Gewitter über der Stadt Dorfen, östlich von München: Künftig wird es mehr Hitze geben und mehr Starkregen
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Gewitter über der Stadt Dorfen, östlich von München: Künftig wird es mehr Hitze geben und mehr Starkregen

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Mehr Hitze und Starkregen: Wie gut gerüstet sind unsere Städte?

In Zukunft wird es mehr Hitzetage geben und mehr Starkregen, vor allem im Süden Deutschlands. Wie gut sind unsere Städte dagegen gewappnet? Welche Maßnahmen können verhindern, dass Städte zu Hitzefallen werden und von Überschwemmungen bedroht sind?

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Der Sommer 2023 ist Geschichte. Fest steht: Es war der 27. Sommer in Folge, der zu warm war - wie es in einer Bilanz des deutschen Wetterdienstes (DWD) heißt. Trotz starker Schwankungen zwischen tropischer Hitze und frühherbstlicher Frische: Mit einer Durchschnittstemperatur von 18,6 Grad lag der Sommer um 2,3 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Das durchschnittliche Wetter über solch lange Zeiträume hinweg ist das, was Meteorlogen als "Klima" bezeichnen. Und hier sei die Veränderung eindeutig, heißt es beim DWD. Hier könne man "Klimawandel live erleben".

Besonders starke Erwärmung im Süden und Südosten

Überall in Bayern wird es künftig mehr Hitzetage geben als heute und auch mehr Starkregen. Davon geht eine Prognose des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) aus. Auch das Umweltbundesamt (UBA) rechnet damit, dass sich das Klima vor allem im Süden und Südosten Deutschlands - von Baden-Württemberg über Bayern bis nach Sachsen - besonders stark erwärmen wird, wie es in einer Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Amtes heißt.

Anpassung an ein verändertes Klima

Neben dem Klimaschutz wird es daher immer wichtiger, dass sich Städte und Gemeinden besser an Hitzeperioden und Starkregenereignisse anpassen. Im Klimaprogramm Bayern 2022 sind Maßnahmen vorgesehen wie mehr innerstädtisches Grün, Entsiegelung von Flächen, Fassaden- und Dachbegrünung oder ein Regenwassermanagement, um Überschwemmungen zu vermeiden und Wasser für trockenere Perioden zurückzuhalten. Wie wichtig das ist, zeigt der Blick auf die Zahlen der Versicherer: So kam es laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) von 2002 bis 2021 in Deutschland zu 12,6 Milliarden Euro Schäden durch Starkregen. In Bayern sorgte Starkregen in den vergangenen 20 Jahren für Schäden an Wohngebäuden von über zwei Milliarden Euro.

Gut planen, wenig versiegeln, viel verschatten

Tatsächlich finde in vielen Städten und Gemeinden bereits Einiges statt, meint Jens Hasse, Teamleiter Klimaanpassung beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), das Kommunen bei Zukunftsaufgaben berät. Wichtig sei vor allem eine gute Flächennutzungs- und Bauleitplanung. Zum Beispiel, indem Bereiche ausgewiesen würden, in denen besondere Aufmerksamkeit auf die Klimaanpassung gelegt werde. Hier gelte vor allem, nicht zu viel zu versiegeln, so Hasse: "Das heißt entweder durchlässige Beläge oder eben einfach weniger Außenbereichs-Parkplätze schaffen. Die gehören unter die Häuser heutzutage, und zwar nicht in Tiefgaragen, sondern einfach ins Erdgeschoss."

Höher bauen, Regen speichern

Um Fläche zu sparen, müsse auch höher gebaut werden, zum Beispiel bei Supermärkten. Einstöckige Supermärkte mit riesigen versiegelten Parkplatzflächen, die im Sommer glühend heiß werden und bei Starkregen kein Wasser aufnehmen können, sollten der Vergangenheit angehören, so Hasse. Wichtig seien freie Flächen, auf denen Starkregen versickern könne, und solche, die große Regenmengen aufnehmen könnten, ohne dass es zu Schäden komme: Zum Beispiel ein System aus Mulden und Rigolen - unterirdische Kiesspeicher, in denen Regenwasser zwischengespeichert werden kann. In Parks könnten außerdem großflächige Mulden geschaffen werden, so Hasse: "Viele Möglichkeiten, die man umsetzen wollen muss, die man aber mit Hilfe von guten Ingenieurinnen und Ingenieuren auch finden kann."

Möglichkeiten erkennen

Welche Möglichkeiten sich hier bieten und welche guten Voraussetzungen manchmal auch schon gegeben sind, erläutert Andreas Rockinger, Landschaftsarchitekt und Berater der Bayerischen Architektenkammer. Was bedeuten die Empfehlungen der Fachleute für die einzelnen Städte ganz konkret? Rockinger erläutert das bei einem Rundgang durch zwei sehr unterschiedliche Städte: Das mehr als tausend Jahre alte Mühldorf am Inn und das benachbarte, erst nach dem Krieg gegründete Waldkraiburg. In Mühldorf führt uns der Weg mit ihm zunächst über den historischen Stadtplatz. Schatten spenden hier an heißen Tagen vor allem die alten Arkaden. Auf dem gepflasterten Platz finden sich zwar Bäume, aber nicht genug, um den Platz zu kühlen.

Versiegelung war einst Errungenschaft

Dass der Platz mit seiner historischen Pflasterung fast komplett versiegelt ist, habe natürlich auch gute historische Gründe, sagt Rockinger. Es sei früher darum gegangen, Epidemien aus der Stadt fernzuhalten, nicht nur in Mühldorf. Um zu verhindern, dass sich die Innenstädte nach starken Regenfällen in einen Morast verwandelten, seien sie gepflastert worden, so der Landschaftsarchitekt: "Das war natürlich eine Riesenerrungenschaft vor 200 Jahren, diese Flächen zu befestigen. Aber heute zeigt sich es sich ja als Hitzefalle, als Hitzeinsel."

Geschichte und Zukunft verbinden

Die Geschichte zu kennen, das Stadtbild zu bewahren, es aber anzupassen an ein sich veränderndes Klima, sei die Herausforderung. Und natürliche Gegebenheiten zu erkennen und zu nutzen. In Mühldorf sei das zum Beispiel der Stadtpark mit seiner Lage zwischen dem Altstadtkern und einem steilen Hang, aus dem zahlreiche Quellen austreten, die mehrere Teiche mit eiskaltem, klaren Wasser speisen. Landschaftsarchitekt Rockinger ist begeistert. Hier biete sich vielleicht eine ganz besondere Möglichkeit: "Dieses Wasser in offenen, kleinen Rinnen auf den Marktplatz zu kriegen, weil fließendes Wasser, tröpfelndes Wasser, spritzendes Wasser enorme Potenziale hat, im Sommer zu kühlen:" Da gebe es sicherlich viele Möglichkeiten - nicht nur in Mühldorf.

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Kühle Oase an heißen Sommertagen: Der Stadtpark von Mühldorf mit seinen zahlreichen Quellen und Teichen

Mehr Grün in die Stadt

Dichter Baumbestand und die Verdunstungskälte des eiskalten Quellwassers machen den Stadtpark zu einem Zufluchtsort an heißen Tagen. Mehr Grün auch in die Innenstädte zu bringen, sagt Andreas Rockinger, sei nicht nur in Mühldorf eine Option, sondern in vielen Städten und Dörfern: Zum Beispiel über Dach- oder Fassadenbegrünungen, die nicht nur vor Hitze schützten, sondern auch Wasser in der Stadt hielten. Durch mehr Bäume und offene Flächen zwischen Parkplätzen oder im Gehweg, wo Wasser reinfließen könne und dann den Pflanzen zur Verfügung stehe: "Das sind oft nur kleine Änderungen im Straßengefälle zum Beispiel, um das Wasser in diese Flächen hineinzubringen" - das im Sommer dann für Kühlung sorge.

Stadt im Wald: Waldkraiburg

Eine Stadt, die nicht "begrünt" werden musste, sondern mitten ins Grüne gebaut wurde: Das ist Waldkraiburg, rund 10 Kilometer von Mühldorf entfernt - entstanden nach dem Krieg aus einem Pulverwerk der Rüstungsindustrie im Wald. Auf diesem Gelände siedelten sich nach 1946 Flüchtlinge und Heimatvertriebene an. Betriebe und Wohnhäuser entstanden. 1950 wurde aus der Industriesiedlung eine Gemeinde, 1960 eine Stadt. Bis heute ist Waldkraiburg durchzogen von Grün, darunter auch viel alter Baumbestand. Für Landschaftsarchitekt Rockinger gute Grundbedingungen, um mit Pflanzen zu arbeiten, die Vielfalt der Arten zu erhöhen, Wasser zurückzuhalten und die Stadt noch besser zu wappnen gegen heiße Sommer und starke Niederschläge.

Kleiner Aufwand, große Wirkung: Fassadengrün und Bäume

So wichtig eine gute Bauleitplanung und Klima-Konzepte seien, so sinnvoll könnten aber auch Einzelmaßnahmen sein, meint Andreas Rockinger. Zum Beispiel, um die Fassaden von Häusern - gewerblichen und auch privaten - vor Hitze zu schützen. Etwa durch Metallgestelle vor der Außenwand für die Begrünung. Dadurch könne die Fassaden-Temperatur enorm gesenkt werden, so Rockinger: "Es wirkt wie eine eine Dämmschicht und kann hier auch bei der Energieeffizienz mitgerechnet werden. Aber auch der mittlere oder große Baum, der so vor das Gebäude platziert wird, dass er in den kritischen Sonnenstunden im Sommer beschattet, kann entscheidend dazu beitragen." Ebenfalls als Einzelmaßnahme sinnvoll sei "Wasser. Wasser, das ich in Gebäudenähe nicht schnell wegbringe, sondern offen belasse, damit es verdunsten kann und mir so die Verdunstungskühle bringt, die ich in den entscheidenden Hitzetagen und -stunden habe."

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Stadt im Wald: Wohngegend unweit des Stadtzentrums von Waldkraiburg - mit altem und jüngerem Baumbestand

Bürger und Kommunen gefordert

Klimaanpassung sei natürlich ein kommunales Thema, meint Robert Pötzsch, Bürgermeister von Waldkraiburg, aber eben nicht nur. Auch den Privatleuten komme hier eine wichtige Rolle zu, etwa bei der Begrünung von Fassaden oder Dächern. Oder der Anlage des Gartens, wo man zum Beispiel bewusst auf Steingärten und andere Versiegelungen verzichte. Daneben sei das Thema auch bei der Stadt präsent. In Waldkraiburg habe man, historisch bedingt, viele Grünflächen, die gegen Hitze schützten und auch erhalten werden sollten: Waldflächen, Parkanlagen und einen grünen Ring, der fast geschlossen durch die Stadt führe.

Daneben werde in einem großen Baugebiet gerade mit Regenrückhaltebecken, unversiegelter Fläche und viel Grün zwischen den Grundstücken gearbeitet. Und nicht nur das, so Pötzsch: "Wir haben auch einen Stadtplatz, der nicht voll versiegelt ist, der jetzt schon eine Bodenbeschaffenheit hat, der auch sehr viel Feuchtigkeit aufnimmt. Wir wollen im Rahmen des Rathausneubaus natürlich auch die Fußgängerzone anders entwickeln, auch in Richtung grüner Lunge."

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Bäume und Wasser am Stadtplatz von Waldkraiburg - gegenüber des Rathauses

Historischer und moderner Hitzeschutz

Daran, dass es Schutz vor Hitze und Starkregen auch schon vor Jahrhunderten gegeben habe, erinnert Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl: Davon zeugten heute noch die Arkadengänge am Stadtplatz. "Die", sagt Hetzl, "wollen wir wieder auf beiden Seiten herstellen. Die hat man mal zugebaut in den fünfziger Jahren. Jetzt wollen wir die wieder öffnen." Den Stadtpark an einer Seite der Altstadt könnte man erweitern, so Hetzl: "Man will mittlerweile ja den Ringschluss machen, den Stadtpark komplett rumziehen als grüne Ausgleichsfläche." Und: "Man versucht auch zum Beispiel, bei Neubauten begrünte Flachdächer anzusiedeln, eben um hier grüne Punkte und auch Teile eines Schwamms zum Wassersammeln zu etablieren." Durch die aktuell geplante Umgestaltung eines großen Areals zwischen Altstadt und Inn könne außerdem Fläche entsiegelt und begrünt werden und für die Altstadt eine weitere "grüne Lunge" geschaffen werden.

Fehlende Gesamtkonzepte, mangelnde Finanzierung

Auch viele andere Städte und Gemeinden versuchen mittlerweile, Maßnahmen zu ergreifen, um sich dem Klima anzupassen: Wasser- und Grünflächen werden geplant, Flüsse renaturiert. Das Problem: Meist sind es Einzelmaßnahmen. Gesamtkonzepte fehlen. Das ergab eine Befragung aller 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland zum Stand der Klimaanpassungsmaßnahmen durch Journalisten von BR Data, NDR Data, WDR Quarks und CORRECTIV im Frühjahr 2023. Zwar arbeitet Bundesumweltministerin Steffi Lemke an einem Gesetzesentwurf, wonach Kommunen Konzepte entwickeln sollen. Die entscheidende Frage der Finanzierung spielt dabei jedoch keine Rolle.

Ruf nach Unterstützung

Kritisiert wird das von mehreren Verbänden: So forderte der Deutsche Städte- und Gemeindebund, die Anpassung an den Klimawandel als Gemeinschaftsaufgabe zu definieren und als solche ins Grundgesetz aufzunehmen. Auf diese Weise erhalte der Bund rechtlich die Möglichkeit, "den Kommunen planbar finanzielle Mittel für notwendige Anpassungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene zur Verfügung stellen zu können". Auch der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag fordern mehr Unterstützung durch den Bund und die Länder.

Grafik: Temperaturanomalie in Deutschland

Im Video: Sehen so unsere Städte der Zukunft aus?

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In den vergangenen Jahrzehnten wurde es in Deutschland immer wärmer

Immer mehr Anforderungen und Aufgaben

Unterstützung wäre auch in Waldkraiburg und Mühldorf willkommen. Mühldorfs Rathauschef Hetzl räumt ein, dass man bereits jetzt nicht schlecht gefördert werde. Andererseits habe man aber auch so viele Aufgaben zu bewältigen wie nie zuvor: "Die gehen weit über den Umweltschutz hinaus, von Kinderbetreuung, kooperativer Ganztagsbetreuung, die ganzen Punkte - das hat jetzt heute mit dem Thema nichts zu tun, aber die müssen natürlich auch alle bezahlt werden."

Und für Waldkraiburg, wo man heuer beim Haushalt mit einem Defizit von mehr als fünf Millionen Euro rechnet, mahnt Bürgermeister Pötzsch: "Wir haben ganz konkrete Aufgaben in der Kommune, die wir heute schon nicht mehr erfüllen können." Die Frage, sagt sein Mühldorfer Kollege Hetzl, sei, ob die Klimaanpassung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei: "Wenn wir das gesamtgesellschaftlich wollen, dann müssen wir auch das gesamtgesellschaftliche Gefüge zusammenhalten. Und dann werden wir natürlich auch hier unterstützen müssen, damit dieses Projekt des Umweltschutzes im großen Ganzen funktioniert."

Fazit

Die Maßnahmen, die erforderlich wären, um Städte und Gemeinden besser anzupassen an den Klimawandel - vor allem Hitze und Starkregen - sind bekannt, allen voran das Idealkonzept der "Schwammstadt", die auch große Wassermengen aufnehmen kann, um vor Überschwemmungen zu schützen und sie speichert, damit sie vor allem bei Hitze dem Grün in der Stadt zur Verfügung stehen und durch Verdunstung für Kühlung sorgen.

Bei der systematischen Umsetzung stehen Deutschlands Städte und Gemeinden jedoch oft noch am Anfang. Statt eines Gesamtkonzeptes werden häufig Einzelmaßnahmen umgesetzt, auch weil viele Gemeinden mit einer vollständigen Umsetzung finanziell überfordert sind.

Inwieweit dies als gesamtgesellschaftliche beziehungsweise "Gemeinschaftsaufgabe" im Sinne des Grundgesetzes definiert werden soll und wird, ist noch immer Gegenstand der politischen Debatte. Bis dies entschieden ist, sind jedoch immer auch Einzelmaßnahmen sinnvoll. Um diese möglichst wirksam zu gestalten, bieten mehrere Behörden und Verbände Beratungen an, zum Beispiel das Umweltbundesamt (UBA) oder die Bayerische Architektenkammer.

Im Video: Sind das unsere Städte der Zukunft?

Fassadenbegrünung an einem Wohnhaus in der Innenstadt von Frankfurt am Main
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Nano vom 20.09.2023: Unsere Städte der Zukunft

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