Einsatzkräfte bei der Groß-Razzia in Mittelfranken.
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Ansbacher gehört offenbar zu Führungsriege

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Reichsbürger-Razzia: Sechs Bayern festgenommen

Bei einer bundesweiten Groß-Razzia gegen die sogenannte Reichsbürgerszene wurden sechs Bayern festgenommen - vier davon in Franken. Einer dieser Männer gehört nach BR-Recherchen offenbar zur Führungsriege der rechtsextremen Terrorgruppe.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bei einer bundesweiten Razzia wurden am Mittwoch 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Sie sollen einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben und aus der Reichsbürger- sowie der rechtsextremen QAnon-Szene stammen.

In Ansbach Festgenommener offenbar Teil der Führungsriege

Nach BR-Recherchen gehört ein Mann, der am Mittwochmorgen im Landkreis Ansbach festgenommen wurde, offenbar zur Führungsriege der rechtsextremen Terrorgruppe. Den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zufolge war Thomas T. die rechte Hand des mutmaßlichen Anführers. Nach dem geplanten gewaltsamen Umsturz sollte er demnach die Rolle des persönlichen Referenten übernehmen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass T. maßgeblich damit beschäftigt war, verwaltungsähnliche Strukturen aufzubauen, Schießtrainings zu organisieren und neue Mitglieder zu rekrutieren.

Mutmaßliches Mitglied des militärischen Arms bei Schweinfurt festgenommen

Ein Mann aus dem Landkreis Schweinfurt wurde festgenommen, der nach BR-Informationen ein Mitglied des militärischen Arms der Vereinigung gewesen sein soll. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, unter anderem für die Bewaffnung der Gruppe zuständig gewesen zu sein. Außerdem soll er mitgeholfen haben, Schießübungen abzuhalten und eine abhörsicherere Kommunikationsstruktur aufzubauen. Medienberichten zufolge handelt es sich um einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten.

Kasernen ausgespäht für eigene Truppen

Die Gruppe plante den Ermittlungen zufolge sogenannte Heimatschutzkompanien. Auch in diese Vorbereitungen soll der Mann aus Unterfranken involviert gewesen sein. Der militärische Arm der Gruppe soll mehrere Kasernen in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg ausgekundschaftet haben. Dort sollten wohl die eigenen Truppen nach dem Putsch der Bundesregierung untergebracht werden.

Polizei durchsucht Anwesen im Landkreis Freyung-Grafenau

Einen größeren Polizeieinsatz gab es auch in Eppenschlag im Landkreis Freyung-Grafenau. Dort wurde am Morgen ein Anwesen durchsucht. Im Zentrum der Ermittler stand ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, der in der Reichsbürger-Szene bekannt ist. Festgenommen wurde Maximilian E. allerdings nicht in seinem Haus, sondern nach BR-Informationen im Ausland.

Bürgermeister Peter Schmid (CSU) sprach von einem riesigen Polizeiaufgebot: "Für den 1.000-Einwohner-Ort ist das natürlich ein riesiger Aufruhr, wenn da 20 Polizeieinsatzwagen kommen und das Haus mit Einsatzkräften umstellt wird." Das Gebäude sei dann gestürmt und von oben bis unten durchsucht worden. Dass die Zielperson nicht zuhause gewesen sei, sei vorher klar gewesen.

Ex-Bundeswehrsoldat befand sich im Ausland

Der Gemeindechef beschreibt Maximilian E. als hochintelligenten Mann, der seine Intelligenz allerdings gegen den Rechtsstaat einsetze. Im Ort sei der Mann als eher zurückhaltend bekannt. Es habe schon Vorfälle mit Waffen gegeben, so Schmid, mit der Bevölkerung im Ort habe es aber keine Probleme gegeben. Ähnliches schildern Nachbarn des Festgenommenen. Sie berichten auch davon, dass immer wieder mal Autos "mit den verschiedensten Kennzeichen" vor dem Haus standen. Zuhause sei Maximilian E. schon länger nicht mehr angetroffen worden.

Generalbundesanwalt: Festgenommene wollten "neue deutsche Armee aufbauen"

Unter den bundesweit 25 Festgenommenen sind die bis dahin als Richterin tätige und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Als einer der Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen.

Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung vor. Sie hingen Verschwörungsmythen an, erklärte Generalbundesanwalt Peter Frank. Das Netzwerk sei wie ein Rat, ähnlich dem Kabinett eines Staates, aufgebaut gewesen. Auch einen militärischen Arm habe es gegeben. Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ein weiterer Plan sei den Ermittlungen zufolge gewesen, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen.

Am Abend bestätigte die Bundesanwaltschaft, dass 19 der 25 am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen in Untersuchungshaft sind. In den 19 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Abend mit. Damit seien die Vorführungen für Mittwoch abgeschlossen. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden.

Video: Generalbundesanwalt Frank zu Festnahmen:

Generalbundesanwalt zu Razzien bei Reichsbürgern: Festgenommene wollten "neue deutsche Armee aufbauen"
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Generalbundesanwalt zu Razzien bei Reichsbürgern: Festgenommene wollten "neue deutsche Armee aufbauen".

Insgesamt sechs Personen aus Bayern

Insgesamt wurden sechs Bayern festgenommen, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch im Innenausschuss des Landtags mit, zwei von ihnen im Ausland. Zwei der im Freistaat Festgenommenen gehörten nach Auffassung der Ermittler zum "Führungsstab" eines "militärischen Arms" der Gruppe.

Laut Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es Festnahmen in den Landkreisen Forchheim, Schweinfurt, Ansbach und Bayreuth, im Ausland waren Perugia in Italien und Kitzbühel in Österreich betroffen.

Durchsuchungen in über 20 bayerischen Städten und Landkreisen

Bei der Großrazzia sind nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen 26 Objekte von 15 Besitzern in allen bayerischen Regierungsbezirken durchsucht worden - unter anderem in München, Augsburg, Regensburg, im Raum Nürnberg und im Landkreis Miesbach. Im Einsatz waren laut Innenminister Herrmann in Bayern Einsatzkräfte im "mittleren dreistelligen Bereich", darunter auch Spezialeinheiten. Bundesweit waren 3.000 Polizeibeamte im Einsatz.

Es handele sich um eine extrem wichtige und eine der größten Aktionen des Rechtsstaates und sei ein wichtiges Zeichen für die Demokratie, betonte Herrmann. Es sei ein "gutes Zeichen", dass die Behörden rechtzeitig darauf aufmerksam wurden. Die Festgenommenen sollen Mittwoch oder Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Video: Innenminister Joachim Herrmann: "Großer Erfolg für den Rechtsstaat":

Innenminister Joachim Herrmann: "Großer Erfolg für den Rechtsstaat"
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Innenminister Joachim Herrmann: "Großer Erfolg für den Rechtsstaat"

Extremismusbekämpferin: Reichsbürger auch in bayerischen Sicherheitsbehörden

Die Leiterin der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE), Daniela Marckmann, räumt ein, dass es in bayerischen Sicherheitsbehörden auch Reichsbürger gibt. Im Interview mit BR24 betonte sie aber, dass Staatsbedienstete wie Soldaten, Polizisten oder Richter keine höhere Affinität zur Ideologie hätten als andere Bevölkerungsgruppen.

Laut Marckmann zählt die Behörde in Bayern circa 4.600 Personen, die dem Reichsbürger-Spektrum zugeordnet werden, davon seien zehn Prozent ein "harter Kern", der stark im Internet aktiv sei. Regionale Schwerpunkte sehe man in Oberbayern, Mittelfranken und Unterfranken, insgesamt aber lebten Reichsbürger gleichmäßig im Freistaat verteilt.

Problem der Bewaffnung von Extremisten

Die Gefahr der Gruppierung ist Marckmanns Meinung nach weniger ein Umsturz des Staates. Aber im Visier der Reichsbürger seien häufig Kommunalpolitiker. Die Bewaffnung einiger Reichsbürger sei nach wie vor hochproblematisch. Extremisten sollten generell nicht über legale Waffen verfügen, so Marckmann. "Für die Behörden ist es eine Herausforderung festzustellen, a) wer ein Extremist und Reichsbürger ist und b) wer über Waffen verfügt und wie man diese ihm entziehen kann." Mit Blick auf die am Mittwoch festgenommenen Ex-Soldaten und Polizisten sagt sie: "Wer an Waffen ausgebildet wurde und sich auskennt, der ist natürlich eher bereit, diese womöglich auch zu nutzen, wenn er für sich die Notwendigkeit erkennt."

Was heißt "Reichsbürger"?

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Häufig stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

Bei etwa fünf Prozent von ihnen, also rund 1.150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene "Reichsbürger und Selbstverwalter" 1.011 extremistische Straftaten zu.

Bei einer Razzia im Jahr 2016 hatte ein sogenannter Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd auf vier Polizisten geschossen. Einer von ihnen erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

Mit Informationen der dpa

Symbolbild: Polizeiuniform
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Bei einer Großrazzia gegen die sogenannte Reichsbürgerszene wurden sechs Personen aus Bayern festgenommen.

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