Der Münchner Wohnungsmarkt ist angespannt, das zeigen auch die Ergebnisse einer Bürgerrecherche #wemgehört von BR und Correctiv.
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Der Münchner Wohnungsmarkt ist angespannt, das zeigen auch die Ergebnisse einer Bürgerrecherche #wemgehört von BR und Correctiv.

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Preisanstieg und Verdrängung auf dem Münchner Wohnungsmarkt

Der Münchner Wohnungsmarkt ist angespannt, das zeigen auch die Ergebnisse der Bürgerrecherche "Wem gehört die Stadt?" von BR und Correctiv. Eines der Probleme: fehlende Transparenz. Über das Ausmaß der Wohnraum-Spekulation weiß die Stadt nur wenig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bernadette Repplinger war 40 Jahre lang Münchnerin. Sie kam 1976 als junge Frau in die Stadt, um Theaterwissenschaft und Psychologie zu studieren. Jetzt musste sie ihre Stadt verlassen, denn sie konnte sich die Miete für ihre Wohnung nicht mehr leisten. Seit Beginn des Jahres ist sie Rentnerin und kann die 800 Euro für ihre 43-Quadratmeter-Wohnung nicht mehr stemmen: "Ich bekomme etwas über 660 Euro Rente, damit kommt man in München nicht weit."

Nun ist sie in ihre alte Heimat nach Würzburg zu ihrer Schwester gezogen. Sie vermisst München, andererseits gefällt ihr Würzburg immer besser. Es sei beschaulich und viel grüner, sagt sie.

Zuschriften von Mietern und Vermietern

Diese und andere Geschichten erreichten den BR im Rahmen der Aktion "Wem gehört die Stadt?" Ab Mitte Januar waren Bürgerinnen und Bürger aus Augsburg, München und Würzburg sechs Wochen lang aufgerufen, sich an der Recherche zum Wohnungsmarkt zu beteiligen. Es schrieben Menschen, die von ihren Sorgen erzählten und ihrer Angst, das eigene Zuhause zu verlieren, von Zwangsversteigerung, Wohnungsräumung und hohen Mietsteigerungen. Aber auch etliche Vermieter meldeten sich: Sie beklagten sich über Mietnomaden, die strengen gesetzlichen Vorgaben einer Modernisierung oder eine zu hohe Erbschaftssteuer, die es ihnen unmöglich mache, Häuser an Nachkommen zu vererben.

Über die Internet-Plattform des BR-Kooperationspartners Correctiv, den CrowdNewsroom, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Angaben zu ihrem Wohnverhältnis machen, Belege wie ihren Mietvertrag hochladen, aber auch ihre persönliche Geschichte erzählen. Fast 1.000 Bürgerinnen und Bürger aus München haben mitgemacht.

Anteil der Privatvermieter hoch

Das eingesendete Datenmaterial ermöglicht keine repräsentative Studie, dennoch gibt es einen wertvollen Einblick in die Wohnverhältnisse der Münchnerinnen und Münchner und deren Blick auf ihre Stadt.

Ein Bild, das sich aus den gespendeten Daten ergibt, spiegelt sich auch in der offiziellen Statistik wider: München ist eine Stadt der privaten Vermieter. Bei mehr als der Hälfte der Einträge, die BR und Correctiv erreicht haben, sind als Eigentümer private Vermieter angegeben. Auch laut Mikrozensus, einer jährlich erhobenen repräsentativen Stichprobe des Statistischen Bundesamtes, sind Privatpersonen die größte Vermietergruppe. Das ist in vielen deutschen Städten so – mit einer Ausnahme: In Berlin machen Privatvermieter einen deutlich kleineren Anteil aus.

Genossenschaftliches Modell ausbaufähig

Die Stadt München besitzt nach eigenen Angaben rund 70.000 Wohneinheiten, der Großteil davon gehört zum Bestand der beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG.

Genossenschaftliches Wohnen ist in München weniger stark verbreitet als beispielsweise in Hamburg. Laut der Stadt gibt es in München derzeit über 40.000 Genossenschaftswohnungen. Hamburg macht vor, dass es auch anders geht: Dort sind es laut Angaben des Wohnungsbaugenossenschafts-Vereins deutlich mehr als 100.000 Wohnungen.

💡 Wer sind die größten Vermieter in München?

Größte Vermieter in München sind die beiden städtischen Wohnbaugesellschaften GWG und GEWOFAG mit zusammen über 64.000 Wohnungen. Größter privatwirtschaftlicher Vermieter ist die WSB Bayern mit über 13.000 Wohnungen, gefolgt von Dawonia (6.600) und Vonovia (5.400). Auch die katholische Kirche (5.700) und der Freistaat Bayern (5.100) gehören zu den großen Vermietern. (Quellen: Stadt München, Verband der Wohnungswirtschaft Bayern, WSB Bayern, Dawonia, Vonovia, Diözese München, Freistaat Bayern)

Wie viele Wohnimmobilien genau im Besitz von kleinen und mittelständischen oder börsennotierten Unternehmen sind, lässt sich nicht recherchieren, auch die Stadt München weiß es nicht. In der Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Grünen - Rosa Liste vom vergangenen November heißt es: "Der Landeshauptstadt München liegen hierzu keine weiterführenden Informationen vor".

Auch zu weiteren Eigentumsverhältnissen, z.B. wie viele Wohnungen im Besitz von Immobilienfonds sind, kann die Stadt keine Angaben machen.

Kaum Informationen zum Immobilienmarkt

Ratlos sind auch einige Mieter, die ihre Daten für die Bürgerrecherche gespendet haben. Sie wissen gar nicht, auf wessen Konto am Ende ihre Miete landet. Manchmal verbergen sich die Eigentümer hinter ausländischen Firmen oder schwer verständlichen Abkürzungen wie Karo 1, BGP Resi, Babosch oder JP Residential aus Luxemburg. Weitere Firmen sitzen im US-Bundesstaat Delaware oder anderen Steuerparadiesen.

Je weniger Wohnungen in der Hand von Privatpersonen, Genossenschaften oder der öffentlichen Hand sind, umso größer ist der Markt für Spekulation mit Wohnraum. Gerade in München treiben spekulative Geschäfte die Preise nach oben. Das zeigen beispielhaft BR-Recherchen zu einem Mietshaus in Schwabing. 2017 kam es für rund sechs Millionen Euro auf den Markt. Nun soll es für 28 Millionen weiterverkauft werden. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, SPD, kritisiert: "Es bräuchte eine Gesetzgebung, die es Spekulanten nicht mehr so leicht macht, tatsächlich einfach nur darauf zu setzen, dass in München alles immer teurer wird und dass sie die Miete ins Unermessliche erhöhen können." Transparenz sei der erste Schritt für wirksamen Mieterschutz, so Reiter.

Spekulation auf dem Rücken der Mieter

Tatsächlich bleiben manche Vorgänge selbst für die Stadt im Dunkeln. Das zeigt eine weitere Recherche zu einem Mietshaus in Schwabing, in dem eine gemeinnützige Organisation seit vielen Jahren psychisch kranke Menschen betreut. Das Haus wurde Anfang des Jahres verkauft. Die Stadt hatte eigentlich ein Vorkaufsrecht, doch der Preis war ihr zu hoch. Er war in die Höhe getrieben worden – durch einen sogenannten Share-Deal im Vorfeld, von dem die Stadt keine Kenntnis hatte. Bei einem Share-Deal kaufen Investoren nicht die Immobilie, sondern Anteile an der Firma, der das Haus gehört.

Die Investoren haben davon einen mehrfachen Vorteil: Sie müssen keine Grunderwerbssteuer zahlen, und die Stadt erfährt von dem Geschäft nichts, denn es muss nicht im Grundbuch verzeichnet werden. Außerdem hebeln Share-Deals das Vorkaufsrecht der Stadt aus. Für die Bewohner bedeutet das: Sie müssen Ende des Jahres ausziehen.

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