Markus Söder, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, spricht bei einem Pressestatement nach der Bundestagswahl
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Markus Söder, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, spricht bei einem Pressestatement nach der Bundestagswahl

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Schlappe für CSU in Bayern - und für Söder?

Die CSU historisch schwach, die SPD vor den Grünen: Die Bundestagswahl hat auch in Bayern bemerkenswerte Ergebnisse gebracht. Klar ist: Die Freien Wähler bleiben eine Regionalpartei. Aber was bedeutet das Resultat für CSU-Chef Söder? Eine Analyse.

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Bei der Bundestagswahl kommt die CSU in Bayern laut dem vorläufigen Ergebnis auf 31,7 Prozent. Damit liegen die Christsozialen deutlich hinter ihrem Ergebnis vor vier Jahren: Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die CSU bei den Zweitstimmen 38,8 Prozent erzielt. Der Wert dieses Mal ist das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949 (damals 29,2 Prozent).

Dafür haben die Christsozialen 45 der 46 Direktmandate im Freistaat gewonnen. Damit wäre die CSU problemlos in den Bundestag eingezogen, auch wenn sie auf Bundesebene die Fünf-Prozent-Hürde nicht übersprungen hätte. Am Ende reichte es für 5,2 Prozent.

Bayern: SPD vor Grünen, AfD und Linke verlieren

Die SPD erreicht im Freistaat 18 Prozent (+2,7). Die Grünen erzielen 14,1 Prozent (+4,3). Sie gewinnen im Wahlkreis München-Süd mit Jamila Schäfer erstmals ein Direktmandat im Freistaat. Die FDP liegt bei 10,5 Prozent (+0,3). Die AfD kommt bei der Bundestagswahl in Bayern auf 9 Prozent (-3,4), die Linken auf 2,8 Prozent (-3,3). Die Freien Wähler erreichen laut dem vorläufigen Ergebnis im Freistaat 7,5 Prozent (+4,8), auf Bundesebene liegen sie unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Das sind die reinen Zahlen - aber welche Folgen haben sie? Schon früh an diesem Wahlsonntag ist klar: Die CSU wird bei dieser Bundestagswahl in Bayern ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 verbuchen. Wenn der Parteivorstand an diesem Montag zusammenkommt, dann dürften intern klare Worte fallen über den ungeliebten Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dem Markus Söder einst einen "Schlafwagenwahlkampf" attestiert hatte. Nach wie vor ist man bei den Christsozialen überzeugt: Söder wäre der zugkräftigere Kandidat gewesen.

Wie laut die Kritik an der CDU wegen der Kandidatenwahl nach außen getragen wird, ist schwer abzusehen - und dürfte auch davon abhängen, wer letztlich den nächsten Kanzler stellt. Söder selbst zeigte sich am Sonntagabend erst einmal zurückhaltend. "Unrecht" sei Laschet im Wahlkampf getan worden, sagte der CSU-Chef in der "Berliner Runde" in der ARD. Und weiter: "Ich habe großen Respekt vor Armin Laschet."

Wahlergebnisse: Leise Kritik an Söders Kurs?

Allerdings: Wählerbefragungen zeigen auch, dass Söder selbst der Union geschadet haben könnte. Die Sticheleien gegen den Chef der Schwesterpartei seien kontraproduktiv gewesen, konstatieren die Unionswähler bei einer Erhebung von Infratest dimap. Vor allzu großer interner Kritik muss sich Söder trotzdem nicht fürchten, glaubt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

Allerdings dürften viele CSU-Mitglieder mit Enttäuschung registrieren, dass ihre Partei unter Söder zuletzt kaum mehr erfreuliche Ergebnisse eingefahren hat. Als die CSU bei der vergangenen Bundestagswahl 2017 mit 38,8 Prozent ein aus damaliger Sicht desaströses Resultat einfuhr, begann der Anfang vom Ende Horst Seehofers als Ministerpräsident in Bayern und danach auch als Parteichef. Derjenige, der den Sturz Seehofers damals forcierte, war Söder.

Stamm: CSU muss sich "ehrlich machen"

Doch nicht zuletzt die aktuelle Bundestagswahl zeigt: Es geht zahlenmäßig weiter bergab mit der CSU. Man dürfe sich "nicht zerfleischen", müsse sich nun aber "ehrlich" machen - das fordert mit Barbara Stamm eine Frau, die die guten Zeiten der CSU miterlebt und mitgestaltet hat. Im BR-Fernsehen sagte die langjährige Landtagspräsidentin, man müsse sich fragen, warum die Bindung und die Treue der Anhänger abgenommen habe. Die frühere Sozialministerin Stamm kritisierte auch fehlende Inhalte und "Antworten, etwa bei der Pflege".

Kritik an Söders Kurs kam auch von einigen Delegierten beim jüngsten Parteitag. Hinter vorgehaltener Hand berichteten sie von Parteiaustritten langjähriger Mitglieder, denen die Corona-Politik Söders zu streng, die Ausrichtung der Partei zu grün und Söders Kurs zu "modern" sei. Laut Politikwissenschaftlerin Münch geht es bei der politischen Ausrichtung der CSU nun darum, ob die Union Teil der nächsten Bundesregierung sein wird - oder sich aus der Opposition heraus auf die Landtagswahl in zwei Jahren vorbereiten kann. Im letzteren Fall, so Münchs Vermutung, könnte sich die Partei womöglich stärker profilieren.

Freie Wähler: Sündenbock für Söder?

Bei den Freien Wählern könnte intern nun wieder etwas mehr Ruhe einkehren. Denn klar ist: Hubert Aiwanger bleibt in München im Kabinett - und kann sich wieder konzentrieren auf seine Aufgaben als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Seine Berlin-Ambitionen sind erst einmal geplatzt, die Fünf-Prozent-Hürde haben die Freien Wähler bundesweit klar gerissen. Ohne Wahlkampf wird sich Aiwanger vermutlich erst einmal nicht mehr in dem Maße profilieren müssen wie zuletzt - etwa als Impfskeptiker oder als Gegner der Corona-"Bundesnotbremse", gegen die die Freien Wähler vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Positionen übrigens, die nicht unbedingt alle Mandatsträger oder Anhänger der Freien Wähler teilten.

Innerhalb der bayerischen Regierungskoalition könnte es dennoch unbequem werden für Aiwanger. Die Stimmung ist nicht gut zwischen dem Freie-Wähler-Chef und Söder - etwa wegen der Querschüsse in der Corona-Politik. Und am Sonntagabend machte der CSU-Chef explizit die Freien Wähler dafür verantwortlich, auf Grund ihrer bundespolitischen Ambitionen das bürgerliche Lager auf Bundesebene geschwächt zu haben. Das sei ein "schwerer Fehler gewesen", sagte Söder. "Wir haben erlebt, dass die Regierungsarbeit ein bisschen gelitten hat", erklärte er im BR Fernsehen mit Blick auf die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern.

Ein Nachspiel könnte für Aiwanger auch ein Beitrag auf Twitter haben, den er am Wahlnachmittag absetzte - mit Prognosen und einem Aufruf, nun das Kreuz noch bei den Freien Wählern zu machen. Eine Ordnungswidrigkeit, bei der Aiwanger eine Geldstrafe bis zu 50.000 Euro droht.

Noch am Wahlabend hat CSU-Chef Söder harsche Kritik an den Freien Wählern geübt - sie hätten das bürgerliche Lager geschwächt.
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Noch am Wahlabend hat CSU-Chef Söder harsche Kritik an den Freien Wählern geübt - sie hätten das bürgerliche Lager geschwächt.

Grüne: Regierungswille ist da

Bayerns Grüne gehen wiederum mit breiter Brust in die nächsten zwei Jahre vor der Landtagswahl. Im Bundestag verdoppeln die bayerischen Grünen die Zahl ihrer Abgeordneten voraussichtlich - dazu kommt der erstmalige Gewinn eines Direktmandats bei einer Bundestagswahl in Bayern, im Münchner Süden.

Die Erfolgsaussichten der Grünen bei den nächsten Landtagswahlen dürften auch davon abhängen, inwieweit die Bekämpfung des Klimawandels weiterhin gesellschaftliches Top-Thema bleibt. Denn hier sprechen die Wähler den Grünen nach wie vor die größte Kompetenz zu. Sollten die Grünen gemeinsam mit SPD und FDP eine Bundesregierung bilden, spekulieren auch die Grünen auf den positiven Effekt, dass die Menschen im Freistaat wahrnehmen, dass nicht nur die CSU in der Lage ist, die Interessen Bayerns im Bund zu vertreten. Allerdings: Sollten die Grünen an ihren eigenen Ansprüchen einer klimafreundlichen Politik scheitern, dürfte das der Partei in Bayern bei der anstehenden Landtagswahl eher schaden.

SPD: Wo stehen die bayerischen Genossen ohne Scholz

Die Bayern-SPD hat mit ihrem Ergebnis im Freistaat wieder Selbstbewusstsein getankt. Schon vergangene Woche bei der Landtagsfraktionsklausur war das nach den ähnlich guten Umfrageergebnissen zu spüren. Fraktions- und Landeschef Florian von Brunn sprach halb ernst, halb im Scherz davon, auch in Bayern täte der CSU eine Auszeit in der Opposition gut, "um sich zu regenerieren".

Von Brunn dachte auch laut darüber nach, bereits kommendes Jahr im Sommer einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2023 zu nominieren. Eine Analogie zur Strategie der Bundes-SPD, die bereits ein Jahr vor der Bundestagswahl und deutlich vor den anderen Parteien mit Olaf Scholz ihren Kanzlerkandidaten präsentierte. Allerdings ist der Bayern-SPD auch bewusst, dass Scholz bei dieser Wahl eben das Zugpferd war und es ihm gelungen ist, seine Popularitätswerte auf die Partei zu übertragen. Ein Effekt, auf den die SPD bei einer bayerischen Landtagswahl kaum setzen kann: Ein Zugpferd analog zu Scholz im Bund hat die Bayern-SPD bislang nicht.

FDP: Bayern bleibt schwieriges Terrain für die Liberalen

Viele Schlüsse ziehen lassen sich für die Liberalen in Bayern aus dem Wahlergebnis nicht. Denn die FDP profitiert den Wählerbefragungen zufolge auch von der Schwäche der Union. Und die, so sind sich Wahlbeobachter einig, resultiert zu einem großen Teil aus der schwachen Performance des Unions-Kanzlerkandidaten. Der Abwärtstrend der Union ist also nicht eins zu eins zu übertragen auf die CSU bei einer Landtagswahl.

Daher lassen sich die Chancen der FDP nicht wirklich von dem heutigen Ergebnis ableiten. Zumal es in Bayern mit den Freien Wählern noch eine ernstzunehmende Konkurrenz im eher konservativen Lager gibt, wenn es darum geht, Stimmen von unzufriedenen CSU-Anhängern einzuheimsen. Mut dürfte den Liberalen der Zuspruch von jungen Wählern machen: Bei den Erstwählern liegen die Liberalen bei der Bundestagswahl dieses Mal auf Platz eins. Nicht zuletzt angesichts dieser Wählergruppe dürften die Liberalen auch in Bayern weiter auf die Themen Digitalisierung und Bildung setzen.

AfD: Wählerpotenzial im Freistaat ausgeschöpft?

Bei der AfD hat sich bei dieser Bundestagswahl auch mit Blick auf die bayerischen Zahlen gezeigt: Es gibt ein Wählerpotenzial um die zehn Prozent - nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. AfD-Landeschefin Corinna Miazga hatte bei BR24 von einem Potenzial von 20 Prozent gesprochen, die AfD bleibt also deutlich hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.

Schwerpunkt des Wählerinteresses an der AfD ist weiterhin das Thema Zuwanderung. Auf eine restriktive Migrationspolitik dürfte die AfD in Bayern also weiter setzen. Wie stark - das hängt davon ab, ob und welcher Flügel sich durchsetzen kann. Momentan sowohl die Fraktion als auch der Landesverband intern jedenfalls tief zerstritten. Die internen Querelen hatten bereits am Wahlabend Folgen. Der stellvertretende AfD-Landeschef Hansjörg Müller machte seinen Rücktritt publik und attackierte die Landesvorsitzende Miazga sowie deren Unterstützer direkt. "Hinterzimmerabsprachen und persönliche Beleidigungen ziehen sich durch die Vorstandssitzungen", sagte Müller. Frustriert dürfte auch der bayerische AfD-Spitzenkandidat Peter Böhringer sein. Er wird wohl den Vorsitz im wichtigen Haushaltsausschuss verlieren, da da AfD nicht mehr stärkste Oppositionspartei sein dürfte.

Wahl 2021 – Das sagt die bayerische Politik:

BR24 Wahl - die Diskussion mit Bayerns Spitzenpolitiker im BR Fernsehen
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