Reichsbuerger-Pass, Nummernschild und Waffe (Symbolfoto)
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Reichsbürger-Pass, Nummernschild und Waffe (Symbolfoto)

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Die Ideologie der Reichsbürger: Radikal gegen den Staat

Weil sie die Bundesrepublik nicht anerkennen, bilden sie eigene "Staaten", die sie nach außen abschotten. Die Reichsbürger vertreten eine Ideologie, die auf die Abschaffung der freiheitlichen Demokratie zielt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Reichsbürger halten die Bundesrepublik Deutschland für illegitim, erkennen ihre Verfassung nicht an und schrecken dabei vor terroristischer Gewalt gegen Repräsentanten des Staates nicht zurück. Diese extreme Staatsfeindlichkeit ist Kern radikal rechtspopulistischen Denkens. Die Ideologie richtet sich gegen allgemeingültige Werte, die sie allenfalls der "eigenen" Gruppe zumisst, dem Volk, der Nation, denen, die aus ihrer Sicht als deutsch gelten.

Angriff auf den demokratischen Verfassungsstaat

Reichsbürger agitieren nicht gegen den Staat an sich, sondern ausschließlich gegen den demokratischen Verfassungsstaat. Er vertritt aus ihrer Sicht gegnerische Werte. Reichbürger lehnen insbesondere den Gedanken der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen und das Prinzip der Menschenrechte ab. Diese Werte greifen sie als Bevormundung durch den Staat an und fordern "Freiheit" – aber eben nur für Gleichgesinnte, nicht für alle Menschen.

Der demokratische Staat ist Bewahrer dieser Werte, die auch in der Verfassung der Bundesrepublik, dem Grundgesetz, verankert sind. Reichsbürger bestreiten deshalb die Legitimität des Grundgesetzes. Fakt ist jedoch: Das Grundgesetz war zwar bis zu seiner Verabschiedung 1949 als Provisorium gedacht – deshalb bekam es auch seinen Namen. Es trat aber als Verfassung in Kraft. Eine Verfassung beschreibt den Aufbau eines Staates, definiert sein Staatsgebiet und legt fest, welche Rechte und Pflichten der Staat gegenüber seinen Bürgern hat - und umgekehrt. Das alles tut das deutsche Grundgesetz.

Behauptung der Reichsbürger: Die Bundesrepublik ist illegitim

Die Argumente, mit denen die Reichsbürger gegen die Bundesrepublik vorgehen, sind vielfältig. Sie behaupten zum Beispiel, die Bundesrepublik sei gar kein Staat. Fakt ist jedoch: Der juristischen Definition nach ist ein Staat dann ein Staat, wenn er über drei Dinge verfügt: 1. ein Staatsgebiet, 2. eine auf diesem Gebiet lebende Gruppe von Menschen und 3. eine auf diesem Gebiet herrschende Staatsgewalt. Manche zählen noch die Existenz einer Verfassung als Bedingung für einen Staat hinzu. Im Falle der Bundesrepublik ist das egal, sie erfüllt alle diese Kriterien.

Dennoch argumentieren Reichsbürger, die Bundesrepublik sei gar nicht souverän. Fakt ist jedoch auch: Mit Verabschiedung des 2+4-Vertrags 1990 besitzt Deutschland die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten. Der Vertrag legt fest, dass die Besatzungsmächte endgültig ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes verlieren.

Die Bundesrepublik – ein Produkt der Feinde?

Jedoch bestreiten Reichsbürger, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg einen Friedensvertrag mit Deutschland gegeben hat. Die Bundesrepublik befände sich also quasi noch im Krieg. Nach 1945 gab es tatsächlich keinen Friedensvertrag. Das lag vor allem daran, dass der Ost-West-Konflikt eine solches Ankommen überlagerte. Erst nach dem Ende des Kalten Kriegs änderte sich die Situation grundlegend. Der im Jahr 1990 unterzeichnete 2+4-Vertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik (2) auf der einen und den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion (4) auf der anderen Seite gilt als Friedensvertrag. Die Bedingungen für Frieden zwischen Deutschland und den Siegermächten waren allerdings schon lange vorher erfüllt.

Reichbürger behaupten, deutsche Staatsbürger seien weiterhin Reichsbürger, weil die Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik nicht geregelt sei und deshalb das entsprechende Gesetz von 1913 weitergelte. Fakt ist: Bei der Staatsangehörigkeit wird tatsächlich auf ein Gesetz aus der Kaiserzeit zurückgegriffen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch klargestellt, dass die damals festgelegte deutsche Staatsangehörigkeit identisch ist mit der Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik. Das Gesetz ist heute ein Gesetz der Bundesrepublik und nicht des Deutschen Reiches. Das wird schon allein dadurch deutlich, dass das Gesetz vom Bundestag mehrfach geändert wurde.

Das Deutsche Reich existiert eben nicht, wie Reichsbürger behaupten, in den Grenzen von 1937 fort – die Bundesrepublik sie deshalb illegal, ihre Gesetze hätten keine Gültigkeit. In der Tat hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, dass das Deutsches Reich nicht untergegangen und die Bundesrepublik Deutschland mit ihm als identisch ist. Das betrifft allerdings nur den rechtlichen Aspekt beider Staaten als Völkerrechtssubjekt. Trotz dieser juristischen Identität haben sich die Staatsform und die Verfassung der Bundesrepublik mit dem Grundgesetz aber so grundlegend geändert, dass sie mit dem untergegangenen Reich nichts mehr gemein hat. In der Bundesrepublik Deutschland herrscht seit 1949 eine parlamentarische Demokratie – zu der sie auch legitimiert ist.

Die Personalausweis-Verschwörung

Schließlich schwimmen Reichsbürger mit der verbreiteten Verschwörungserzählung, der freiheitlich-demokratische Staat werde von "Eliten" gesteuert, hinter denen wiederum dunkle Mächte stünden, die nur eines im Schilde führten: die Zerstörung von "Volk" und "Nation". So nehmen Reichsbürger die Formulierung "Personal"-Ausweis gern als versteckten Hinweis, dass die Deutschen keine Bürger, sondern nur "Personal" einer BRD GmbH seien.

Dies ist die hanebüchenste Behauptung im Reichsbürger-Universum. Man kann den Gründungsvätern der Republik und dem Bundestag mit Recht vorwerfen, dass sie an einigen Stellen im Grundgesetz und auch bei der Schaffung des Personalausweises eine unklare oder missverständliche Sprache verwendet haben. Wenn es sich bei der BRD jedoch wirklich um eine großangelegte Verschwörung handeln würde, dann wäre es doch sagenhaft ungeschickt, die Verschwörung den Bürgern mit der Formulierung "Personalausweis" auf die Nase zu binden.

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