Bei Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde: Sofortige Reanimation kann Leben retten.
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Bei Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde: Sofortige Reanimation kann Leben retten.

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Tag des Notrufs: Wie Mobile Ersthelfer Leben retten

In Notfällen zählt jede Sekunde. Die "Mobile Retter-App" kann unterstützen, Ersthelfer schnell an einen Notfallort zu bringen. BR-Reporter haben die App in Straubing getestet. Das Ergebnis: Sie kann tatsächlich Leben retten.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Ein Mann greift sich am Straubinger Stadtplatz an seine Brust, sackt zusammen. Herztod? Passanten eilen herbei, wählen die Notrufnummer 112. Der Notruf geht in der Rettungsleitstelle Straubing ein. Jetzt wird Alarm ausgelöst – und gleichzeitig eine mobile Retter-App aktiviert.

Experiment: Mobile Retter-App Straubing – funktioniert das?

Martin Schmauser vom BRK ist als Ersthelfer bei der Mobilen Retter-App registriert, bei unserem Experiment geht er als Passant am Straubinger Stadtplatz spazieren. Das Mobile Retter System hat durch die GPS-Daten erkannt: Schmauser ist in unmittelbarer Nähe des vermeintlichen Notfalls und alarmiert ihn. Dem Ersthelfer wird der Weg zum Notfallort am Handy angezeigt.

Eine Szene, die wir bis zu diesem Zeitpunkt nachgestellt haben. Wäre der Notfall echt gewesen, hätte Martin Schmauser sofort mit der Herz-Druck-Massage begonnen – so lange, bis der Notarzt vor Ort gewesen wäre.

Echter Alarm, echte mobile Retter

Der Alarm aber von der Rettungsleitstelle war echt, konnte aus technischen Gründen nicht als Probe-Alarm ausgelöst werden. Und wir stellen fest: Es funktioniert! Gleich zwei weitere Mobile Retter treffen beim vermeintlichen Einsatzort ein: "Ich war gerade daheim beim Essen, dann ging der Alarm los. Ich ging davon aus, dass es ein realer Einsatz ist. Ich war eineinhalb Kilometer entfernt, habe zwei, drei Minuten gebraucht", so der mobile Retter Niko Vilsmeier. Er ist eigentlich Elektronik-Auszubildender, durch sein Ehrenamt als Notfallsanitäter wurde er auf die Mobile Retter-App aufmerksam und hat sich registriert.

Auch Manfred Lermer, Versicherungskaufmann und Ersthelfer, hat den Alarm auf sein Handy bekommen und war innerhalb weniger Minuten am Einsatzort – und zwar mit Notfall-Rucksack: "Da ist das volle Programm drin: Alles von Beatmungsbeutel, Beatmungsmasken, über Verband, elektrische Geräte für Blutdruck bis hin zu Kühl-Akkus. Kostet nicht viel, ist immer im Auto, fährt mit als ständiger Begleiter."

Mobile Retter schneller als Rettungswagen

Das Experiment hat gezeigt: In Straubing funktioniert das System der Mobilen Retter. Sie treffen teils schneller als der Rettungswagen am Unfallort ein und können bereits mit der Reanimation beginnen – überlebenswichtig. Denn: Herztod zählt in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen.

Jedes Jahr erleiden rund 70.000 Menschen einen Herzkreislauf-Stillstand. Nur etwa zehn Prozent von ihnen überleben. Für die erste Hilfe zählt jeder Augenblick. Denn mit jeder Minute, die vergeht, sinkt die Überlebens-Chance statistisch um zehn Prozent.

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Jedes Jahr erleiden in Deutschland jährlich rund 70.000 Menschen einen Herzkreislauf-Stillstand. Nur etwa zehn Prozent von ihnen überleben.

Mobile Retter-App nur in drei bayerischen Städten

Die Zahlen verdeutlichen die Wichtigkeit der mobilen Retter-App, die die Rettungskette ergänzt. Und es gibt erste Bilanzen: Deutschlandweit sind über 28.000 mobile Retter bei der App registriert. Straubing ist neben Ingolstadt und Regensburg erst die dritte Region in Bayern, in der die "Mobile Retter-App" installiert ist.

"Wir freuen uns über jede neue Mobile Retter-Region und noch mehr über jeden Mobilen Retter. Die Initiative lebt von den Menschen, die sich dafür engagieren. Nur mit ehrenamtlichen Ersthelfenden und ihrem beherzten Engagement ist es möglich, die Smartphone-basierte Ersthelfer-Alarmierung flächendeckend in ganz Deutschland umzusetzen." Stefan Prasse, Geschäftsführer Mobile Retter e.V.

Mehr Regionen, die sich am Projekt beteiligen, wären wünschenswert, es heißt. Denn je mehr Städte und Mobile Retter mitmachen, umso größer das Netzwerk von Ersthelfern, umso höher die Chance, Leben zu retten. Das Ziel des mobilen Retter-Vereins: 10.000 Menschen zusätzlich pro Jahr retten.

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Mobile Retter App in Zahlen deutschlandweit.

"Scheu verlieren, andere Menschen zu reanimieren"

Deswegen hat der Straubinger Intensivmediziner Sebastian Maier die Mobile Retter-App vergangenes Jahr im November in seine Stadt und den Landkreis Straubing-Bogen geholt. Im europaweiten Vergleich steht Deutschland nämlich hinten an bei der Laien-Reanimations-Quote: 2012 belegte Deutschland mit 22 Prozent den vorletzten Platz in Europa.

Mittlerweile ist die Quote auf rund 40 Prozent gestiegen und liegt damit immer noch europaweit unter dem Durchschnitt. Zum Vergleich: In Schweden oder in den Niederlanden liegt die Laien-Reanimations-Quote bei bis zu 80 Prozent, wie die Zahlen vom Deutschen Rat für Wiederbelebung und der German Cardiac Society zeigen.

"Je schneller jemand hilft, umso besser – es ist egal, mit welchen Mitteln das erzielt wird, die Mobile Retter-App ist nur ein Mittel dazu. Es ist wichtig, dass wir möglichst viele mobile Retter, viele ausgebildete Bürger unter uns haben, die anderen helfen und die Scheu davor verlieren, andere Menschen zu reanimieren." Sebastian Maier, Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie

Notarztmangel: Mobile Retter in ländlichen Regionen wichtig

Albert Solleder (CSU) ist zweiter Bürgermeister der Stadt Straubing und gleichzeitig Notarzt. Er weiß um die Problematik des Notarztmangels auf dem Land. Die App sei daher vor allem in ländlichen Regionen eine große Unterstützung: "Da ist es besonders wichtig, weil die Wege deutlich weiter als in der Stadt sind. Im ländlichen Raum ist die Primärversorgung das Entscheidende."

Einziges Fehlverhalten bei Notfällen: nichts machen

Die Mobile Retter-App funktioniert aber nur durch das Engagement der registrierten Ersthelfer. Sie machen das ehrenamtlich – aus voller Überzeugung, wie Schmaus sagt: "Das ist ein gutes Gefühl – meine Motivation ist: Wenn ich selber erwarte, wenn ich dort liege, dass mir jemand hilft, muss ich auch jederzeit bereit sein, einem anderen Menschen zu helfen."

Niko Vilsmeier ist der Überzeugung: Man kann in Notfällen nur eines falsch machen: nichts tun. "Wenn ich nichts mache, dann wird dieser Patient sowieso versterben. So hat er zumindest eine Chance und ich kann mit meinem Gewissen vereinbaren: Ich habe alles getan, um ihn am Leben zu erhalten."

Seit November vergangenen Jahres haben sich rund 280 Ersthelfer bei der App in Stadt und Landkreis Straubing-Bogen registriert – seither wurden sie zu mehr als 40 Einsätzen gerufen.

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