Ein Angeklagter mit Fußfesseln im Gerichtssaal (Symbolbild)
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Ein Angeklagter mit Fußfesseln im Gerichtssaal (Symbolbild)

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Geflohene Häftlinge: Gerichte legen Sicherheitskonzepte vor

Wie sicher sind die bayerischen Gerichte? Nachdem in Regensburg und Coburg Häftlinge fliehen konnten, stehen die Sicherheitskonzepte auf dem Prüfstand. Einige Gerichte im Freistaat haben schon nachgebessert.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat alle Gerichte in Bayern aufgefordert, ihre Sicherheitskonzepte bis zum Ende der Woche vorzulegen. Grund sind zwei Gefangene, die in diesem Jahr in Regensburg und Coburg aus Gerichtsgebäuden fliehen konnten. Polizei und Justiz müssten jetzt gemeinsam Einsatzkonzeptionen zur Bewachung von Gefangenen überprüfen, so der Minister in einer Stellungnahme.

Fußfesseln sollen nicht abgenommen werden

In der Oberpfalz haben zum Beispiel das Amts- und Landesgericht Regensburg, das Amtsgericht Neumarkt sowie das Amtsgericht in Weiden ihre Sicherheitskonzepte bereits überarbeitet.

Zusätzlich zur geltenden Hausordnung setze man im Justizgebäude Regensburg Maßnahmen um, mit denen Fluchtmöglichkeiten vorgebeugt werden könne, sagte Thomas Polnik, Vorsitzender Richter am Landgericht Regensburg, dem BR auf Anfrage. Bei Vorführungen von gefesselten Verfahrensbeteiligten soll nun garantiert werden, dass diese überall im Gerichtsgebäude gesichert werden und auch gesichert bleiben. In den Sitzungssälen selbst liege die Anordnungsbefugnis für Sicherheitsmaßnahmen allerdings immer beim Vorsitzenden Richter. Dieser kann anordnen, dass Fußfesseln im Sitzungssaal abgelegt werden.

Gesicherter Raum für Anwaltsbesprechungen

Das Anwaltszimmer, aus dem der verurteilte Mörder Rachid C. Anfang des Jahres fliehen konnte, war eigentlich als Aufenthaltsraum für Rechtsanwälte eingerichtet worden. Allerdings sei der Raum vereinzelt auch für Besprechungen zwischen Anwälten und ihren Mandanten genutzt worden. Das solle künftig nicht mehr passieren, so Polnik. Es gebe Überlegungen, durch bauliche Veränderungen einen anderen, entsprechend gesicherten Raum einzurichten, in dem künftig Anwaltsbesprechungen abgehalten werden können.

Beamte durch Vorfälle sensibilisiert

Auch am Amtsgericht Neumarkt wurde das Sicherheitskonzept überprüft und angepasst. In das Konzept sei noch einmal explizit aufgenommen worden, wie mit Inhaftierten umgegangen werden soll, teilte Hans-Christoph von Taysen, Direktor des Amtsgerichts Neumarkt, mit. Die Vorführbeamten sollen etwa die Fußfesseln bei Verfahrensbeteiligten vor dem Verlassen des Gerichtssaales auch wieder anlegen. Zudem sollen die Fenster sowohl im Gerichtssaal als auch in den Gängen geschlossen bleiben. Von Taysen geht davon aus, dass zudem viele Beamte durch die Vorfälle nun sensibilisiert seien.

Abnehmbare Fenstergriffe, Räumlichkeiten im Obergeschoss

Wie in Neumarkt liegt der Raum für den Ermittlungsrichter im Gerichtsgebäude in Weiden im zweiten Obergeschoss, in einer Höhe von mindestens zehn Meter. Ein Sprung aus dem Fenster sei lebensgefährlich. Das Zimmer sei zudem zum Innenhof gerichtet, aus dem man ohnehin nicht fliehen könne, sagte Rainer Lehner, Direktor des Amtsgerichts Weiden, dem BR auf Anfrage. Außerdem könne man im Raum die Griffe der Fenster abnehmen, sodass sie sich gar nicht öffnen lassen. Daher schätze er die Fluchtgefahr generell als sehr gering ein. Lehner plädiert auch dafür, dass bei inhaftierten Verfahrensbeteiligten generell Fußfesseln angelegt werden.

Verbesserung des Sicherheitskonzepts auch in Niederbayern

Auch in Niederbayern haben einige Gerichte bereits reagiert. Rudolf Helmhagen, Präsident des Landgerichts Passau, sagte im Gespräch mit dem BR, es habe entsprechende Absprachen zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht gegeben, welche Sicherheitsmaßnahmen man noch verbessern könne.

Das Fluchtrisiko solle dadurch minimiert werden, dass Gefangene von der Justizvollzugsanstalt gefesselt ins Gericht gebracht werden. In Amts- und Landgericht Passau würden die Handfesseln nur im Sitzungssaal abgenommen. Das sei gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben, aber aus menschlicher Sicht geboten, so Helmhagen. Fußfesseln seien die Ausnahme. Außerdem seien die Sitzungssäle auch im Landgericht Passau im Obergeschoss, im Amtsgericht Passau seien die Säle zwar im Erdgeschoss, aber man habe deshalb vergitterte Fenster.

"Gericht kein Hochsicherheitstrakt"

Das Landgericht Deggendort ist mit seinem bisherigen Sicherheitskonzept zufrieden. Eine Besonderheit in Deggendorf sei eine Haftzelle im Keller, wohin die Straftäter in den Sitzungspausen gebracht werden können, sagte Gisela Schwack, Präsidentin des Landgerichts. Zudem seien die Fenster im Besprechungsraum mit den Anwälten abgeschlossen. Man versuche, durch weitere Baumaßnahmen die Sicherheit zu optimieren, die finanziellen Mittel dafür müssten jedoch erst bewilligt werden.

Entscheidend sei es, die Häftlinge ordnungsgemäß zu fesseln, wenn sie vorgeführt werden, meint Schwack. Schließlich sei ein Gericht kein Hochsicherheitstrakt. Generell komme es darauf an, wie groß die Gefahr durch einen Straftäter für die Allgemeinheit und wie hoch das Fluchtrisiko sei. Je nachdem könnten dann auch Fußfesseln eingesetzt werden.

Unterfränkische Gerichte nach eigener Einschätzung ausbruchssicher

Die Gerichte in Würzburg, Aschaffenburg, Schweinfurt und Gemünden halten es ihren Angaben zufolge für äußerst unwahrscheinlich, dass eine Flucht aus ihren Gebäuden gelingen könnte. "Die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden war schon immer von großer Bedeutung und wird sehr ernst genommen", teilte Boris Raufeisen, Vizepräsident des Landgerichts Würzburg mit. Dort etwa sei schon bei der Planung der Sitzungssäle auf Fenster verzichtet worden. Für den regelmäßigen Dienstbetrieb bestehe daher kein konkreter Anlass zu grundsätzlichen Veränderungen.

An den Landgerichten in Aschaffenburg und Schweinfurt wurden die Sicherheitsvorrichtungen überprüft. Anpassungsbedarf habe es dabei jedoch nicht gegeben, heißt es.

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