus der Nato aus?

BR24: Es scheint ja auch recht klar zu sein, dass Trump kein Freund der Nato ist. Droht wirklich der Nato-Austritt der USA, sollte Trump wieder Präsident werden?

Thimm: Ich glaube, Donald Trump hat tatsächlich nicht verstanden, worin der Wert der Nato für die USA liegt. Er hält die Nato für eine Last, für ein Verlustgeschäft aus amerikanischer Sicht und er in seiner Person meint es durchaus ernst mit einem Rückzug aus der Nato.

Die Widerstände gegen eine solche Politik wären in den USA allerdings sehr groß, die wären im amerikanischen Militär sehr groß, die wären wahrscheinlich im Kongress sehr groß. Das wäre nicht so einfach. Und ich wage nicht zu prognostizieren, ob er das tatsächlich innerhalb von vier Jahren durchziehen würde.

BR24: Also ist die Furcht vor einem Nato-Austritt der USA unter Trump übertrieben?

Thimm: Nicht unbedingt, denn ich sehe noch ein anderes Problem: Die Nato und insbesondere die Bündnisgarantie der Nato unter Artikel fünf lebt ja davon, dass sie glaubwürdig ist. In Artikel fünf des Nato-Vertrages steht, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied als Angriff auf alle Nato-Mitglieder gesehen wird. Die Implikation davon ist, dass dann alle Nato-Mitglieder dem angegriffenen Nato-Staat zu Hilfe kommen.

Wenn es jetzt Zweifel an dieser Sicherheitsgarantie gibt, wenn nicht klar ist, ob die USA tatsächlich einem anderen Nato-Mitglied zu Hilfe kommen würden – sagen wir mal, wenn Russland eines der baltischen Länder angreifen würde und nicht klar ist, ob die USA dieses Land verteidigen würden, dann ist die Abschreckungswirkung der Nato geschwächt, noch bevor sich die USA formell aus der Nato zurückgezogen haben.

Es ist nicht undenkbar, dass Präsident Putin auf die Idee kommen würde, das mal zu testen, wenn Trump im Weißen Haus sitzt.

Grafik: So liegt Trump in Umfragen vorn

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Laut einer aktuellen Umfrage im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 in den USA liegt Donald Trump deutlich vor den anderen Kandidaten.

Republikaner in blinder Loyalität gegenüber Trump?

BR24: Es entsteht der Eindruck: Trump 2024 ist unvermeidlich. Könnten wir uns irren?

Thimm: Es ist keineswegs ausgemacht, dass Trump mit seinen autoritären Absichten Erfolg hat. Da kommt es auch auf eine ganze Reihe von Institutionen an. Eine Institution, die in der Vergangenheit nicht viel Mut gemacht hat, war der Kongress. Es ist tatsächlich so, dass die Republikaner im Kongress im Moment die Loyalität gegenüber Trump über ihre Rolle als institutionelle Kontrolle der Präsidentschaft stellen.

Es gab ja zwei Amtsenthebungsverfahren gegenüber Trump, die gut begründet waren und wo er in anderen Zeiten seines Amtes enthoben worden wäre durch den Kongress. In diesem Fall haben die Republikaner im Kongress für Trump gestimmt, haben ihm die Treue gehalten und haben ihre institutionelle Rolle, die Präsidentschaft zu kontrollieren, nicht wahrgenommen.

BR24: Könnte der Oberste Gerichtshof in den USA Trump in die Schranken weisen?

Thimm: Einerseits ist der Oberste Gerichtshof im Moment sehr konservativ, Trump hat selbst drei der Richter ernannt. Gleichzeitig waren die Urteile des Obersten Gerichtshofs in der Vergangenheit zwar sehr konservativ, aber sie waren nicht immer im Sinne von Trump. Als Trump versucht hat, die letzte Wahl vor Gericht anzufechten, ist er damit vor praktisch allen Gerichten einschließlich des Obersten Gerichtshofs gescheitert.

BR24: Und wenn die Menschen gegen Trump auf die Straße gehen?

Thimm: Trump hat angedroht, wenn es Proteste gegen ihn auf der Straße gibt, das Militär einsetzen zu wollen, um diese niederzuschlagen. Das ist verfassungsrechtlich problematisch. Es gibt zwar mit dem "Insurrection Act" (Aufstandsgesetz; Anm. d. Red) eine Möglichkeit, das zu tun. Aber das ist tatsächlich nur in absoluten Ausnahmefällen vorgesehen. Und es ist unklar, wie die Generäle im Militär sich verhalten würden, wenn Donald Trump tatsächlich anordnen würde, die US-Armee einzusetzen, um Proteste gegen ihn in den USA niederzuschlagen.

BR24: Danke für das Gespräch.

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