Rohrdorfer Zement arbeitet an der Wiederverwertung von CO2.
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Ameisensäure - aus CO2

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Ziel Klima-Neutralität: Zementwerk erprobt CO2-Rückgewinnung

Ab 2040 dürfen Bayerns Zementwerke kein CO2 mehr ausstoßen. Das Unternehmen "Rohrdorfer Zement" im Landkreis Rosenheim tüftelt an einer neuen Technik: Dort steht Deutschlands erste Anlage zur CO2-Rückgewinnung in der Zement-Industrie.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

CO2 ist weithin als klimaschädliches Gas bekannt. Doch man kann daraus auch andere Stoffe herstellen - zum Beispiel Ameisensäure. Und die wird in der Medizin oder als Bestandteil von Desinfektionsmitteln eingesetzt.

Das will sich auch das Unternehmen "Rohrdorfer Zement" zunutze machen, dessen Hauptsitz in Rohrdorf im Landkreis Rosenheim beheimatet ist – neben 140 anderen Standorten in vier europäischen Ländern. Das langfristige Ziel: die Klimaneutralität der Zement-Industrie. Das Unternehmen forscht auch deswegen daran, um zukunftsfähig und wirtschaftlich zu bleiben. Ab 2040 dürfen laut Gesetzeslage in Bayern Zementwerke kein CO2 mehr emittieren.

CO2 abscheiden und verwerten

In Rohrdorf wurde im Herbst Deutschlands erste Anlage zur CO2-Rückgewinnung in der Zement-Industrie in Betrieb genommen. Es funktioniere, jetzt gehe es an die Optimierung, erklärt die Umweltingenieurin Martina Schwarzmüller.

Die Pilotanlage könne täglich zwei Tonnen CO2 aus den Rauchgasen des Betriebs abscheiden. Ein erster Erfolg, auch wenn die CO2-Menge im Vergleich zur gesamten Emission sehr gering sei: Es handle sich um 0,1 Prozent. "Rohrdorfer Zement" versucht sich derzeit daran, dieses abgeschiedene CO2 in andere Wertstoffe umzuwandeln - zum Beispiel Ameisensäure.

Ameisensäure herstellen und verkaufen

Aus CO2 lässt sich mit Hilfe von elektrischer Energie und Wasser Ameisensäure herstellen. Die kleine Ameisensäure-Pilotanlage in Rohrdorf befindet sich in einem blauen Arbeitscontainer auf dem Werksgelände. Dort arbeitet Chemiker Thomas Mairegger an der Herstellung von Ameisensäure mithilfe der CO2-Elektrolyse. Man wolle Ameisensäure im großen Stil produzieren und verkaufen. Denn es sei teuer, CO2 aus der Produktion abzuscheiden, so könne vielleicht ein Wert zurückgeneriert werden.

Abnehmer wäre zum Beispiel das bayerische Chemiedreieck. Ameisensäure wird als Enteisungsmittel oder auch zur Desinfektion eingesetzt.

Kohlensäure für Getränke-Industrie

Neben Ameisensäure gibt es noch eine weitere Möglichkeit, CO2 zu verwerten. Darauf wartet vor allem die Getränke-Industrie: Lebensmittelechtes CO2 abgefüllt als Kohlensäure in großen Kartuschen. Es gebe bereits Anfragen von Brauereien, heißt es von "Rohrdorfer Zement". Derzeit werde das abgeschiedene CO2 auf Lebensmittelqualität getestet. Nur noch ein bis zwei Kleinigkeiten, dann sei die CO2-Lebensmittelqualität erreicht, meint Chemiker Thomas Mairegger.

Pipelines für den CO2-Transport?

Letztlich setzt "Rohrdorfer Zement" noch eines obendrauf und strebt die CO2-Kreislaufwirtschaft im Gesamten an. Via Pipelines könnte CO2 zum Beispiel von Rohrdorf im südlichen Oberbayern ans Chemiedreieck im östlichen Oberbayern geliefert werden. Dafür brauche es die notwendigen Infrastrukturprojekte beziehungsweise Pipelines, fordert Phillip Stadler, Leiter des neuen "Net Zero Emission"-Teams bei "Rohrdorfer Zement". Die Industrie-Hotspots müssten miteinander verbunden werden. Jetzt würden die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen. Deswegen habe "Rohrdorfer Zement" gemeinsam mit Bayernnetz eine Machbarkeitsstudie angestoßen.

Noch größeres Projekt in Unterfranken

Das Projekt zur CO2-Abscheidung in Rohrdorf ist nicht das einzige in Bayern. Im unterfränkischen Lengfurt (Landkreis Main-Spessart) entsteht eine weitere Anlage in noch deutlich größerem Maßstab, sie soll allerdings erst 2025 in Betrieb gehen. Bauherren dort sind die Unternehmen "HeidelbergCement" und Linde.

Die Bundesregierung fördert die unterfränkische Anlage mit 15 Millionen Euro. Sie soll einmal immerhin zehn Prozent der dortigen CO2-Emissionen einfangen und dabei erstmals in Deutschland im industriellen Maßstab CO2-Abscheidung in der Zementindustrie etablieren.

Zement-Industrie ist besonders klimaschädlich

Bisher ist der Klima-Fußabdruck der Zement-Industrie enorm. Sie verursacht allein zehn Prozent der Klimagase aus dem gesamten industriellen Sektor. Noch mehr sind es nur in der Stahl- und in der Chemieindustrie.

Die Dekarbonisierung der Zementherstellung gilt allerdings auch als besonders schwierig. Denn obwohl dabei Temperaturen von fast 1.500 Grad nötig sind, stammt nur ein Drittel der CO2-Emission aus der Herstellung dieser Hitze. Zwei Drittel entstehen durch den chemischen Prozess selbst, der aus Kalkstein Zementklinker macht. Deshalb gibt es zur Abscheidung von CO2 in der Zement-Industrie kaum Alternativen, wenn die Industrie wirklich klimaneutral werden soll.

Sanieren statt Abreißen hilft dem Klima

Gesenkt werden kann der Treibhausgas-Ausstoß allerdings auch durch Senkung des Zementanteils im Beton und durch klimafreundliche Bereitstellung der Hitze. Was ebenfalls hilft, ist anders zu bauen: Holz, aber auch Ziegel verursachen weniger CO2. Und wenn Häuser saniert werden, statt sie abzureißen und neu zu bauen, spart das ebenfalls Energie und Klimagase.

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