Zwei Männer stehen auf einem Acker an einem Bewässerungsgraben.
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Dirk Richter (l.) und Klaus-Peter Murawski vom Bund Naturschutz wollen den Wetzendorfer Landgraben erhalten und die geplante Siedlung verhindern.

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Wohnen kontra Naturschutz: Zoff um neuen Stadtteil in Nürnberg

In Nürnberg fehlt, wie in vielen anderen Städten, Wohnraum. Abhilfe könnten Neubauten schaffen. Aber Baugrund ist knapp. Und wo gebaut werden könnte, gibt es Zoff – etwa im Stadtteil Wetzendorf im Knoblauchsland, wo eine neue Siedlung geplant ist.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Auf dem Acker an der Parlerstraße im Nürnberger Norden wachsen in langen Reihen Mangold und Lauch. Eine herbstbunte Hecke grenzt die Fläche zur Straße hin ab. Spaziergänger sind mit ihren Hunden unterwegs. Auf dieser Fläche im Stadtteil Wetzendorf soll eine neue Siedlung entstehen. Auf insgesamt gut 20 Hektar sollen hier einmal rund 2.500 Menschen wohnen. So sieht es der Plan der Stadt Nürnberg vor. Doch der Bund Naturschutz (BN) will das verhindern.

Wertvoller Boden für Gemüseanbau

Dirk Richter ist Vorsitzender des BN im Nürnberger Knoblauchsland. Er sieht durch das Projekt den Gemüsegarten der Stadt gefährdet. Der Boden hier sei viel zu wertvoll, als dass er großflächig bebaut werden dürfte. Richter hat mit vielen Landwirten gesprochen, sagt er. "Sie haben mir gesagt, dass sie schon lange immer wieder die Humusschicht dieser Böden aufbauen. Hier wachsen Salat und Spargel, und die Böden sind nicht so sandig wie in anderen Teilen im Knoblauchsland."

Gräben schützen vor Hochwasser

Doch beim Protest gegen das Baugebiet geht es nicht nur um die stadtnahe Landwirtschaft. Kurze Wege zwischen Acker und Geschäft sind das eine. Aber die Flächen sind für den BN noch aus einem anderen Grund besonders schützenswert: Sie sind Überschwemmungsgebiet. Mit den Wassergräben zwischen den Feldern wirken sie bei Starkregen fast wie ein Schwamm – Hochwasser kann so verhindert werden. Werden hier neue Häuser gebaut, gerät das ganze System in Gefahr, befürchten die Naturschützer.

Streit entzweit zwei grüne Politiker

"Es ist nicht so, dass es keine Alternativen gäbe", schimpft Klaus-Peter Murawski, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Nürnberg. "Aber es wird mit einer mir unverständlichen Sturheit an dieser Bebauung dieses Teils des Knoblauchslands festgehalten." Er zielt dabei vor allem auf Umweltreferentin Britta Walthelm, die für die Umweltplanung zuständig ist. Sie ist Parteimitglied der Grünen. Genauso wie Murawski, der Anfang der 1990er-Jahre Gesundheitsbürgermeister der Stadt Nürnberg war. Später wechselte er in die Staatskanzlei des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Stuttgart. Als Rentner wurde er Chef des BN in Nürnberg. Grün sind sich – dieses Wortspiel darf in diesem Fall erlaubt sein – Walthelm und Murawski seitdem nicht mehr.

Im Video: Geplante Siedlung in Wetzendorf sorgt für Kritik

Wohnbauplanung der Stadt Nürnberg für den Stadtteil Wetzendorf.
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Ein großer Park mit einem Wasserlauf in der Mitte: So soll der neue Stadtteil nach der Vorstellungen der Stadt einmal aussehen.

Unterirdische Speicher fürs Regenwasser

Der neue Stadtteil soll eine sogenannte Schwammstadt werden, erläutert Walthelm. "Die Maßgabe ist, dass alle Versickerung auf den Grundstücken stattfinden muss", so Nürnbergs Umweltreferentin. Regenwasser soll in unterirdischen Gruben und Tanks gespeichert werden. So können Bäume auch in Hitzeperioden ausreichend Feuchtigkeit bekommen. Das Wetzendorfer Siedlungsprojekt sei beispielsweise als Vorbild für eine wassersensible Planung bei den bayerischen Wassertagen vorgestellt worden, sagt Walthelm.

Park als Klimaanlage für die heiße Stadt

Und nicht nur das sieht sie auf der grünen Haben-Seite des neuen Stadtteils. "Wir übererfüllen bei weitem den Grünanteil, den wir sonst haben, wenn wir in Nürnberg neu bauen", rechnet die Referentin vor. Der etwa 9,5 Hektar große Park, der in der Mitte der Siedlung geplant ist, biete nicht nur Versickerungsfläche. Die Wohnblocks rundum seien so angelegt, dass an heißen Tagen kühle Luft in die Stadt strömen kann.

Dem widerspricht der BN-Boss vehement. "Das ist ein gekünstelter Vorteil, der im Grunde genommen ein Nachteil ist", sagt er. "Diese wunderbare Landschaft wird ersetzt durch ein Kunstprodukt, das in der Regel mehr Versiegelung als Park ist."

Abwägung zugunsten von Wohnungen

Die Umweltreferentin betont, dass auch sie im Knoblauchsland so wenig Fläche wie möglich versiegeln will. Es gebe einen Grundsatzbeschluss des Stadtrats, dass die Landwirtschaft im Knoblauchsland erhalten blieben soll. An den halte sie sich. Aber das gehe nicht immer. "Wir müssen Abwägungsentscheidungen zwischen verschiedenen Interessen in der Stadt treffen", meint die Politikerin. "Und da sind es halt auch die hohen Mieten und der Wohnraummangel, dem wir als Stadt begegnen müssen."

Gebrauchtwagen-Wüste als mögliche Ersatzfläche

Günstige Mieten will auch der Bund Naturschutz. Murawski schlägt vor, dass neue Wohnungen zum Beispiel in ungenutzten Dachböden entstehen. Oder dass Wohnhäuser um ein oder zwei Geschosse aufgestockt werden. Und dann haben die Naturschützer noch ein Gelände an der Fuggerstraße im Südwesten von Nürnberg im Blick – vollgestellt mit Gebrauchtwagen. Nach Murawskis Informationen will sich der größte Gewerbetreibende dort zurückziehen. Neue Wohnungen könnten das "heruntergekommene Gewerbegebiet" aufwerten. Für die Naturschützer eine Hoffnung, denn noch ist der Plan für den neuen Stadtteil in Wetzendorf nicht endgültig genehmigt.

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