Die Bürgerrecherche "Wem gehört die Stadt" von BR und Correctiv hat viele Probleme in Würzburg aufgedeckt.
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Die Bürgerrecherche "Wem gehört die Stadt" von BR und Correctiv hat viele Probleme in Würzburg aufgedeckt.

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Bürgerrecherche in Würzburg: Ein Mietmarkt mit vielen Problemen

Wohnraum in Würzburg ist knapp. Darunter leiden Studenten wie Familien. Sie sagen: Bezahlbare Wohnungen zu finden, ist fast nicht möglich. Die Bürgerrecherche "Wem gehört die Stadt" von BR und Correctiv deckt viele Probleme auf. Ein Überblick.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Würzburg, Stadtteil Grombühl, im Februar: Jonas, sein Name wurde auf seinen Wunsch von der Redaktion geändert, steht vor dem Haus, in dem er mal gewohnt hat. Die ursprünglich weiße Fassade ist schmutzig und heruntergekommen: "Ich glaube, hier wird auf eine menschenunwürdige Art und Weise Geld verdient, auf dem Rücken derjenigen, die es sich nicht anders leisten können." Insgesamt leben in dem Haus 100 Menschen auf sechs Etagen, viele davon sind Studierende. Der Aufzug funktioniert seit Jahren nicht. Wände, Lampen und Türen sind beschmiert, Schimmel wuchert in Ecken und an Wänden. Einer der Mieter erzählt damals, dass er für mehr als 300 Euro auf zehn Quadratmetern wohnt, Platz für ein Bett gibt es nicht, er schläft auf dem Boden.

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Spannende Hinweise aus Würzburg

Jonas hat bei der Bürgerrecherche "Wem gehört die Stadt?" mitgemacht. Ab Mitte Januar waren Bürgerinnen und Bürger sechs Wochen lang aufgerufen, sich an der Recherche zum Wohnungsmarkt zu beteiligen. Während der Aktion gingen über den CrowdNewsroom, der Datenplattform von Correctiv, um die 200 Beiträge aus Würzburg ein. Aus diesen Einsendungen stammen viele Hinweise, die einen Einblick geben, wie die Würzburgerinnen und Würzburger das Wohnen in ihrer Stadt empfinden.

Den BR erreichten Geschichten von Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Vermietern ein gutes Verhältnis haben. Die Menschen berichteten aber auch von Problemen auf dem Würzburger Immobilienmarkt: Studentisches Wohnen, das die Mieten nach oben treibt bei gleichzeitiger Wohnungsknappheit, hohe Mietsteigerungen, die Angst vor einer Eigenbedarfskündigung und die beschwerliche Suche nach einer Wohnung.

Die Auswertung der Datenspenden der Würzburger Bürgerinnen und Bürger kann keine repräsentative Erkenntnis bieten, dennoch werden Muster ersichtlich: Weit mehr als die Hälfte der eingesendeten Beiträge im CrowdNewsroom gab einen privaten Vermieter an, gefolgt von Firmen und Genossenschaften.

Die Kirche als Wohnungsgeber gibt sich bedeckt

Die katholische Wohnungsbaugenossenschaft, das St. Bruno-Werk, stellt knapp 3.000 Wohnungen in Würzburg. Hinzu kommt neben mehreren hundert vermieteten Garagen und Stellplätzen die Verwaltung von fast 400 Wohnheimplätzen in fünf Studentenwohnheimen. Wie viel Wohneigentum allerdings im Besitz der katholischen Kirche direkt ist und wie dieser genutzt oder vermietet wird, wollte die Diözese Würzburg auf wiederholte schriftliche Anfrage nicht angeben, man sehe momentan keine Möglichkeit weiterzuhelfen.

Die Stadt Würzburg hat keine aktuellen Daten

Die Stadt Würzburg hat kaum Informationen zu den Eigentumsverhältnissen in der Stadt. Kennwerte, wie beispielsweise der Anteil der Menschen, die in einer eigenen Immobilie wohnen, sowie die Anteile von Vermietern, seien es Privatpersonen oder Unternehmen, konnte die Stadt auf BR-Anfrage nicht liefern: "Der Stadt Würzburg liegen zu dieser Aufschlüsselung des privatwirtschaftlichen Wohnungsbereiches derzeit keine verlässlichen, aktuellen Zahlen vor", schreibt die Stadt. Sie verweist auf den letzten Zensus, allerdings stammen diese Daten aus der Volkszählung von 2011 und können so die aktuelle Lage kaum abbilden.

💡 Wer sind die größten Vermieter in Würzburg?

Größter Vermieter ist die städtische Stadtbau Würzburg GmbH mit ca. 5.100 Wohnungen. Die beiden Unternehmen Vonovia und Dawonia sind mit mehreren hundert Wohnungen ebenfalls in Würzburg vertreten. Zur Anzahl der Wohnungen in der Hand der katholischen Kirche machten weder Stadt noch Diözese Angaben. (Quellen: Verband der Wohnungswirtschaft Bayern, Vonovia, Dawonia)

Was Recherchen zeigen: Genossenschaftliches Wohnen ist weit verbreitet. In Würzburg profitieren überdurchschnittlich viele Menschen von einer Genossenschaftswohnung, circa zehn Prozent. Das sind etwa doppelt so viele wie in München und in Augsburg. Und trotzdem ist bezahlbarer Wohnraum knapp.

Wo ist der bezahlbare Wohnraum?

Ein Teilnehmer schrieb, wie schwierig er es findet, Wohnungen für die "Mittelschicht" zu finden: "Es wird immer so viel geredet über sozialen Wohnungsbau, aber der bezieht sich vor allem auf Menschen mit niedrigen Einkommen. Diese können dann eine sozial geförderte Wohnung erhalten. Aber wir sind eine dreiköpfige Familie mit mittleren Einkommen und bekommen keinen Wohnschein oder eine einkommensorientierte Förderung." Drei- oder Vierzimmerwohnungen würden sich nur noch Leute mit höherem Einkommen leisten können. Oder die Vermieter würden diese direkt an Studenten als WG vermieten, um so noch mehr Miete verlangen zu können, schreibt er. Er würde sich wünschen, dass mehr Wohnraum für alle geschaffen würde.

Während sich die "Mittelschicht" auf dem Würzburger Wohnungsmarkt zunehmend allein gelassen fühlt, sinkt auch die Zahl öffentlich geförderter Wohnungen mit Sozialbindung. Während es im Jahr 2014 noch knapp 4.000 solcher Wohnungen gab, sind es nur noch rund 3.600, teilt die Stadt auf Anfrage mit.

Mieterverein fordert höheren Anteil von öffentlich gefördertem Wohnraum

Edgar Hein vom Mieterverein Würzburg würde sich wünschen, dass die Stadt bei Neubauten die Investoren verpflichtet, mehr als die 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Er spricht sich für einen Anteil von 40 oder sogar 50 Prozent aus. Neben seiner Kritik beobachtet er allerdings auch: "Die Stadt baut mittlerweile fleißig, das muss man ihr zugestehen."

Bei dem heruntergekommenen Haus in Grombühl gibt es seit der Berichterstattung im Januar keine Verbesserungen, im Gegenteil, es ist eher noch schlimmer geworden, berichten die Hausbewohner. Einer erzählt, dass vor kurzem bei ihm eingebrochen wurde: "Nicht mal die Hausmeister kommen, um meine Tür zu reparieren." Die Stadt weiß von den Zuständen in diesem Haus, will sich aber nach wie vor auf Grund eines laufenden Verfahrens nicht dazu äußern.

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