Hanna Schygulla (Aufnahme von 2022).
Bildrechte: Schauspielerin und Filmemacherin, ehemals Flüchtlingskind und heute an der Seite von Flüchtlingen: Perspektivenwechsel gehören zu Hanna Schygullas Leben. Jetzt feiert sie ihren 80. Geburtstag. Ihr Motto: Lebensfreude, Humor - und: nicht stehen bleiben.

Schauspielerin und Filmemacherin, ehemals Flüchtlingskind und heute an der Seite von Flüchtlingen: Hanna Schygulla wird 80 Jahre.

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Film-Ikone Hanna Schygulla wird 80 - "Öfter mal was Neues"

Schauspielerin, Filmemacherin, einst Flüchtlingskind und nun an der Seite von Flüchtlingen: Perspektivenwechsel gehören zu Hanna Schygulla. Jetzt feiert sie ihren 80. Geburtstag, will "öfter mal was Neues" und sagt: "Es lebe die Lebensfreude!"

Gerade hat sie an der Nordsee gedreht, auf einer Watteninsel. Eine neue Anfrage für einen Film hat sie schon auf dem Tisch - und wenn es gerade einmal eine Pause gibt, treibt sie ihre eigenen Projekte voran: Die Übersetzung ihrer Biografie ins Französische, einen Kurzfilm über Flüchtlinge. Hanna Schygulla, vor vielen Jahren bekannt geworden als Fassbinder-Entdeckung, feiert am 25. Dezember ihren 80. Geburtstag. Müde scheint sie nicht zu werden.

"Ich bin selber beeindruckt", sagt sie. "Auch wenn ich manchmal verlangsame. Aber das hat ja auch sein Gutes." Gesundheitliche Krisen gebe es schon, aber: "Ich bin immer wieder gut herausgekommen", sagte Schygulla vor ihrem Geburtstag der Deutschen Presse-Agentur. Gefragt nach ihrem Motto sagt sie: "Es lebe die Lebensfreude - und öfter mal was Neues. Und ganz wichtig: der Humor."

Gratulationen vom Münchner OB

Etwas Neues probiert sie gerade an ihrem Geburtstag. Früher habe sie nie groß gefeiert, zum 80. wolle sie das erstmals "so richtig" tun: Freunde unter anderem aus Paris und Brüssel reisen dazu nach Berlin.

Gratulationen kommen unter anderem aus München. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte ihre "großartige Filmkarriere". "Bis heute prägen Sie die europäische Filmszene. Es ist beeindruckend, wie ungebrochen Ihre Schaffenskraft und Präsenz ist."

Ein "stilprägendes darstellerisches Schaffen" hat ihr vor einigen Jahren der Vorstand des Bundesverbands Schauspiel bescheinigt und sie mit dem Schauspielerpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Sie überzeuge nicht nur durch ihre Schauspielkunst und Wirkung, sondern auch durch ihre Unabhängigkeit, hieß es damals zur Begründung.

Rainer Werner Fassbinder machte sie berühmt

"Effie Briest", "Die Ehe der Maria Braun, "Lili Marleen": Hanna Schygulla hat vielen Filmen Rainer Werner Fassbinders ein Gesicht gegeben. Und er machte sie berühmt - auch international. Im Fassbinder-Kosmos verkörperte sie mit ihrem besonderen, fast schlafwandlerischen Spiel widerspenstige, Frauen: gleichzeitig stark und verletzlich

Geboren 1943 in Königshütte in Schlesien, kam Schygulla 1945 als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter in den Westen. 1948 zog ihre Familie nach München. In den 60er-Jahren gehörte die junge Schauspielerin zur Truppe von Fassbinders Antitheater in der Stadt. Es war der Beginn einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit. Denn der Weg zur Schauspielerei war für Schygulla nicht gerade vorgezeichnet. Sie studierte zunächst Romanistik und Germanistik und wollte ihre Abschlussarbeit über Karl Valentin schreiben, den sie verehrt.

Doch es war gerade Rainer Werner Fassbinder, der sie in den 1960er-Jahren zuerst ans Theater holte und dann mit ihr den Autorenfilm prägte: "Er war sicherlich für meinen Lebenslauf der entscheidende Mann - denn ohne ihn wäre ich gar keine Schauspielerin geworden. Ich war ja schon von der Schauspielschule abgegangen. Da hat er sich an mich erinnert", sagt sie.

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Hanna Schygulla1980 in Rainer Werner Fassbinders Film "Lili Marleen".

Zusammenarbeit mit den Großen des Kinos

Später arbeitete Hanna Schygulla mit europäischen Regiegrößen wie Volker Schlöndorff, Jean-Luc Godard, Carlos Saura oder Marco Ferreri. Die Zusammenarbeit mit Ferreri brachte ihr 1983 den Darstellerpreis in Cannes ein. Zwischen Traum und Wirklichkeit - dabei hellwach und präsent: Das war der Schygulla-Effekt. Damit zog sie die Menschen in ihren Bann. Für Hollywood spielte sie in der Fernseh-Serie "Peter der Große" die Katharina die Große.

Ihre Karriere stellte Schygulla teils für die Pflege der Eltern zurück. "Sie sind in der Zeit vor, während und nach der Katastrophe der Weltkriege im Leben zu kurz gekommen", sagte sie früher einmal. "Das wollte ich, so gut ich konnte, zum Ende noch ausgleichen."

Chansons und Kurzfilme der Wahl-Pariserin

Von den Neunzigern an trat die vielfach mit Preisen ausgezeichnete Schauspielerin auch als Chansonsängerin auf, stand vermehrt selbst hinter der Kamera. Etwa drehte sie unter dem Titel "Traumprotokolle" Kurzfilme, die in New York und Berlin gezeigt wurden.

Viele Jahrzehnte lebte sie in Paris - bis heute Lebensmittelpunkt neben Berlin. "Irgendwann wird das auf einen Wohnsitz zusammenschrumpfen. Aber solange es geht, finde ich es noch anregend", sagt sie. Berlin sei nicht so schön wie das im Krieg weitgehend unzerstörte Paris, dafür aber kunterbunt.

Ukraine und Syrien: Eine Stimme für Flüchtlinge

Zwischen zwei Kulturen bewegte Hanna Schygulla sich früh, als sie 1945 als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter aus Oberschlesien nach München kam. Die Flucht, die Kindheit in Bayern und das Verhältnis zum Vater nach dessen Heimkehr aus der Gefangenschaft haben sie geprägt. Sie pendelte damals zwischen dem Jungen, den ihr Vater gern gehabt hätte, der schönen Prinzessin, dem Flüchtlingskind und dem Münchner Kindl, dem Dickkopf und der Tagträumerin.

Bis heute ist sie denen verbunden, die als Flüchtlinge kommen - und die wie sie zwischen den Kulturen wandern. Kurdische Mädchen in Berlin leitete sie an, kleine Filme zu drehen. Kürzlich hatte sie als Mitglied einer Online-Jury Kontakt mit jungen ukrainischen Filmemachern. "Sie kannten mich und haben sich über meine Teilnahme gefreut. Mit Staunen habe ich festgestellt, wie trotz lebensbedrohlicher Situationen weiter wesentliche Filme entstehen."

"Fremd ist der Fremde nur in der Fremde"

"Fremd ist der Fremde nur in der Fremde", hat Karl Valentin einmal gesagt. Dieser Ausspruch könnte ein Leitmotiv für seine Verehrerin Hanna Schygulla sein. Im Spätherbst hat sie mit Nachwuchsregisseur Ameer Fakher Eldin - in der Ukraine geboren, auf den Golanhöhen aufgewachsen, in Hamburg lebend - an der Nordsee den zweiten Teil seiner Trilogie über das Fremdsein gedreht. Sie spielt die Wirtin einer Watteninsel, die immer wieder vom Meer überspült wird. Im Januar laufen im Filmmuseum in München ihre Kurzfilme über das "Menschsein in Ausnahmezeiten".

Gerade sitzt Schygulla an der Übersetzung ihrer Autobiografie "Wach auf und träume", die nach zehn Jahren auch auf Französisch erscheinen soll. Auch damit blicke sie derzeit intensiv auf ihr Leben zurück: "Ich bin angetan, wie reich es doch war."

Mit Informationen von dpa.

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