Chinesische Arbeiterin mit Solar-Paneelen
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Solartechnik Made in China: Gelingt der deutschen Solarindustrie ein Comeback ?

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Deutsche Solarindustrie: Abgehängt von China oder vor Comeback?

Die Solarwirtschaft produziert Wärme und Strom aus Sonnenenergie. Früher glänzten und verdienten damit deutsche Unternehmen, heute dominiert China. Sollte und könnte sich das wieder ändern und wie wahrscheinlich ist ein Comeback ? Eine Analyse.

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Der Blick auf die Solar-Welt kann verwirren. Einerseits gibt es etwa seit September in Bayern den "Aktionsplan Solar-Industrie": Bis 2030 soll dreimal soviel Sonnenstrom im Freistaat erzeugt werden, wie derzeit. "Bayern ist unangefochten führend beim Ausbau der Photovoltaik. Das bietet ein großes Potenzial für die Solarbranche" sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kürzlich beim ersten Spatenstich für ein neues Werk. CitrinSolar will in Langenpreising (Kreis Erding) neu bauen. Denn die Auftragsbücher sind übervoll, wird Hanns Koller, Firmenmitbegründer und Gesellschafter von CitrinSolar, im Münchner Merkur zitiert.

Gleichzeitig häufen sich seit Monaten solche Schlagzeilen: "Solarindustrie kurz vor dem Kollaps" (SZ), "Solar im Schlussverkauf" (Tagesspiegel) oder "Branche fürchtet Insolvenzen" (Handelsblatt). Einzelne in Deutschland verbliebene Hersteller warnen lautstark vor "Vernichtung". Die europäischen Hersteller fordern von der Politik Notkäufe, Importstopps und Beihilfen.

Auch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind zwiespältig. Einerseits stammten rund 87 Prozent der nach Deutschland importierten Photovoltaikanlagen im Jahr 2022 aus China. Andererseits ist die deutsche Produktion in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, allein in 2022 um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wie lassen sich solch widersprüchliche Signale aus der Branche erklären?

Genauer Blick auf die Branche nötig

Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der Vielfalt der Branche. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen Wärmeerzeugern und Stromproduzenten. Zur ersten Gruppe, den Sonnenkollektoren-Herstellern, gehört auch CitrinSolar. Zur zweiten Gruppe zählen die Hersteller von Photovoltaikmodulen. Diese erzeugen Strom und bestehen aus einzelnen Solarzellen.

In diesem Ökosystem deutscher Solarwirtschaft wird werktäglich projektiert, installiert, gehandelt und betrieben. Viele Tausend deutsche Solarunternehmen sind erfolgreich tätig. Auch im Bereich der Solarforschung ist Deutschland weiter spitze, so die Einschätzung des Bundesverbandes Solarwirtschaft.

Deutsche Konkurrenzfähigkeit hängt demnach von den Komponenten ab, die produziert werden. Während etwa deutsche Wechselrichter und Speicher erfolgreich sind, sieht es nach Verbandsaussage bei "Solarzellen, Solarwafern und Solarglas jedoch ziemlich düster aus". Wer in Deutschland Photovoltaik-Module produzieren will, muss genügend große Stückzahlen produzieren können und gegen massiv subventionierte Wettbewerber aus USA und Asien antreten. Weil momentan auf dem Weltmarkt ein Überangebot mit Dumpingpreisen herrscht, rufen die wenigen verbliebenen deutschen Hersteller um schnelle Hilfe.

"Solar-Industrie" seit Bestehen eine besonders politische Branche

Direkte und indirekte Subventionen, also Anschubhilfen der Steuerzahler, kennzeichnen den Weg der deutschen Solarbranche. Durch "100 000-Dächer-Programm" und Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde Solar in den 2000er-Jahren zur Boom-Branche in Deutschland. Dann kam der Absturz. Die schwarz-gelbe Koalition senkte die Einspeisevergütung drastisch – lehrbuchgerecht, denn Subventionen dürfen keine Dauerhilfen sein. Deutsche Unternehmen wie Q-Cells oder Solarworld wurden an asiatische Wettbewerber verkauft oder gingen in die Insolvenz.

Neben strategischen Fehlern der Unternehmen kritisieren Experten vor allem die falsche Subventionspraxis von damals. Während Deutschland die Solarnachfrage förderte, unterstützte China nur die heimische Produktion und den Export. Mit Kostenvorteilen und wachsender Qualität haben vor allem chinesische Wettbewerber heute die Spitzenstellung im Weltmarkt erobert. Unstrittig ein geostrategischer Vorteil in einer Schlüsselbranche, die für die Energieversorgung der Zukunft unverzichtbar ist.

Ist Geostrategie ein Subventionsgrund?

Genau darin sehen nun die verbliebenen deutsche Hersteller das entscheidende Argument für schnelle und umfangreiche Subventionen. Denn neben China unterstützen auch Indien und die USA den Aufbau heimischer Produktionskapazitäten für solare Schlüsselkomponenten durch eine aktive Industriepolitik. Dazu zählen teils großzügige Zuschüsse für den Aufbau der Fabriken und ihrer Betriebskosten (zum Beispiel durch den sogenannten Inflation Reduction Act in den USA). Aus einer derartigen Unterstützung "dürften einige Solarhersteller auch Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt erzielen", so Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft.

Ziel der EU und der Bundesregierung ist es deshalb auch, die europäische Solar-Industrie entlang der gesamten Photovoltaik (PV) -Wertschöpfungskette künftig deutlich robuster und widerstandsfähiger aufzustellen und zumindest 40 Prozent der PV-Nachfrage aus europäischer Produktion selbst decken zu können.

"Gut gemeint" ist nicht automatisch "Gut gemacht"

Wegen der vergleichsweise hohen deutschen Löhne liefen Solar-Hilfen wohl auf Dauersubventionen für einzelne Bereiche mit der besten Lobbyarbeit hinaus, sagt Professor Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Er hält es für schwierig, einzelne Bereiche, die in Deutschland angesiedelt sein sollen, politisch zu identifizieren,

Geostrategischen Überlegungen seien besser auf EU-Ebene angesiedelt. Statt auf Autarkie zu setzen, sollten Lieferketten diversifiziert und ein Subventionswettlauf innerhalb der EU vermieden werden. Eine Position, die übrigens auch den strengen deutschen Subventionsrichtlinien entspricht, wie im jährlich erscheinenden Subventionsbericht der Bundesregierung nachzulesen ist.

Politischer Fahrplan nach wie vor unklar

Dass die Politik dennoch mit Subventionen liebäugelt, hat auch mit dem Ukraine-Krieg zu tun, der schmerzlich die Abhängigkeit von russischen Energieimporten vor Augen führte. Allerdings ist nach wie vor unklar, wer, wie und was genau gefördert werden soll. Denn die schwelende Haushaltskrise hat auch Auswirkungen auf den weiteren Solar-Fahrplan der Energiepolitik.

Fakt ist, dass seit dem Solargipfel Anfang des Jahres keine einzige Maßnahme umgesetzt wurde. Bislang blieb es nur bei Ankündigungen oder Kabinettsbeschlüssen. Selbst die öffentlichkeitswirksam verkündeten Erleichterungen für Balkonkraftwerke zum 1. Januar 2024 haben den Bundestag noch nicht passiert.

Noch vager sind die jüngsten Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Habeck zur Einführung sogenannter "Resilienz-Boni". Dahinter steckt die Forderung der Solarwirtschaft, dass Betreiber Zuschüsse erhalten, wenn ihre Dachanlage an mindestens zwei Stellen europäisch gefertigte Komponenten enthält. Zweifellos eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber preisgünstigeren asiatischen Angeboten. Doch solche Zuschüsse würden, so die Begründung, die heimische Industrie resilienter, also widerstandsfähiger machen und bis zu 10.000 Jobs sichern.

Dafür seien bis 2029 rund 880 Millionen Euro nötig. "Die Entscheidung darüber wird allerdings im Bundestag fallen müssen. Dort wird das Solarpaket und damit die Novelle des EEG abschließend verhandelt", räumt BSW-Solar-Lobbyist Carsten Körnig ein. "Angesichts des Haushaltschaos und leerer Staatskassen ist jedenfalls eine neue finanzielle Unterstützung durch die Ampel-Regierung völlig unglaubwürdig", kritisiert für die CDU-Opposition der Wirtschaftspolitiker Stefan Rouenhoff und schlägt mehr Anreize für die deutsche Solarforschung und besseren Transfer ihrer Ergebnisse in die heimische Produktion vor.

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