Das Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen
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Präzedenzfall: Kreistag lehnt AfD-Politiker ab

Es ist ein Novum in Deutschland: Der Kreistag des Landkreises Garmisch-Partenkirchen verwehrt einem AfD-Nachrücker den Einzug. Politiker, quer durch alle Fraktionen, hegen Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung. Doch ist das rechtskonform?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

"Wenn ich so etwas lese, könnte ich die ganze Regierung todschlagen." – Es ist nur ein Beispiel von mehreren Posts, die Elisabeth Koch, CSU-Bürgermeisterin in Garmisch-Partenkirchen, vor versammeltem Plenum im Kreistag vorträgt. Auf großen Folien hat sie die Posts ausgedruckt und hält sie Albert Mutschlechner entgegen.

Der Profilname ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben, ein eindeutig zuordenbares Foto gibt es nicht. Koch fragt deshalb: "Ist das Ihr Account? Haben Sie das veröffentlicht?" Der AfD-Politiker bejahe das. So beschreibt Elisabeth Koch die Kreistagssitzung vom 26. Juli.

Fragliche demokratische Gesinnung

Sie spricht auch heute noch von einem Schlag ins Gesicht. Jemand, der solches Gedankengut in Wort und Bild öffentlich darstelle, sei für sie kein Demokrat. Als weiteres Beispiel führt sie – wie auch damals in der Sitzung – einen Post vom 1. September 2022 auf. Auf eine Nachricht zu Forderungen Polens auf Reparationen bezüglich des 2. Weltkriegs erwidert der AfD-Politiker demnach per Social-Media-Post, dass dann auch Schlesien zurückgefordert werden solle. Nur wer einen deutschen Abstammungsnachweis habe, dürfe seiner Meinung nach Besitztümer behalten.

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Ein Post auf der Social-Media-Plattform vom 1. September 2022, angeblich von Albert Mutschlechner

Bürgermeisterin Koch äußert sich auch Tage nach dem Kreistagseklat entsetzt im BR24-Interview. Alles andere als eine Ablehnung des AfD-Politikers könne sie mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Eine deutliche Mehrheit im Kreistag folgte Koch und sprach sich mit 39:5 Stimmen, quer durch alle Fraktionen, gegen den AfD-Nachrücker aus. Kurz nach der Kreistagssitzung wurde der Account von Mutschlechner auf der Social-Media-Plattform auf privat gestellt und anstößige Posts wurden entfernt.

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Ein Post auf einer Social-Media-Plattform vom 7. September 2022, angeblich von Albert Mutschlechner

Die AfD wurde in den Kreistag gewählt

Der Alternative für Deutschland stehen nach der Kommunalwahl 2020 eigentlich zwei Kreistagsplätze zu. Jedoch wechselte ein gewählter Vertreter kurz nach der Wahlentscheidung zur Bayernpartei, seinen Kreistagssitz nahm er mit. Den verbleibenden Sitz für die AfD hatte Martina Zann inne. Doch sie gab das Mandat aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die Kandidaten mit den dritt- und viertmeisten Stimmen sagten ab. So kam der an fünfter Stelle Gewählte zum Zug: Albert Mutschlechner.

Der 65-jährige Lkw-Fahrer trat bisher nicht groß politisch in Erscheinung. 5.931 Wähler stimmten für ihn in der letzten Kommunalwahl. Versuche des BR, Mutschlechner persönlich zu erreichen, liefen ins Leere: Eine Anfrage über den Kreisverband führte zu keinem Ergebnis – im Gegenteil: Eine Stellungnahme gegenüber dem BR lehne man ab, hieß es vonseiten des Vorsitzenden Helmut Filser.

Undemokratischer Akt für die AfD

Dafür bezieht der AfD-Landesvorsitzender Stephan Protschka eine klare Stellung. Er sieht in der Ablehnung einen undemokratischen Akt. "Der Mann ist demokratisch gewählt und deshalb muss er nachrücken. Punkt. Mehr gibt es nicht zu sagen", so Protschka im BR24-Interview. Angesprochen auf die Posts auf Social-Media und die Gesinnung seines AfD-Kollegen erwidert Protschka, dass er keine Kenntnis von verbotenen Posts habe. Auch tauche nichts davon im Verfassungsschutzbericht auf. "Deshalb gehe ich davon aus, dass der Herr ein ganz normaler Demokrat ist, der für die AfD kandidiert und deshalb auch nachrücken muss", so sein klares Resümee.

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Ein Post auf Social Media vom 29. Januar 2023, angeblich von Albert Mutschlechner

Der Fall des AfD Politikers zieht Kreise

Auf Nachfrage bei Polizei und Staatsanwaltschaft München II wird dem BR mitgeteilt, dass der Fall Mutschlechner derzeit geprüft werde. Weil die Entscheidung vom Kreistag Garmisch-Partenkirchen ein echter Präzedenzfall ist, hat ihn sich auch der Rechtswissenschaftler Prof. Holm Putzke von der Universität Passau genauer angeschaut. Ihm ist kein vergleichbarer Fall in Deutschland bekannt. Laut seiner Expertise sind die Äußerungen des AfD-Manns menschenverachtend und haben einen beleidigenden Charakter. Jedoch sei es fraglich, ob der Strafrechtsbestand der Beleidigung erfüllt sei. Seiner Meinung nach reiche es vermutlich nicht aus, um strafrechtlich gegen Mutschlechner vorzugehen.

Einzug in Kreistag vermutlich nicht zu verhindern

Die Hürden für eine Ablehnung im Kreistag seien sehr hoch, so Putzke weiter. Nur wenn ihm die Fähigkeit abgesprochen werde, Ämter zu bekleiden, würde ein Ausschluss möglich sein. Das bedeutet: Nur wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Eigentlich ist laut Kommunalrecht deshalb ein Nachrücken unumgänglich, so der Rechtswissenschaftler. Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen berät derzeit über den Fall und versucht, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, heißt es von Sprecher Stephan Scharf. Die Rechtsaufsichtsbehörde der Regierung von Oberbayern soll noch vor der nächsten Kreistagssitzung eine Entscheidung fällen, ob und wie Albert Mutschlechner seinen Sitz im Kreistag wahrnehmen darf.

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