Verkehrschaos durch Elterntaxis: Ein zunehmendes Problem, so der ADAC. Rund 20% der Väter und Mütter fahren ihre Kinder mit dem Auto zur Schule.
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Verkehrschaos durch Elterntaxis: Ein zunehmendes Problem, so der ADAC. Rund 20 Prozent der Eltern fahren ihre Kinder mit dem Auto zur Schule.

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Elterntaxis: Gefährliches Verkehrschaos an Grundschulen

Eltern, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule bringen, sind sogenannte Elterntaxis. Laut ADAC nimmt ihre Zahl zu. Im Schnitt werden je nach Region rund 20 Prozent der Kinder zur Schule gefahren. Die Folge: ein Verkehrschaos.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Ein verregneter Morgen kurz vor acht Uhr vor Münchens größter Grundschule mit mehr als 700 Kindern: An der Grundschule Rotbuchenstraße im Stadtteil Untergiesing-Harlaching herrscht für 15 Minuten totales Verkehrschaos. Von zwei Seiten kommen Eltern eilig mit ihren Autos angefahren. Sie halten auf der Straße, die ersten direkt vor der Schule, sie parken auf dem Gehweg, fahren falsch in die Einbahnstraße. Schnell entsteht ein Stau. Keiner kommt mehr weg. Es wird gehupt, diskutiert. Ein Vater bleibt sicherheitshalber auf dem Gehweg stehen: Er hat bei dem Gedränge offenbar Angst um sein Auto. Aber damit versperrt er den anderen Autofahrern die Weiterfahrt.

Elterntaxis: Eine potenzielle Gefahr für Kinder

Parallel rollt der Schulbus an. Schülerinnen und Schüler kommen zu Fuß, mit dem Roller oder Rad zur Grundschule. Bus und Kinder haben Probleme, überhaupt durchzukommen, weil Straße und Gehweg von den Elterntaxis versperrt oder verengt sind. Gerade für die Kleinen ist es gefährlich. In der Hektik können autofahrende Väter und Mütter mit dem eigenen Kind an Bord schnell den Überblick verlieren. Spricht man die gehetzten Eltern mit dem Autoschlüssel in der Hand aber an, was sie von Elterntaxis halten, wollen viele nichts sagen. Andere antworten: "Keine Zeit, Entschuldigung!" – "Ich muss tatsächlich schnell weiter."

Eltern parken auf der Straße, dem Gehweg und im Halteverbot

Schulleiterin Ulrike Winter, seit mehr als 25 Jahren im Schuldienst, macht sich Sorgen wegen der Elterntaxis. Gerade in den ersten Wochen eines neuen Schuljahres sei es besonders schlimm. "Es wird in Halteverbotszonen geparkt, die Kinder werden irgendwo auf der Straße rausgelassen." Sie klingt verzweifelt. "Ein bisschen verwundert bin ich schon, dass wir sie nicht erreichen, weil sie ja die eigenen Kinder gefährden", sagt die Schulleiterin.

Ohne die Eltern, die falsch parken, falsch fahren, sich falsch verhalten, hätten sie an der Schule kein Problem mit dem Verkehr. Die Grundschule Rotbuchenstraße liegt idyllisch an einem Park in einer Wohngegend. "Ich möchte eigentlich nicht den Tag erleben als Schulleiterin, dass hier einem Kind mal was Gravierendes passiert", so Ulrike Winter.

Aufklärung der Eltern, Laufgruppen und Parkzonen statt Elterntaxis

Seit vielen Jahren kämpft die Münchner Grundschule an der Rotbuchenstraße schon gegen die Elterntaxis. Zusammen mit der Elternvertretung, der Polizei und dem ADAC klärt sie auf Elternabenden auf und hat Schulweghelfer im Einsatz. Außerdem gibt es extra Parkzonen ein paar hundert Meter entfernt von der Schule in der nächsten Straße und organisierte Laufgruppen: die Schulameisen. Kinder gehen dabei in einer Gruppe begleitet von einem Erwachsenen gemeinsam zur Schule. Seit mehr als 20 Jahren gibt es die Schulameisen - sie leben allerdings vom Engagement der Eltern.

Schulen in ganz Bayern suchen nach Lösungen

Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Städten und Gemeinden in Bayern. Um Elterntaxis einzudämmen, haben Grundschulen zum Beispiel in Erlangen, Bad Kissingen und Nittenau in der Oberpfalz Elternhaltestellen in der Nähe der Schulen eingerichtet. Dort können die Kinder in Ruhe aussteigen und das restliche Stück zu Fuß gehen. In Füssen ist ein Teil der Straße vor dem Schulzentrum von 7 bis 14 Uhr gesperrt. In München gibt es wie an der Grundschule Rotbuchenstraße die Kampagne "Laufbusse": Kinder gehen feste Routen gemeinsam zur Schule.

ADAC rät: Frühzeitig gemeinsam mit dem Kind den Schulweg üben

Sogar der ADAC, eigentlich Freund und Helfer der Autofahrer, appelliert an die Eltern, auf das Auto zu verzichten. "Wenn man unbedingt mit dem Auto fahren muss, dann sollte man in einer gewissen Entfernung zur Schule stehenbleiben", empfiehlt ADAC-Sprecher Alexander Kreipl. Sein Rat: "Vielleicht 300 bis 400 Meter entfernt parken, sich dann einen sicheren Platz zum Aussteigen suchen und das Kind auf der zur Straße abgewandten Seite aussteigen lassen, sodass es die letzten Meter dann zu Fuß gehen kann." Zum Schulstart stehen Mitarbeiter des ADAC auch an einigen Schulen und sprechen mit den Eltern.

Ein weiterer ADAC-Tipp für Eltern: die Kinder früh an den Straßenverkehr heranführen, indem sie gemeinsam den Schulweg üben und die Kinder dann selbstständig gehen lassen. Dabei ist ein sicherer Schulweg manchmal nicht unbedingt die kürzeste Strecke. Risikobewusstsein und Verständnis für den Straßenverkehr entwickeln die Kinder jedenfalls nicht, wenn sie von den Eltern regelmäßig mit dem Auto zur Schule gebracht werden, so der ADAC.

ADAC-Umfrage: Rund 20 Prozent der Kinder kommen mit Elterntaxis zur Schule

Laut einer im Frühjahr dieses Jahres bundesweit durchgeführten ADAC-Umfrage zur Schulwegsicherheit geht die Hälfte der Schulkinder fast immer zu Fuß in die Schule oder zur Haltestelle. Ein Viertel nutzt den Schulbus. Rund 20 Prozent werden mit dem Auto zur Schule gebracht. Von diesen Elterntaxis steuern 57 Prozent direkt das Schulgebäude an, so das Umfrage-Ergebnis. Die überwiegende Mehrheit der Eltern beurteilt Elterntaxis negativ, auch ein größerer Anteil der Eltern, die selbst regelmäßig als Elterntaxi unterwegs sind. Insgesamt sagen 59 Prozent der Eltern, dass durch Elterntaxis gefährliche Verkehrssituationen entstehen.

Laut Polizei wurden 2022 allein in München 87 Kinder auf ihrem Schulweg verletzt, drei davon schwer. Die meisten Schülerinnen und Schüler verunglückten mit dem Rad oder zu Fuß - drei Kinder als Insassen im Pkw.

ADAC Bayern: Immer mehr Elterntaxis in Stadt und Land

Auch in Bayern nehme das Elterntaxi-Problem zu, sagt ADAC-Sprecher Alexander Kreipl im BR24-Interview. Das sei aber regional sehr unterschiedlich. "Leider ist das so, dass immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto bis vor den Eingang der Schule fahren wollen." Ihnen sei gar nicht bewusst, dass sie zu einem Problem beitragen. "Sie wollen, dass die Kinder sicher zur Schule kommen. Aber je mehr Autos unterwegs sind vor der Schule, desto schlimmer wird es."

Grundschulleiterin: "Eltern über die Kinder erziehen!"

An der Münchner Grundschule Rotbuchenstraße wollen sie jedenfalls nicht aufgeben, für das Problem der Elterntaxis zu sensibilisieren. Die Kinder hatten sogar schon einmal selbst gebastelte Strafzettel verteilt. Anschließend wurden sie aber von autofahrenden Eltern dafür beschimpft, berichtet Schulleiterin Ulrike Winter. Die Aktion musste eingestellt werden, um die Kinder zu schützen. "Das ist einfach ein bisschen mühsam, aber wir versuchen, über die Kinder die Eltern zu erziehen."

Es müssen noch mehr Maßnahmen folgen, um den Autoverkehr zu reduzieren, so die Schulleiterin. Sie wünscht sich von der Stadt München, dass ein absolutes Halteverbot auf der gesamten Länge der Schule eingeführt wird. Am liebsten hätte Ulrike Winter zur morgendlichen Rushhour eine Straßensperrung. Denn es geht ihr um die Sicherheit der Kinder.

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