Mastschweine in einem mit Stroh eingestreuten Auslauf
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Mastschweine in einem mit Stroh eingestreuten Auslauf

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Nur noch Fleisch aus Stufe 3 und 4: Wo soll es herkommen?

Supermärkte wie Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka wollen das Frischfleisch- und Milch-Angebot aus den Haltungsformen 3 und 4 massiv ausbauen. Heißt: Offene Ställe sollen Mindeststandard werden. Kann das funktionieren? Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Aldi war 2021 Vorreiter. Rewe zog nach. Beide wollen ab 2030 zu 100 Prozent nur noch Frischfleisch und Milch ihrer Eigenmarken aus den Haltungsstufen 3 "Außenklima", und 4, also Auslauf oder Bio, verkaufen. Für mehr Tierwohl.

Auch Lidl und Edeka wollen das Angebot mit diesen höheren Haltungsformen massiv ausbauen. Das bedeutet: Fleisch von Tieren, die nur im Stall sind, also aus Haltungsstufe 1 und 2 stammen, soll es in Zukunft kaum noch geben. Offene Ställe werden Mindeststandard. So wollen die Supermärkte für mehr Tierwohl sorgen.

Doch woher soll das Fleisch kommen?

Rewe schreibt, dass Fleisch aus höheren Haltungsformen heute noch nicht in ausreichender Menge verfügbar ist. Während die Umstellung von Haltungsstufe 1 auf 2 meist ohne bauliche Maßnahmen relativ einfach vollzogen werden kann - es werden weniger Tiere pro Bucht gehalten und es gibt mehr Beschäftigungsmaterial - ist die Umstellung von Haltungsstufe 2 auf 3 oder 4 immer mit einem Umbau der Ställe verbunden, da dieser geöffnet werden und ein Auslauf angelegt werden muss. Für diese Umbauten sind zum einen Investitionen und zum anderen auch baurechtliche Genehmigungen erforderlich - die sich ziehen können oder in manchen Fällen auch nicht erteilt werden.

Laut Greenpeace schreitet der Umstieg auf Fleisch aus besserer Tierhaltung im deutschen Lebensmittelhandel nur langsam voran. Aldi Süd zeigt sich auf BR-Anfrage jedoch zufrieden mit der Entwicklung: "Bereits heute stammen über 33 Prozent des Frischfleischs aus Haltungsform 3 und 4", schreibt das Unternehmen. Ein Sprecher der Initiative Tierwohl, die die Haltungsformlabels mitentwickelt hat, teilt Zahlen für den gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit. Demnach kommt frisches und bearbeitetes Fleisch ungefähr zu 5 Prozent aus der Stufe 1, zu 85 Prozent aus der Stufe 2 und zu rund 10 Prozent aus den Stufen 3 und 4.

"Tierwohlfleisch" soll aus Deutschland sein

Auf BR-Anfrage betonten die Supermärkte, dass das Fleisch der höheren Haltungsstufen hauptsächlich aus Deutschland kommen soll. Edeka schreibt zum Beispiel, dass bereits heute 99 Prozent des Schweinefleisches, das in den SB- und Frischetheken unter den Edeka-Eigenmarken angeboten wird, aus Deutschland stammen. Und Aldi erklärt: "Bereits heute stammen über 90 Prozent der von Aldi Süd verkauften Frischfleischprodukte aus deutscher Landwirtschaft. Diesen Ansatz wird das Unternehmen konsequent weiterverfolgen."

Im Video: Schweinehalter verbessert Haltungsstufe seiner Schweine

Große Supermärkte wollen bis 2030 ihr Fleisch-Angebot mit Haltungsstufe 3 oder 4 massiv ausbauen.
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Große Supermärkte wollen bis 2030 ihr Fleisch-Angebot mit Haltungsstufe 3 oder 4 massiv ausbauen.

Nicht jeder hat die Voraussetzungen für eine Umstellung

Einer, der schon umgestellt hat, ist Schweinemäster Franz Hirschbeck aus Huisheim im Landkreis Donau-Ries: Von Haltungsstufe 2 - sprich ausschließlicher Stallhaltung - auf Haltungsstufe 3 "Außenklima". Dafür musste er einen Auslauf anbauen. "Ich würde es auf alle Fälle wieder machen: die Investition. Einfach um das Tierwohl voranzutreiben, und ich würde es jedem empfehlen, das zu machen, wenn die örtlichen Gegebenheiten passen", erklärt er.

Bei Franz Hirschbeck passte alles. Sein Schweinestall ist rund 700 Meter von den nächsten Häusern weg. Heißt: Keine Anwohner, die sich über den Schweinegeruch beschweren könnten. Somit gab es keine Probleme, diesen Auslauf genehmigt zu bekommen. Einen Zaun musste Hirschbeck noch um das Gelände herum anlegen, sodass keine Krankheiten von Wildschweinen übertragen werden können. Außerdem Durchbrüche als Türen für seine Schweine. Die Kosten lagen im niedrigen sechsstelligen Bereich. Förderung hat Franz Hirschbeck nicht beantragt, um schneller bauen zu können. Nach rund einem halben Jahr und viel Eigenleistung stand der Auslauf. Doch längst nicht alle Landwirte haben so gute Voraussetzungen.

Dank Umstellung: Abnahmegarantie, Mindestpreis und Zuschläge

In der Haltungsstufe 3 bekommt Hirschbeck eine Abnahmegarantie, einen garantierten Mindestpreis und Zuschläge für seine Strohschweine. Das beruhigt ihn. Denn vor zwei Jahren - als er noch in Haltungsstufe 2 war - war er komplett abhängig von der Weltmarktsituation. Da gab es Zeiten, in denen die Schweine nicht abgeholt wurden oder ein viel zu niedriger Preis gezahlt wurde. Er sagt: "Ich denke, dass die Landwirte grundsätzlich dafür bereit wären, das zu machen, wenn es denn auch honoriert wird. Um so etwas zu realisieren, ist es erforderlich, dass man langfristige Verträge macht."

Reicht ein Zwei-Jahres-Vertrag als Sicherheit?

Und hier ist der Haken an der Sache: Hirschbeck hat einen Zwei-Jahres-Vertrag. Er weiß inzwischen schon, dass dieser verlängert wird. Auch wenn ihm ein längerer Vertrag lieber wäre, ist das für ihn so in Ordnung. Für andere Landwirte hingegen bietet das zu wenig Sicherheit und führt dazu, dass sie nicht umbauen. Schließlich verursacht der Umbau Kosten im sechsstelligen Bereich.

"Ein Großteil der Landwirte sieht derzeit keine Möglichkeiten, ihre Ställe entsprechend umzubauen. Weil dahinter zu viele Fragezeichen in der Finanzierung liegen, und ob der Verbraucher bereit ist, dann für das teurere Produkt auch zu bezahlen", sagt Stephan Neher von der Ringgemeinschaft Bayern, die die Fleischerzeuger vertritt.

Supermärkte schließen keine Verträge mit Landwirten - sondern mit Verarbeitungsbetrieben

Einen Vertrag direkt mit einer Supermarktkette hat kaum ein Landwirt. Die Kette der Schweinefleischvermarktung läuft anders: Die Schweine von Landwirten, wie Franz Hirschbeck, werden von einer Erzeugergemeinschaft vermarktet. Diese arbeitet mit den Schlachthöfen zusammen.

Die Schweinehälften gelangen von dort zu Zerlege- und Wurstbetrieben. Diese können zu den Schlachthöfen oder zu den Lebensmitteleinzelhändlern gehören oder eigenständige Unternehmen sein. Von diesen Verarbeitungsbetrieben kaufen Supermärkte die verpackten Fleisch- und Wurstwaren ein, um sie in ihren Filialen den Verbraucherinnen und Verbrauchern anzubieten.

Fleischkonsum nimmt ab

Der Bayerische Bauernverband fordert Verträge mit einer Laufzeit von mindestens zehn Jahren. Doch mehr als fünf Jahre Laufzeit werde wohl kein Vertrag innerhalb dieser Kette haben, erklärt Franz Beringer, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Südbayern und des Vion-Schlachthofs in Landshut. Denn keiner könne genau sagen, wie sich der Fleischkonsum genau entwickelt. Derzeit nimmt er ab. Das zeigt zum Beispiel der jüngste Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Gleichzeitig zeigt dieser Report jedoch auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher besonders auf Tierwohllabel und Regionalität achten - zumindest äußern sie sich so in der Befragung für den Report.

Erzeugergemeinschaften helfen bei Umstellung

Der Schlachthof Vion in Landshut hat von seinen Lebensmitteleinzelhandelspartnern (LEH) den Auftrag bekommen, im kommenden Jahr doppelt so viele Schweine der Haltungsstufe 3 zu liefern wie in diesem Jahr. Derzeit liefern rund 30 Landwirte Schweine der Haltungsstufe 3 an Vion - doch es sollen noch mehr werden. "Vion gehe jedoch immer erst auf einen Landwirt zu, wenn dahinter auch ein konkretes Angebot stehe, also eine verbindliche Beauftragung, die einer unserer LEH-Partner erteilt", erklärt Stephan Kruse, Director Farming Vion Deutschland.

Inzwischen sind auf Fleischverpackungen zahlreiche Labels, Siegel oder Herkunftsnachweise, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, aus welcher Haltungsform das Fleisch stammt. Letztendlich entscheide der Kunde, ob der Ausbau der höheren Haltungsstufen funktioniert, erklärt Franz Beringer. Es sei eine Mammutaufgabe, die nur gelingen könne, wenn vom Ferkel bis zur Ladentheke alles in einer Kette miteinander verzahnt ist.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund der Kommentare von "Der_Tatortbeschmutzer" und "Sepp" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" mit weiteren Informationen ergänzt.

Bei verpacktem Fleisch wissen wir also, welche Haltungsbedingungen die Tiere zu Lebzeiten hatten. Aber wie sieht es eigentlich mit unverpacktem Fleisch in den Metzgereien oder Supermarktfleischtheken aus? Hier wissen wir es im Moment noch nicht, bzw. müssen es an der Theke erfragen. Der Gesetzgeber will diese Lücke jetzt mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz schließen. Im ersten Schritt muss frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch entsprechend gekennzeichnet werden. Dieses Gesetz ist zwar am 24. August in Kraft getreten – in den bayrischen Metzgereien wird davon aber erst im Laufe des Jahres 2025 etwas zu sehen sein. Diese lange Übergangsfrist soll Landwirten die Möglichkeit geben, ihre Ställe umzubauen und damit eine bessere Haltungskategorie für ihr Fleisch zu erreichen. In einem nächsten Schritt soll das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz auch andere Tiere erfassen, also auch Rind, Geflügel, Schaf und Ziege – sowie verarbeitetes Fleisch, Wurst und auch Fleisch auf den Speisekarten in Restaurants.

Die Pflicht zur Tierhaltungskennzeichnung gilt übrigens nicht für ausländisches Fleisch. Das ist zwar einerseits ein Kritikpunkt – andererseits spielt ausländisches Fleisch in den bayrischen Metzgereien laut Landesinnungsverband aber nur eine untergeordnete Rolle.

Bereits ab Februar nächsten Jahres können Verbraucher und Verbraucherinnen übrigens sehen, wo das Tier, dessen Fleisch sie kaufen, aufgezogen und geschlachtet wurde – dann tritt das Herkunftskennzeichnungsgesetz in Kraft. Für Rindfleisch gibt es diese Kennzeichnungspflicht schon seit rund 20 Jahren. Anlass war damals die Rinderseuche BSE. Nach Angaben des Landesinnungsverbandes für das bayrische Fleischerhandwerk schlachten 55 Prozent der Metzger und Metzgerinnen in Bayern noch selbst. 💬

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