Flüchtlinge auf Lampedusa
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Flüchtlinge auf Lampedusa

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Streit über Migration: "Wollen keine Flüchtlinge aus Lampedusa"

"Nicht praxistauglich", "große Keule": Im Streit über die Migrationspolitik stößt der Vorstoß von CSU-Chef Söder für eine "Integrationsgrenze" auf Kritik. In der Berliner Ampel warnt die FDP ihre Partner: "Keine Flüchtlinge aus Lampedusa aufnehmen!"

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

CSU-Chef Markus Söder wehrt sich gegen Vorwürfe, mit seinem Vorstoß zur Migrationspolitik Wahlkampf zu machen. "Lampedusa kennt keine bayerische Landtagswahl und interessiert sich auch nicht dafür", sagte Söder nach einer CSU-Vorstandssitzung mit Blick auf die zahlreichen Flüchtlinge aus Nordafrika, die derzeit auf der italienischen Mittelmeerinsel ankommen. Er bekräftigte seine Forderung nach einer "grundlegende Wende" in der deutschen Migrationspolitik. Es drohe eine "völlige Überforderung des Landes".

Trotz monatelanger Mahnungen von Kommunen und Ländern sei die Ampel bisher untätig, kritisierte Söder. "Jetzt durch Lampedusa zeigt sich, dass die Herausforderung noch mal größer ist." Der CSU-Chef erneuerte seine Forderung nach einer "Integrationsgrenze" von "maximal 200.000" Migranten im Jahr.

Konkret nötig seien auch ein Stopp der deutschen Sonderaufnahmeprogramme, eine aktive Rückführung von Straftätern und ein Beschluss für weitere "sichere Herkunftsstaaten". Bis der Schutz der EU-Außengrenzen greife, brauche es mehr Grenzschutz in Deutschland mit einer eigenen deutschen Grenzpolizei. Für abgelehnte Asylbewerber werde es in Bayern bis zur Abschiebung Sach- statt Geldleistungen geben. Dafür werde spätestens Anfang nächsten Jahres eine Chipkarte eingeführt, mit der die Migranten beispielsweise Essen und Kleidung kaufen könnten.

FDP will ebenfalls Bezahlkarte für Asylbewerber

Auch der bayerische FDP-Vorsitzende Martin Hagen verlangte nach einer Sitzung des Bundespräsidiums seiner Partei "dringend einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik". Die Liberalen beschlossen laut Hagen ein Positionspapier, das einen konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen, schnellere Asylverfahren und konsequentere Rückführungen von Menschen ohne Bleibeperspektive fordert. Ähnlich wie die CSU verlangen auch die Liberalen, bei Asylbewerbern von Geld- auf Sachleistungen umzustellen: durch eine "bundesweite Bezahlkarte", mit der Asylbewerber vor Ort einkaufen, aber keine Überweisungen in ihre Heimatländer vornehmen könnten.

Söders Forderung nach einer Obergrenze kritisierte der FDP-Landeschef als "nicht praxistauglich". Es gelte, insgesamt zu einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu kommen. "Aber was passiert, wenn der 200.001. Migrant an unserer Grenze steht - hat er dann keinen Anspruch auf Asyl?" Das sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Eine Obergrenze sei etwas "Plakatives, was man in der heißen Phase eines Landtagswahlkampfs in den Raum stellen kann", aber es sei kein Vorschlag, "der uns weiterbringt".

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stellte klar: "Wir wollen keine Flüchtlinge aus Lampedusa aufnehmen in Deutschland." Das sei die Erwartung der Liberalen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Sollte es anders kommen, werden wir hier ein Problem in der Koalition bekommen." Zugleich betonte der FDP-Generalsekretär, die Klassifizierung der Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer müsse erfolgen. "Ja, da haben wir einen Konflikt innerhalb der Koalition, vor allem mit dem grünen Koalitionspartner." Aber aus Sicht der FDP sei das"eine "Notwendigkeit", deshalb werde man diese Auseinandersetzung auch führen.

SPD: Politik auf dem Rücken von Migranten

Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil warf Söder vor, drei Wochen vor der Wahl wieder "zur großen Keule auszuholen" und Politik "auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten" zu machen". Er könne nur dringend davon abraten, die Gesellschaft zu spalten, betonte Klingbeil. Söder Politikmodell sei, dem Bund Ratschläge zu erteilen. Er solle lieber schauen, "was er selbst als Ministerpräsident machen kann". Zuständig für die Rückführung in Deutschland seien immer noch die Bundesländer.

Nancy Faeser habe es hinbekommen, dass es nach mehr als acht Jahren endlich auf europäischer Ebene eine Lösung gebe, "dass wir Verfahren an den Außengrenzen beschleunigen können", sagte Klingbeil. Zudem lege die Innenministerin jetzt ein Paket vor, wie Abschiebungen vorangetrieben werden könnten.

SPD-Landeschef Florian von Brunn betonte, die CSU habe 2018 schon mal versucht, "die Flüchtlingskarte im Wahlkampf zu spielen". Damals habe sie damit keinen Erfolg gehabt, sondern nur die Umfragewerte der AfD nach oben getrieben. Statt nun die demokratische Mitte zu verteidigen, mache Söder das gleiche wie 2018 - obwohl er es eigentlich "besser wissen müsste".

Bundesregierung: Obergrenze löst Problem nicht

Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner betont in Berlin: "Eine Obergrenze löst das Problem nicht." Das Problem müsse auf europäischer Ebene gelöst werden: "Die einzige vernünftige Möglichkeit, bei diesem komplexen Thema Migration voranzukommen, ist eine dauerhafte Steuerungsordnung im europäischen Rahmen."

Linken-Bundeschefin Janine Wissler kritisierte die Forderung nach einer Obergrenze als "populistischen Wahlkampfquatsch". Jeder wisse, dass es überhaupt nicht möglich sei, Menschen davon abzuhalten, vor Bomben und vor Hunger zu fliehen. Es gebe in dieser Welt keine Obergrenze für Leid und deshalb könne es keine Obergrenze für davor fliehende Menschen geben. Wissler forderte eine Bekämpfung der Fluchtursachen und sichere Fluchtwege.

CDU unterstützt Söder

Unterstützung erhielt Söder dagegen aus der Schwesterpartei CDU. Der Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sagte der "Augsburger Allgemeinen", Söder habe recht. Wenn die "unkontrollierte Massenzuwanderung" noch länger anhalte, drohe man an dem Ziel zu scheitern, Menschen vernünftig zu integrieren. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, es sollten nach dem Vorbild der deutsch-österreichischen Grenze auch an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz Grenzkontrollen eingeführt werden.

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke dagegen warnte in der "Augsburger Allgemeinen" mit Blick auf den heftigen Streit der damaligen Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer in den Jahren 2015 bis 2018: "Die Forderung nach einer Obergrenze hat CDU und CSU schon einmal an den Abgrund geführt."

Im Video: Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus

Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus
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Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus

Mit Informationen von dpa, epd und AFP.

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