Die Bürgerrecherche von BR und Correctiv zeigt: Von der Intransparenz auf dem Immobilienmarkt profitieren Spekulanten.
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Die Bürgerrecherche von BR und Correctiv zeigt: Von der Intransparenz auf dem Immobilienmarkt profitieren Spekulanten.

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Wem gehört die Stadt? Intransparenz treibt Immobilienpreise

Die Bürgerrecherche von BR und Correctiv zeigt: Viele Mieterinnen und Mieter kennen ihre Hauseigentümer nicht. Auch die Städte Augsburg, München und Würzburg wissen wenig über Eigentümerstrukturen. Intransparenz begünstigt Spekulation.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mehr als 1.500 Zuschriften: Die Bürgerrecherche des Bayerischen Rundfunks und des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv hat einen Nerv getroffen. Was konnte die Aktion über den Immobilienmarkt in München, Augsburg und Würzburg an Erkenntnissen liefern? Einerseits: eine Menge. Andererseits: erschreckend wenig.

Intransparenz als Ursache vieler Probleme

Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist intransparent. In anderen Ländern wie Großbritannien ist es üblich, dass Eigentumsverhältnisse öffentlich einsehbar sind. Bürgerinnen und Bürger können sich informieren, und die Politik hat ein umfassendes Bild davon, was vor Ort passiert. Nicht so in Deutschland.

Um mehr über die großen Akteure auf dem Wohnungsmarkt und die Gründe für starke Preissteigerungen herauszufinden, startete im Januar die Bürgerrecherche. Viele Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich über die Onlineplattform CrowdNewsroom von Correctiv an der Aktion. Sie berichteten von ihren Sorgen, das eigene Zuhause zu verlieren, oder der verzweifelten Suche nach einer Wohnung. Auch zahlreiche Eigentümer machten mit und trugen ihre Immobilie ein. Sie schilderten Probleme mit säumigen Mietern oder ihre Sorge, wegen der hohen Erbschaftssteuer ein Haus nicht halten zu können und an einen Investor verkaufen zu müssen.

Viele Privatvermieter in Augsburg, München und Würzburg

Ein großer Teil der Wohnungen in Augsburg, München und Würzburg wird von Privatleuten vermietet. Ein Bild, das sich aus den gespendeten Daten ergibt: Bei rund 60 Prozent werden Privatpersonen als Vermieter genannt.

Der Anteil von Genossenschaftswohnungen ist nach BR-Recherchen in Würzburg mit rund zehn Prozent doppelt so hoch wie in den anderen beiden Städten. Bei Wohnungen in öffentlicher Hand liegt München mit zehn Prozent deutlich vor Augsburg und Würzburg. Rund 70.000 Wohnungen gehören in München der Stadt. Den Marktanteil der Immobilienunternehmen prägen in allen drei Städten mittelständische Firmen. Börsennotierte Konzerne wie Vonovia sind vergleichsweise gering vertreten.

Städte kennen Eigentümer nicht

Wie viele Wohnimmobilien genau im Besitz von kleinen und mittelständischen oder börsennotierten Unternehmen sind, lässt sich nicht recherchieren, auch die Städte wissen es nicht. Die Stadt Würzburg teilt auf eine Anfrage des BR mit, dass sie den Anteil der Privateigentümer und Unternehmen am Wohnungsmarkt nicht genau kenne. Das Finanz-und Baureferat der Stadt Augsburg antwortet auf die Frage, wie viele Wohneinheiten in Augsburg aktuell in öffentlicher Hand sind, mit "nicht bekannt". Und auch die Stadt München kommt in Erklärungsnot: Sie kann auf Anfrage nur die Zahl der Wohneinheiten in städtischer Hand nennen.

Undurchschaubare Eigentumsverhältnisse begünstigen Spekulation

Die Datenspenden zeigen auch, dass die Mieterinnen und Mieter oftmals daran scheitern, mit Hauseigentümern in Kontakt zu treten. Der Grund: Sie wissen nicht, wer eigentlich das Haus besitzt, in dem sie leben bzw. wer genau sich hinter Firmennamen aus Abkürzungen und Ziffern wie Karo 1 oder BGP Resi 6 verbirgt. Oder das Unternehmen, das die Wohnung vermietet, hat seinen Sitz in Luxemburg oder im US-Bundesstaat Delaware, ein bekanntes Steuerparadies. Eine Kontaktaufnahme ist dann oft schwer möglich.

Teilnehmer der Bürgerrecherche berichteten auch davon, dass die Gebäude, in denen sie leben, innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Eigentümer wechselten. BR-Recherchen ergaben, dass das zumeist mit einer deutlichen Wertsteigerung der Immobilie einherging. So zum Beispiel bei einem Mietshaus in München Schwabing. 2017 kam es für rund sechs Millionen Euro auf den Markt. Nun soll es für 28 Millionen weiterverkauft werden. Wer von solchen spekulativen Geschäften profitiert, ist bei Verkäufen zwischen Unternehmen schwer nachzuvollziehen. Hinter den Akteuren stecken oft verschachtelte Firmenkonstruktionen.

Mietervereine fordern mehr Transparenz

Volker Rastätter vom Münchner Mieterverein fordert deshalb ein öffentlich einsehbares Grundbuch: "Wenn wir wissen, wie was wo finanziert wird, wenn man die Ströme erkennen kann, dann kann man den Spekulanten zumindest mal nachgehen, so wie der BR das jetzt mit sehr langen Recherchen machen muss." Deutschland sei, was das angehe, sehr weit im Rückstand. "Wir sollten uns da an anderen EU-Ländern ein Beispiel nehmen und auch das Grundbuch öffentlich machen", fordert Rastätter.

Eigentümerverbände sind zurückhaltend

Die Geschäftsführerin der Augsburger Vermieter- und Eigentümervereinigung Haus & Grund, Gabriele Seidenspinner, hält davon nichts. Der Deutsche sei von seiner Mentalität her anders gestrickt und wolle nicht, dass jeder sehen kann, wem was gehört, erklärt sie im BR-Interview. "Bei einem Wohnungsmarkt, wie wir ihn momentan haben, werden wir auch ganz oft gefragt, wissen Sie, wem das oder das Haus gehört, ich würde es gerne kaufen. Es ist natürlich dann, wenn ich es nicht verkaufen will, unangenehm, wenn ich permanent irgendwelche Anfragen bekomme", sagt Seidenspinner.

Münchner Oberbürgermeister fordert gesetzliche Initiativen

Intransparente Strukturen und Preistreiberei machen es der Stadt München zunehmend schwer, den Immobilienmarkt aktiv mit zu gestalten und Mieter vor Verdrängung zu schützen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert daher mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt: "Man muss transparent machen, wer verkauft an wen, gibt’s da Beziehungen und wird dieser Verkauf am Ende auch tatsächlich vollzogen." Reiter sieht auch den Bund dabei in der Verantwortung: "Wenn der Gesetzgeber sich anstrengen würde, dann könnte er einen Weg finden [...] wie man genau den Wildwuchs im Bereich der Spekulationen verhindern kann."

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