Eine Wasserspange soll die Talsperre Frauenau mit dem Bodensee verbinden.
Bildrechte: picture alliance / Westend61 | Lisa und Wilfried Bahnmüller

Eine Wasserspange soll die Talsperre Frauenau mit dem Bodensee verbinden.

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Wasserversorgung: Was bringen Wassercent und Wasserspange?

Der lange diskutierte Wassercent soll nächstes Jahr kommen. Bodenseewasser soll bis in den Bayerischen Wald geleitet werden. Das sind zwei der Maßnahmen für Versorgungssicherheit im Freistaat. Aber löst das die Probleme?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Den trockenen Norden Bayerns mit Wasser aus dem Bodensee zu versorgen, diese Idee präsentierte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einem runden Tisch zur Wasserversorgung in der Staatskanzlei. Diese Wasserspange über Nordbayern hatte Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) schon vergangenes Jahr ins Spiel gebracht. Dem BR sagt er jetzt, der Bodensee gehöre allen, deshalb könne auch Bayern von dort Trinkwasser beziehen.

Neue Fernleitungen für Nordbayern

Über Mittel- und Unterfranken, weiter zur Talsperre Mauthaus in Oberfranken und schlussendlich zur Talsperre Frauenau im Bayerischen Wald - das wird eine große Wasserspange. In Baden-Württemberg könnten bestehende Leitungen gegen Gebühr genützt werden, die jetzt schon bis an die Grenze zu Franken reichen. Erste Gespräche mit Baden-Württemberg habe es gegeben, sagte Glauber im Gespräch mit dem BR. In etwa 20 Jahren könnte dann Bodenseewasser nach Bayern kommen.

Riesenprojekt Wasserspange zukunftsfähig?

Es sei auf jeden Fall eine prüfenswerte Option, sagt Professor Jörg Drewes, zuständig für Siedlungswasserwirtschaft an der TU München, aber nicht die Lösung aller Probleme. Den langjährigen Planungshorizont für ein derartiges Riesenprojekt und die Veränderungen durch den Klimawandel in Einklang zu bringen, hält Drewes für schwierig: 60 Prozent der Abflüsse aus dem Rhein stammen aus dem Alpen, und es sei noch nicht klar, wie sich die rasante Gletscherschmelze in 20 bis 30 Jahren auf den Bodensee auswirken wird. Klar ist nur: Überall wird das Wasser weniger, und Fernleitungen werden nicht in ein paar Jahren gebaut. Es müsse also geprüft werden, so Drewes, wie zukunftsfähig eine solche Wasserspange sei: "Vielleicht wäre es besser, flexiblere Lösungen anzugehen, die sich schneller realisieren lassen."

Sichere Wasserversorgung als dringende Aufgabe

Überhaupt drängt der Umweltingenieur nach dem runden Tisch in der Staatsregierung auf schnellere Prozesse: "Wir haben genug Wasser, aber nicht in Zukunft", sagt Drewes, der an den Gesprächen beim runden Tisch beteiligt war: "Manchen ist das noch nicht klar, dass wir einen neuen Umgang mit Wasser brauchen." Es müsse schnellere und konkretere Maßnahmen geben als neue Arbeitsgruppen.

Wasser bald nicht mehr kostenlos

Konkreter als die große Wasserspange ist auf jeden Fall der Plan, eine Wasserentnahmegebühr einzuführen - den sogenannten Wassercent. Anders als in den meisten Bundesländern können sich im Freistaat alle kostenlos selbst an Oberflächen- und Grundwasser bedienen. Die Wasserversorger erheben Gebühren für Leitungs- und Abwasser.

Wassercent noch ohne Konzept

Wie der Wassercent aussehen soll, ist allerdings auch beim runden Tisch nicht näher besprochen worden - etwa wie hoch die Gebühr sein soll. Zahlen Privatbürger, Industrie und Landwirtschaft unterschiedlich? Kostet Fluss- oder Seewasser weniger als Grundwasser oder Tiefengrundwasser? Und die Frage, die auch Juliane Thimet umtreibt: Wofür werden die Einnahmen verwendet?

Gemeindetag skeptisch bei neuen Kosten

Thimet ist beim Bayerischen Gemeindetag zuständig für alle wasserrechtlichen Fragen und war wie Drewes beim runden Tisch dabei. Stellvertretend für die kommunalen Wasserversorger sieht sie den Wassercent kritisch. "Wasserwende" nennt Thimet die vielen anstehenden Aufgaben - da werden die Gebühren auch ohne Wassercent steigen, ist sich Thimet sicher. Deshalb erwartet sie auch keine außerordentliche Lenkungswirkung durch eine Verteuerung des Wassers: Sie hoffe, dass die Bürgerinnen und Bürger ohnehin darüber nachdenken, wofür sie wie viel Wasser verwenden.

Wohin fließen die Einnahmen?

Aber wenn schon Wassercent, dann müssten die Einnahmen zweckgebunden dem Grundwasserschutz zugute kommen: Es brauche größere Schutzgebiete, Vereinbarungen mit der Landwirtschaft müssten ausgeglichen werden. Bisher sei der Wassercent aber nur an "wasserwirtschaftliche Zwecke" gebunden - das ist Thimet zu allgemein.

Zentrale Rolle der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft in Bayern muss die Ernährung sicherstellen, betonte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) beim runden Tisch in der Staatskanzlei. Es geht nur gemeinsam mit den Landwirten, das unterstreichen auch Thimet vom Gemeindetag und Drewes als Sprecher der Expertenkommission zur Wasserversorgung in Bayern. Denn Bewässerung wird immer wichtiger für die Lebensmittelproduktion.

Entnahmemengen sind unbekannt

Aber wie viel Wasser Landwirte über eigene Brunnen oder Pumpen verbrauchen, ist gar nicht bekannt. Umweltminister Glauber hat deshalb eine digitalisierte Erfassung der Wasserentnahmen angekündigt, etwa über funkgesteuerte Wasserzähler. Juliane Thimet sieht das als große Hürde auf dem Weg zum Wassercent: Dafür müssten alle Entnahmestellen erfasst und mit digitalen Zählern ausgestattet werden. Denn nur wenn bekannt ist, wie viel jemand verbraucht, kann er auch dafür entsprechend zur Kasse gebeten werden.

Dezentrale Wasserversorgung als Prinzip

Beide - Juliane Thimet als Vertreterin der Kommunen und Jörg Drewes als Professor für Siedlungswasserwirtschaft - sehen viel Arbeit für eine sichere Wasserversorgung in Bayern. Das gehe alle etwas an: Kommunen, Versorger und die Politik. Der sensible Umgang mit Wasser durch jeden einzelnen ist die Grundlage dafür.

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