Arzt und Pflegerin schauen in einen Monitor.
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Wegen Corona: Vorsorge-Untersuchungen werden vernachlässigt

Zwei Jahre Pandemie haben auch gefährliche Nebenwirkungen: Viele Patienten haben wegen Corona den Gang zum Arzt aufgeschoben. Ins Herzkatheterlabor in Ingolstadt sind in letzter Zeit deutlich mehr Menschen mit schweren Herzerkrankungen gekommen.

Viele Patienten haben in der Pandemie andere Krankheiten weniger ernst genommen oder sind aus Angst vor Ansteckung nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gegangen. Ärzte und Kliniken stellen nun vermehrt schwerere Erkrankungen fest, die früher hätten behandelt werden müssen.

Patienten haben "zu lange gewartet"

Professor Karlheinz Seidl vom Klinikum Ingolstadt ist zufrieden mit dem, was er sieht, die Herzkranzgefäße zeigen keine Verengungen. Die Patientin ist zum richtigen Zeitpunkt gekommen, meint er. Seine Erfahrung in den vergangen zwei Jahren, seit Beginn der Pandemie, sieht aber anders aus: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Patienten leider viel zu spät zu uns gekommen sind. Wir haben deutlich schwerer erkrankte Patienten gehabt. Viele dieser Patienten, die vielleicht durch Warnsymptome früher gekommen wären, sind dann mit einem Herzstillstand zu uns gekommen, weil sie zu lange gewartet haben.“ Insgesamt kommen weniger Patienten und diejenigen, die kommen, haben schwerere Erkrankungen. Klare Anzeichen dafür, dass die Betroffenen einen Arzt aufsuchen sollten, ist beispielsweise ein anhaltender Druck in der Brust, der auch im Ruhezustand nicht besser wird. Diese ersten Anzeichen eines möglichen Herzinfarkts sollten Menschen unbedingt ernst nehmen, meint Professor Seidl.

Deutlich weniger Patienten im Herzkatheterlabor in Ingolstadt

Die Patientin, die Professor Seidl gerade untersucht, hat Glück: Sie ist nicht zu spät gekommen. Anders sah es bei dem Patienten davor aus. Auf den Bildern der Koronarangiografie, eine Untersuchung, bei der die Herzkranzgefäße sichtbar gemacht werden, zeigen die Gefäße deutliche Verengungen. Dadurch kann das Blut nicht mehr ausreichend fließen, Teile des Herzmuskels werden so unterversorgt. Im schlimmsten Fall sterben Teile des Muskels ab. „Ein krankes Herz kann nicht warten! Jede Minute zählt! Man sagt, die erste Stunde ist die goldene Stunde, weil man da noch so viel am Herzmuskel retten kann. Je länger das Zeitintervall ist, umso mehr stirbt ab.“ Rund 20 Prozent weniger Patienten sind im Herzkatheterlabor im Klinikum während der ersten drei Pandemiewellen behandelt worden. Bundesweit ist die Zahl sogar noch höher: 35 Prozent weniger Patienten in den Herzkatheterlaboren in Deutschland. Das geht aus einem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hervor. Für Professor Karlheinz Seidl gibt es einen klaren Zusammenhang mit der Pandemie.

Angst vor Ansteckung: Menschen meiden Krankenhäuser

Der Zusammenhang mit der Corona-Pandemie liegt auf der Hand. Auf die Frage, warum die Patienten denn mit teilweise chronischen Beschwerden nicht schon früher gekommen seien, heißt es oft, dass die Patienten Angst gehabt hätten, sich im Krankenhaus anzustecken, erzählt Diana Walde, Leiterin Pflege im Herzkatheterlabor in Ingolstadt. "Oder sie wollten den Covid-Patienten keine Betten wegnehmen", berichtet sie weiter. Doch das Warten ist für einige Patienten nicht ohne Folgen geblieben. In Hessen nahm laut DGK beispielsweise die kardiale Sterblichkeit während des ersten Lockdowns um knapp 12 Prozent zu. Patienten mit milden Symptomen waren die Ausnahme in den Kliniken.

Mehr schwere Tumorerkrankungen, weniger Schlaganfall-Patienten

Erste Anzeichen ernst nehmen und Vorsorge wahrnehmen: Wie wichtig das ist, zeigt sich auch in anderen Abteilungen im Klinikum in Ingolstadt. Auch dort haben die Ärzte diese Nebenwirkungen der Pandemie bemerkt. Ins Klinikum kommen rund 20 Prozent mehr Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen als noch vor der Pandemie - so die Schätzungen aus der Klinik für Urologie. Auch in der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie hat man diese Erfahrung gemacht. Dort sehen die Ärzte mehr Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs oder mit Metastasen. Ähnlich sieht es bei Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts aus. Einen starken Rückgang gab es bei Schlaganfällen: Bundesweit habe man einen Rückgang um 25 Prozent während des ersten Lockdowns festgestellt. Deshalb appellieren die Ärzte im Klinikum in Ingolstadt jetzt an die Menschen, Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen und bei Verdacht auf schwere Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht zu warten und sofort einen Arzt aufzusuchen oder den Rettungsdienst zu rufen.

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