ARCHIV: 16.06.2023, Berlin: Kai Wegner (CDU, l), Regierender Bürgermeister von Berlin, spricht neben Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, beim CDU-Bundesausschuss im Konrad-Adenauer-Haus.
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Kritik an Merz-Vorstoß zu Zusammenarbeit mit AfD

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Heftige Kritik an Merz-Äußerungen zur AfD aus eigener Partei

CDU-Parteichef Merz ist mit seinen Äußerungen zu einem möglichen gemeinsamen Vorgehen mit der AfD auf kommunaler Ebene auf heftige Kritik in der eigenen Partei gestoßen. Kritik kam auch von CSU-Chef Söder. Inzwischen ruderte Merz zurück.

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Vertreter der eigenen Partei haben den Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz, eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene zu ermöglichen, scharf zurückgewiesen. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: "Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da Zusammenarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist." Die AfD dagegen sieht die Merz-Äußerungen positiv und will zusammen mit der CDU künftig eine Zusammenarbeit möglich machen.

"Auch der CDU-Vorsitzende ist an die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitags gebunden", sagte der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz dem "Tagesspiegel". Dieser habe "jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen". Dies gelte auch für Städte und Gemeinden.

Merz hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag erneut bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Er beschränkte dies nun aber auf "gesetzgebende Körperschaften", etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, meinte Merz. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet." Was er damit genau meint, blieb in dem Interview jedoch offen.

Merz rudert zurück

Am Morgen ruderte Merz dann zurück. Über Twitter erklärte er: "Die Beschlusslage der CDU gilt." Es werde auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.

CDU-Politiker: Für Christdemokraten sind Rechtsradikale Feind

Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!" Die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), meinte mit Blick auf die AfD: "Die Partei u. ihre menschenverachtenden & demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene." Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der #CDU eine Mehrheit finden."

Luczak: "#Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig"

Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb auf Twitter zu den Aussagen von Merz: "Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten." Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: "Keine Zusammenarbeit mit der #AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht." Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb auf Twitter, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung - auch in den Kommunen. "Der #Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig."

In dem Beschluss heißt es unter anderem: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."

Söder: CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD

Auch der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder kritisierte den Vorstoß. "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene. Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar."

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teilte in Berlin mit, die "realitätsfernen und fahrlässigen Äußerungen von Friedrich Merz machen deutlich, dass er die Zerstörungs-Strategien der AfD noch immer nicht realisiert hat". Diese AfD habe nicht das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger und die Gestaltung der Demokratie im Sinn. "All denen aus seiner Partei und den anderen demokratischen Parteien, die ihm entschieden widersprechen, gebührt Respekt und Unterstützung."

AfD-Vorsitzender sieht Steine aus schwarz-grüner Brandmauer fallen

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb zu der Debatte auf Twitter: "Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen."

Scharfe Kritik von anderen Parteien

Kritik kam auch von anderen Parteien. So sagte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in der ARD: "Erst reduziert er diese Partei auf eine bessere Alternative für Deutschland und jetzt baut er die Brandmauer - die ja selbst von der Union immer wieder beschworen wurde - ein kleines Stück ab." Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb: "Die Kommunalpolitik ist die Wiege unserer Demokratie. Gerade hier darf Brandmauer zur antidemokratischen AfD nicht fallen. Denn sonst fällt sie in den 'gesetzgebenden Ebenen' erst recht."

Laut dem Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch bekommt eine Aufweichung der auch von Merz selbst immer wieder formulierten "Brandmauer" zwischen AfD und CDU nach dessen jüngsten Äußerungen "riesige Löcher. "Es ist eine Frage der Zeit, wann sie einstürzt", sagte Bartsch dem "Tagesspiegel".

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, Jochen Ott, zeigte sich angesichts der Äußerungen von Merz "sehr bestürzt". Er hoffe, dass die CDU hier ihre eigenen Prinzipien nicht verrate, sagte Ott mit Blick auf die deutsche Geschichte. "Immer wenn es in der Geschichte darauf ankam, standen viele Konservative nicht", sagte Ott. "Das darf sich nicht wiederholen. Damit wäre auch der Schwur von der Brandmauer in Bund und Ländern als Geschwätz entlarvt".

BayernSPD: Merz wird "alle Prinzipien über Bord"

Auch die BayernSPD übt Kritik an den Äußerungen von Merz. Sie wirft ihm vor, alle Prinzipien über Bord zu werfen und sogar zur Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten bereit zu sein. Wer das auf kommunaler Ebene mache, sei bald auch im Land und Bund dabei, so die BayernSPD via Twitter.

Linnemann verteidigt Merz

Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte Merz dagegen: Für die CDU sei klar, dass es "keine Zusammenarbeit mit der AfD" gebe, "egal auf welcher Ebene", sagte Linnemann der "Bild". "Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig."

Merz hatte in der vergangenen Woche bei der Klausur der CSU-Landesgruppe die Union als "Alternative für Deutschland mit Substanz" bezeichnet. Dafür erntete er ebenfalls Kritik. Zu Beginn seiner Amtszeit als Parteivorsitzender hatte er "eine Brandmauer zur AfD" versprochen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Ein Verbot der Partei lehnte Merz in dem ZDF-Interview ab: "Parteiverbote haben noch nie dazu geführt, dass man ein politisches Problem löst."

Hohe Umfragewerte bei AfD

Die AfD liegt in einer Insa-Umfrage bundesweit bei 22 Prozent und damit nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union. Damit legte die AfD in der wöchentlichen Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" um zwei Punkte zu. In den Erhebungen anderer Meinungsforschungsinstitute hatte die AfD zuletzt ebenfalls bei 20 Prozent gelegen. CDU/CSU kommen bei Insa auf 26 Prozent (minus 1 Punkt).

Zuletzt wurde im Landkreis Sonneberg (Thüringen) der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt. In Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt wurde ein AfD-Politiker zum hauptamtlichen Bürgermeister bestimmt.

Mit Material von dpa und AFP

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