Reife Weintrauben an einem Rebstock
Bildrechte: BR/Sylvia Bentele

Weinrebe

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Weinbau: Mit neuen Wegen gegen die Wasserknappheit

Auf den Steillagen in Unterfranken gediehen Weinreben bisher besonders gut. Doch die Wasserknappheit wird immer mehr zum Problem für die Winzer. Könnten die Weinberge mit Hilfe alternativer Anbau-Methoden auch ohne künstliche Bewässerung auskommen?

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

In Unterfranken leben viele Menschen vom Wein - die Familie von Andrea Wirsching schon seit 1630. Auf den dortigen Steillagen gelang der Wein bisher besonders gut. Sogar der Papst hat ihn schon getrunken, 1980 in Altötting.

Sinkender Grundwasserspiegel

Andrea Wirschings Weingut zählt zu den größten Privatweingütern Deutschlands. Der Ertrag ist über die Jahre immer größer geworden. Der Großvater bekämpfte erfolgreich die Reblaus. Der Vater legte Straßen an, um die Weinberge besser bewirtschaften zu können. Die Tochter kämpft nun mit dem Wassermangel: "Wir haben in heißen Jahren Niederschläge von vier- bis fünfhundert Millilitern. Das ist ungefähr so viel wie in Jordanien", sagt Andrea Wirsching. Auch das Grundwasser sinke ab. Noch kommt Andrea Wirsching durch einen eigenen Brunnen an das knappe Grundwasser, das ihre Rebstöcke mit Wasser versorgt – durch Tröpfchen-Bewässerung.

Viele Winzer hoffen angesichts der knappen Wasserlage jetzt auf Speicherseen, befüllt mit Wasser aus dem Main. In Volkach, 25 km entfernt, gibt es das schon. Andrea Wirsching hofft, dass das Mainwasser bald nach Iphofen kommt. Bei Hochwasser im Winter könnte eine Pipeline das Flusswasser in einen Speichersee pumpen. "Eine sehr spannende Angelegenheit", findet die Winzerin.

Allerdings auch eine umstrittene: 18 Millionen Euro kostet das Projekt. Ist es wirklich notwendig? Die meisten Winzer glauben ja. So auch der Präsident des Fränkischen Weinbauvereins, Artur Steinmann: "Wenn es den Weinbau nicht mehr gibt, kommen erst die Büsche, dann der Wald und dann habe ich keine Biodiversität mehr." Deshalb wolle sein Verein die Kulturlandschaft, die es seit über 2.000 Jahren gebe, erhalten. Die über 200 Wein- und Winzerdörfer im Vereinsgebiet hätten sich vor allem wegen des Weinbaus so gut entwickelt.

Glyphosat zerstört den Boden

Doch die "Kulturlandschaft" ist – eine Monokultur! "Es ist schon alles ganz trocken und drunter knallhart", sagt der Weinhändler und Chemiker Martin Kössler beim Besuch eines Weinbergs. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Bodenbeschaffenheit in den Weinbergen. "Da sind keine Wurzelsysteme, gar nichts!" Verständnis für die Winzer mit ihrem Wunsch nach künstlicher Bewässerung hat er nicht. Die Winzer seien selbst schuld, weil sie den gesunden Boden – einen natürlichen Wasserspeicher – zerstören.

"Hier sieht man geradezu exemplarisch die Wirkung von Glyphosat. Das killt nämlich einfach die Stickstoffzufuhr im 'Unkraut'. In der angeblichen Wasserkonkurrenz zur Rebe. Das Glyphosat hat, anders als man das ursprünglich geplant hat, das Bodenleben zerstört. Und zwar so nachhaltig, dass hier quasi überhaupt kein Leben mehr drin ist. Alle Lebewesen sind tot und dann verdichtet das so, dass es katastrophal ist, hier bringt auch Regen nichts mehr, der fließt einfach ab." Martin Kössler, Weinhändler

Das Pflanzenvernichtungsmittel zerstört den Boden – er speichert kaum mehr Wasser. Zehn Kilometer entfernt, in Wiesenbronn, steht das Gras auf dem Weinberg teils höher als der Rebstock. Das "Unkraut" bleibt stehen und siehe da: Es geht auch ohne zusätzliche Bewässerung. "Das ist ein komplettes Ökosystem, was wir versuchen zu erhalten", sagt die Winzerin Nicole Roth, deren Familie schon seit 50 Jahren ökologischen Weinbau betreibt – sie verzichtet auf Glyphosat. Die vermeintliche Wasserkonkurrenz ist willkommen.

"Auch die Jungfelder werden bei uns sofort mit einer Begrünung konfrontiert, damit die wissen: Hallo, hier wachse nicht nur ich, wenn ich Wasser will, muss ich runter, weil das Wasser ist unten." Nicole Roth, Winzerin

Ohne gesunden Boden hilft auch künstliche Bewässerung nicht

Tief im mineralhaltigen Keuper: Ein Boden, fein durchwurzelt und voller unsichtbarer Mikroorganismen – ein lebendiger Wasserspeicher. In trockenen Jahren ist es ein Risiko, auf Wasser zu verzichten – dann bekommt Nicole Roth weniger Ertrag. Aber das ist es ihr wert, sagt sie: "Es ist vielleicht mehr Aufwand, es ist natürlich auch mehr Risiko in manchen Jahren, aber für mich am Schluss immer nur die einzig richtige Entscheidung."

Langsam beginnt im Weinbau ein Umdenken. Denn ohne einen gesunden Boden, der wie ein Schwamm Wasser speichert, hilft auch zusätzliche Bewässerung nichts.

Auch Andrea Wirsching hat in den letzten Jahren vieles verändert, unter anderem verzichtet sie jetzt auf Glyphosat. "Wir müssen gucken, dass wir so viel Wasser wie möglich halten, dass wir auch einige Flächen roden und wieder Büsche anpflanzen." Auf künstliche Bewässerung will sie aber trotzdem nicht verzichten – denn sie ist überzeugt: Klimawandel und Hitzeperioden werden noch zunehmen.

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