Pflegeeltern mit einem ihrer fünf Pflegekinder (Symbolbild)
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Pflegefamilien fehlen: Jugendämter schlagen Alarm

Pflegefamilien fehlen: Jugendämter schlagen Alarm

Weil Pflegeeltern fehlen, wissen Jugendämter nicht mehr, wohin sie Kinder bringen sollen, die aus einem schwierigen Umfeld herausgeholt werden müssen. Und die Zahl an Inobhutnahmen steigt. Das Jugendamt im Nürnberger Land will nun gegensteuern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Wenn Kinder aufgrund familiärer Notsituationen woanders untergebracht werden müssen oder das Kindswohl gefährdet ist, müssen Kinder und Jugendliche in Obhut genommen werden. Zuständig dafür ist das Jugendamt. Beim Jugendamt im Landkreis Nürnberger Land kennt man solche Fälle zur Genüge. Häufig geht es dabei um häusliche Gewalt im Elternhaus. "Da haben wir Situationen gehabt, bei denen Mütter geschlagen worden sind und das Kind bei der Mutter auf dem Arm war", berichtet Lukas Trägner vom Jugendamt. Alleine im Nürnberger Land verzeichnete das Jugendamt im vergangenen Jahr 40 solcher Inobhutnahmen – und schlägt Alarm, wie viele Jugendämter in Bayern. Denn es fehlen Pflegefamilien, die Kinder nach einer Inobhutnahme aufnehmen können.

"Wir wissen nicht, wohin wir die Kinder bringen sollen"

"Wir haben hier die Problematik, dass wir nicht mehr wissen, wohin wir die Kinder bringen sollen. Es gab schon Fälle, da haben wir dann ein Kind aus Nordbayern ganz im Süden von Bayern unterbringen müssen, weil wir keine andere Möglichkeit gefunden haben", berichtet Trägner. In solchen Fällen wendet sich das Jugendamt eigentlich an das Jugendhilfezentrum der Caritas in Schnaittach, wo nach weiteren Plätzen für die Unterbringung gesucht wird. Doch auch dort steigen die Anfragen von verschiedenen Jugendämtern. 219 Anfragen für Inobhutnahmen waren es im vergangenen Jahr bei der Caritas in Schnaittach. Pflegefamilien gibt es im Landkreis Nürnberger Land aber nur 55.

Pflegemutter hat rund 60 Kinder bei sich aufgenommen

Unter dieser Situation leiden am meisten die Kinder. "Das ist ganz schlimm für Kinder. Und mir geht es auch immer sehr nah, wenn ich höre, dass da ein Kind keinen Platz findet und niemand das Kind will", erzählt Carola Schikora von der Caritas. Die Sozialpädagogin leitet den Bereich Inobhutnahmen und Gastfamilien am Jugendhilfezentrum in Schnaittach. Doch zum Glück gibt es Menschen wie Kerstin Avci. Seit 15 Jahren nimmt die 53-Jährige zusammen mit ihrem Mann als Pflegefamilie Kinder und Jugendliche auf. Für Kerstin Avci eine Herzensangelegenheit. 59 Kinder und Jugendliche hat sie in den vergangen 15 Jahren bei sich aufgenommen.

Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk wirkt es so, als sei sie selbst von der Anzahl überrascht. "Wir haben das extra mal zusammengeschrieben. Das ist schon Wahnsinn. Mit vielen Pflegekindern haben wir noch heute Kontakt. Vor allem mit denen, die länger bei uns geblieben sind. Die kommen schon mit ihren eigenen Kindern zu uns. Und die Kinder sagen dann Oma zu mir", freut sich die 53-Jährige Verkäuferin.

Auch pädagogische Wohngruppen platzen aus allen Nähten

Auf rund 200 Quadratmetern mit Garten und Swimmingpool haben auch die Pflegekinder genug Platz und Privatsphäre, um bei den Avcis zur Ruhe zur kommen. "Ich habe schon immer Kinder gemocht. Mir war das auch egal, wo die herkommen, und aus welchen Gründen sie in Obhut genommen worden sind. Ich habe sie alle gemocht, und so genommen, wie sie es sind", erzählt Avci sichtlich gerührt. Das jüngste Kind, das sie aufgenommen habe sei erst vier Jahre alt gewesen. Derzeit wohnen noch volljährige Kinder bei ihr, die vermutlich noch bleiben werden, bis sie 21 Jahre alt sind.

Wenn bei Pflegefamilien wie bei Familie Avci allerdings kein Platz mehr frei ist, dann bleibt nach einer Inobhutnahme noch die Möglichkeit einer stationären pädagogischen Betreuung. In Schnaittach gibt es das Caritas Jugendhilfezentrum mit Wohngruppen extra für Mädchen. Doch auch dort reichen die verfügbaren Plätze vorne und hinten nicht - derzeit gibt es keinen einzigen Platz mehr in den betreuten Wohngruppen. Das schmerzt vor allem die Mitarbeiterinnen wie Carola Schikora: "Es macht einen immer wieder traurig wie viele Kinder und Jugendliche man nicht aufnehmen kann, die eine Aufnahme dringend benötigen. Aber das ist eine Aufgabe für die komplette Gesellschaft."

Fachkräftemangel verschärft die Situation

Neben Pflegefamilien fehlen auch Fachkräfte im pädagogischen Bereich, meint Lukas Trägner vom Jugendamt im Landkreis Nürnberger Land: "Da die Fachkräfte in den Wohngruppen und Institutionen fehlen, die einen Teil der Kinder und Jugendliche aufgenommen haben, fällt natürlich mehr den Pflegefamilien zu." Wegen des Personalmangels mussten laut Schikora schon Wohngruppen schließen. "Das Problem ist nicht gelöst, wenn wir jetzt ein paar mehr Pflegefamilie haben. Deswegen habe wir trotzdem schwierige Kinder, die nicht in der Pflegefamilie vermittelt werden können." Durch die Personalnot seien "alle Systeme an der Grenze".

Jugendamt will mit Veranstaltung neue Pflegefamilien akquirieren

Um dennoch zumindest einen Teil der Belastung abzufedern und um neue (Bereitschafts-)Pflegefamilien zu gewinnen, will das Jugendamt im Landkreis Nürnberger Land nun eine Infoveranstaltung durchführen. Dort sollen sich Interessierte ein Bild davon machen könne, was es heißt Pflegefamilie zu sein – und wie wichtig es ist, Kindern und Jugendlichen in Not eine neue Anlaufstelle zu bieten. Die erfahrene Pflegemutter Kerstin Avci aber rät: "Man muss das wirklich machen wollen, weil man es machen will." Es müsse ihr zufolge eine Lebenseinstellung sein. Und zudem sollte man auch mit Kindern und Jugendlichen umgehen können.

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