Archivbild: Über 100.000 Demonstranten protestieren rund um das Siegestor sowie in der Ludwigstraße und Leopoldstraße gegen Rechtsextremismus
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Archivbild: Über 100.000 Demonstranten protestieren rund um das Siegestor sowie in der Ludwigstraße und Leopoldstraße gegen Rechtsextremismus

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"Lichtermeer" gegen Hass: Parteien schauen wieder nur zu

Nach der Münchner Anti-Rechtsextremismus-Demo kam aus der Politik Kritik an Veranstaltern wie Fridays for Future. Aus der Idee der Parteien, gemeinsam eine Neuauflage zu planen, wurde aber bisher nichts. Stattdessen setzen wieder andere ein Signal.

Drei Wochen nach der großen Münchner Demonstration gegen Rechtsextremismus mit mindestens 100.000 Teilnehmern wollen mehrere Organisationen am Wochenende erneut ein Zeichen setzen: Für Sonntagabend rufen sie zum "Lichtermeer für Demokratie - gegen Rassismus, Antisemitismus & Hetze" auf. Dazu werden auf der Theresienwiese Zehntausende Menschen erwartet.

Obwohl insbesondere Fridays for Future München nach der Großdemo im Januar viel Kritik und Anfeindungen einstecken musste, war es erneut die Klimainitiative, die nun den Anstoß zum "Lichtermeer" gab - unterstützt von weiteren Organisationen wie Lichterkette e.V., Bellevue di Monaco und "München ist bunt". Eine von allen demokratischen Parteien organisierte Kundgebung, wie sie im Januar einige bayerische Spitzenpolitiker verlangt hatten, ist dagegen bisher nicht in Sicht.

Kritik an den Veranstaltern

Vor und nach der Demonstration im Januar hatten mehrere Politiker öffentlich den Mit-Veranstalter Fridays for Future kritisiert und die Legitimation der Klimaaktivisten infrage gestellt, einen solchen Protest zu organisieren. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) beklagte grundsätzlich eine teilweise Unterwanderung der Demos gegen Rechtsextremismus durch Linksextremisten und besuchte an jenem Wochenende lieber Kundgebungen gegen die Ampel-Politik.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, die "äußerst umstrittenen Fridays-for-Future-Leute" sollten lieber interne Diskussionen über Antisemitismus und die Aussagen von Greta Thunberg führen. Um den Konsens der bürgerlichen Demokraten nicht zu gefährden, wäre dem CSU-Politiker zufolge eine gemeinsame Aktion der demokratischen Parteien sinnvoller.

Der Münchner CSU-Chef und bayerische Justizminister Georg Eisenreich nahm zwar an der Demo im Januar teil, äußerte aber ebenfalls Kritik: "Wie von mir schon im Vorfeld befürchtet, sind Fridays for Future und radikale Einzelpersonen als Organisatoren einer solchen Demo ungeeignet", sagte er damals und forderte: Eine "derart wichtige" Demo müsse in Zukunft von der "demokratischen Mitte getragen werden".

Münchner Dialog für Demokratie am 19. Februar

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nahm zwar die Anregung auf, zu einem breit angelegten "Dialog für Demokratie und gegen Rechtsextremismus" einzuladen. Ein erstes Gespräch findet aber erst am 19. Februar im Rathaus statt. "Ich möchte bei diesem Termin mit verschiedenen Stimmen aus der Münchner Stadtgesellschaft ins Gespräch kommen und diese vernetzen." Eingeladen sind insgesamt 40 Personen aus Politik, Religion, Wirtschaft, Bildung, Kultur und Sport. Reiters Büro verweist darauf, wie aufwändig die Organisation eines solchen Dialogs ist.

Weitere eineinhalb Wochen wollen Fridays for Future und ihre Mitstreiter aber nicht warten, bis sie wieder aktiv werden - trotz der Kritik aus der Politik. "Kalt gelassen hat die Kritik mich auf keinen Fall", sagt Ronja Hofmann von FFF und beklagt, dass die Versammlungsleiterin der Januar-Demo "auf übelstem Niveau" angefeindet worden sei. Gleichzeitig sei es aber auch das Ziel einer solchen Demo, eine Debatte anzustoßen: "Wogegen stellen wir uns genau? Wo verläuft die Brandmauer?"

Die Organisationen hätten sich nach der Demo schnell wieder zusammengesetzt, die Veranstaltung reflektiert und überlegt, wie es weitergehen könne. Mit dem "Lichtermeer" sei dieses Mal ein anderes Konzept geplant als beim vorigen Mal, schildert Hofmann. Zwar solle erneut ein Zeichen nach außen gesetzt werden, aber man wolle auch Raum für den Austausch und Diskussionen der Teilnehmer untereinander schaffen. Dafür sei ein "Lichtermeer" ohne großes Bühnenprogramm der angemessene Rahmen.

Bündnis für Toleranz unterstützt Aufruf

Unterstützt wird der Aufruf zum "Lichtermeer" auch vom Bayerischen Bündnis für Toleranz, in dem mehr als 90 Organisationen zusammengeschlossen sind, von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften über Kirchen und Religionsgemeinschaften bis hin zu Ministerien und dem Bayerischen Landtag. Auch der Bayerische Rundfunk ist Mitglied. Der Sprecher des Bündnisses, der evangelische Landesbischof Christian Kopp, teilte mit, er unterstütze die Anliegen der Veranstalter. "Jetzt ist die Zeit, für den Schutz von Toleranz und Menschenwürde ein helles Zeichen zu setzen."

Die Anregung, den Aufruf zum "Lichtermeer" zu unterstützen, kam aus den Reihen der Mitglieder des Bündnisses für Toleranz, wie Geschäftsführer Philipp Hildmann auf BR-Anfrage erläutert. "Wir kamen zur Überzeugung: München für die Demokratie leuchten zu lassen, ist ein so ehrenwertes Ziel, dass wir dazu aufrufen, teilzunehmen."

Das Büro des Münchner Oberbürgermeisters teilt indessen mit, die Stadt könne aus Neutralitätsgründen grundsätzlich keine Demonstrationen unterstützen oder dazu aufrufen. Dieter Reiter zeige aber immer sehr deutlich, dass er sich freue, "dass so viele Menschen derzeit für Demokratie und unsere freiheitlichen Werte auf die Straße gehen".

Aiwanger: Schaue mir an, wer welche Kundgebung macht

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, verteidigt die Organisatoren der Münchner Demo gegen Kritik aus der Politik: "Die GEW Bayern begrüßt es, wenn junge Menschen, die bereits für das Klima kämpfen, auch Stellung beziehen gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie", teilt Borgendale dem BR mit.

Vize-Ministerpräsident Aiwanger lässt im BR-Interview offen, ob für ihn die Teilnahme am "Lichtermeer" in Frage kommt: "Das schaue ich mir im Detail an, wer wo welche Kundgebung macht." Es müsse sichergestellt sein, dass nicht Extremisten der einen Seite den Extremismus der anderen Seite dadurch bekämpfen, "dass sie auch die Mitte in Misskredit bringen". Es gelte, aus einer starken politischen Mitte heraus die Ränder zu schwächen und "die Leute auch wieder ein bisschen zur Ruhe kommen zu lassen und nicht zu sehr zu polarisieren". Der Freie-Wähler-Chef fügt hinzu: "Diese Links-Rechts-Debatten tun diesem Land nicht gut."

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn begrüßt es, dass das "völlig überparteiliche" Bündnis für Toleranz das "Lichtermeer" unterstützt. "Ich finde, der Kampf gegen Rechtsextremismus kann nur funktionieren, wenn alle dabei sind - vom anständigen Konservativen über den Sozialdemokraten bis hin zu den Grünen oder gerne auch Mitgliedern der Linken." Er habe selbst mit den Fraktionschefs von CSU, FW und Grünen gesprochen und den Anstoß gegeben, für Demonstrationen eine überparteiliche Organisation zu bilden und "vielleicht auch ein Bündnis gegen Fake-News und Falschinformationen".

Dabei gibt es mit dem Bayerischen Bündnis für Toleranz eigentlich schon einen breiten Zusammenschluss von Institutionen, Organisationen und Verbänden - auch wenn ihm bisher keine politischen Parteien angehören. Geschäftsführer Hildmann betont: "Das Bayerische Bündnis für Toleranz steht gerne bereit, mit allen flankierenden Mitteln zu unterstützen und – wenn gewünscht – eine tragende Rolle zu spielen."

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