Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Wahlkampfauftritt auf dem Münchner Marienplatz (Archivbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Nicht nur Olaf Scholz, viele Bundespolitiker leisten in Bayern Wahlkampfhilfe.

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Ampelpolitik: Fluch oder Segen im bayerischen Wahlkampf?

Im BR24 BayernTrend kommt die Berliner Ampel auf 27 Prozent: Die FDP wäre mit 3 Prozent nicht mehr im Landtag, die SPD bei 9, die Grünen bei 15 Prozent. Stellt sich die Frage: Helfen die Auftritte der Bundespolitiker den bayerischen Landesparteien?

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Zu den vielen Hemmnissen der SPD in diesem bayerischen Wahlkampf gesellt sich an diesem Tag auch noch das Wetter. Ein mächtiges Gewitter entlädt sich über dem Inn bei Mühldorf. Es schüttet, als Kevin Kühnert, der SPD-Generalsekretär, seine Wahlkampf-Wanderung angeht. Kühnert scheint unbeeindruckt von den sintflutartigen Regenfällen: "In Bayern gilt: Nur die Harten kommen in den Garten", scherzt er, während er regenfestes Schuhwerk anzieht.

Kein Rückenwind für die SPD

Eine Handvoll bayerischer Genossen hat sich auf dem Parkplatz zum Naturerlebnisweg Innaue eingefunden. Auch Gottfried Kirmeier, im blauen Regencape, trotzt den Wassermassen. Er ist sehr froh, dass der Berliner SPD-Mann Kühnert nach Bayern, in die Diaspora, gekommen ist. Kirmeier setzt große Hoffnungen in den Nachwuchs, zu dem er Kühnert zählt, das Zeitrad drehe sich weiter, die Menschen würden anders wählen. Nur eben kaum die SPD. Und dass in der Berliner Ampel hauptsächlich gestritten wird, hilft ihnen in Bayern auch nicht weiter. In Mühldorf nicht, und auch nicht in Otterfing.

Im dortigen Rathaus sitzt Benedikt Hoechner, Landtagskandidat aus Murnau, neben dem Gast aus Berlin. Von der Wand schauen die Porträts vergangener Bürgermeister des Ortes grimmig in den Raum, auch etliche von der SPD sind darunter. Hoechner will die Ampelstreitereien nicht kleinreden, den Streit muss er öfter mal erklären: "Ich kann ihn sehr gut nachvollziehen, es sind drei unterschiedliche Parteien, die streiten, aber es ist jetzt kein sehr starker Rückenwind", gibt er zu.

Sein Kollege Bruno Peetroons, der gegen Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) in Miesbach antritt, will die Bundes-SPD nicht dafür verantwortlich machen, dass es in Bayern für seine Partei nicht optimal läuft. Die SPD habe es noch nie leicht gehabt, an den Wahlkampfständen müsse man sich als SPDler schon erklären, in Bayern.

Kühnert will "keine Defizit-Erzählung" für die SPD

Kevin Kühnert hört sich das Leid der Bayern-SPD mit unbewegtem Gesichtsausdruck an. Er weiß natürlich, wie schwer es werden wird. Im katholischen Kernland. Aber bange machen gilt nicht: "Die SPD ist in Bayern in der Fläche deutlich besser verankert, als das viele denken. Wir regieren hier über 200 Kommunen, nicht nur die größeren Städte, sondern auch viele kleinere Gemeinden." Kühnert, der Wahlkämpfer, schöpft seine Hoffnung daraus, um "keine Defizit-Erzählung zu erzählen", die so gar nicht stimme.

Er selbst kommt gut an, im Freistaat. Fremde Menschen halten ihn auf der Straße an, wollen Selfies. Auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Traunreut geraten die Sozialdemokraten ins Schwärmen, Kevin sei super, ruft eine junge Frau, verzücktes Leuchten in den Augen. Ein Hoffnungsträger für die SPD. Nur steht der Berliner Kühnert in Bayern nicht zur Wahl. Und auch Kühnert muss in Traunreut gestehen, dass das "ruckelige" Gebahren der Ampel, nicht hilfreich war, aber es seien nun mal unruhige Zeiten, es gehe ums Ganze, es werde gerungen und manchmal auch gestritten.

Umfragen sehen die SPD einstellig

Gegen die Windmühlen der bayerischen Landespolitik erhofft sich SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn Schub des Bundes-Vorsitzenden, Lars Klingbeil. Auch der ist nach Bayern gekommen, nach Franken genauer gesagt, und spricht sich und von Brunn in einem Wirtshaus in Bamberg Mut zu. Die Ausgangsvoraussetzungen in Bayern seien ähnlich schwer wie bei der Bundestagswahl, führt Klingbeil aus, auch da habe der SPD "keiner zugetraut hat, dass wir gewinnen, am Ende haben wir es geschafft". Dass die SPD am Ende in Bayern die Wahl gewinnt, dürfte jedoch selbst der größte Optimist nicht glauben. In Umfragen liegt die Bayern-SPD konstant unter zehn Prozent.

Würde die Ampel in Berlin weniger streiten, hätten die Genossen in Bayern wohl eine kleine Chance, in München mitregieren zu können. Aber die Aussichten sind ähnlich trübe wie der Inn bei Gewitter und Starkregen.

FDP setzt auf Zugpferd Lindner im Wahlkampf

Es scheint einer der heißesten Tage in Bayern zu sein, an dem die FDP in die ebenfalls heiße Wahlkampfphase startet. An diesem Dienstagvormittag hat es gegen 11 Uhr schon über 30 Grad. Die Sonne brennt auf die Starnberger Wiege, eine Veranstaltungsfläche mit großer Tribüne in der Nähe des Bahnhofs. Gleich soll eine Wahlkampfveranstaltung beginnen. Vor Ort ist Martin Hagen, der Spitzenkandidat der FDP in Bayern, der prominente Unterstützung aus Berlin bekommt. "Wir freuen uns, wenn Christian Lindner kommt. Das ist natürlich immer ein Highlight."

Der Bundesvorsitzende der Partei soll die Plätze füllen, was an diesem Vormittag nicht so richtig gelingen mag. Einige Anhänger sind da, am Straßenrand ein paar Schaulustige. Aber diejenigen, die trotz erdrückender Hitze gekommen sind, sind in der Tat wegen Lindner da. Sie wollen hören, was der Parteichef und Bundesfinanzminister zu sagen hat. Es dauert nicht lange, dann ist Christian Lindner auch tatsächlich da, schüttelt schnell ein paar Hände und springt auf die Bühne.

Über eine halbe Stunde spricht er in der prallen Sonne: Energieversorgung, Klimaschutz, Migration, Unterstützung der Wirtschaft. Er fordert eine Zeitenwende in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Schluss mit dem ständigen Schuldenmachen. Erst müsse erwirtschaftet werden, bevor etwas verteilt werden könne, so Lindner. Die Kernaussagen des FDP-Chefs sind klar und auch nicht neu.

Kritiker: FDP in der Ampel zu kompromissbereit

Die Stimmung unter dem Publikum ist auf den ersten Blick gut, auf den zweiten weniger. "Weil die FDP meiner Ansicht nach zu wenig, ihre eigenen Positionen herausstellt", sagt ein älterer Mann. Neben ihm sind hier mehrere dieser Meinung. Die FDP sei in der Ampel zu kompromissbereit, kritisieren sie. Statt weniger Streit wünschen sie sich mehr Streit, um den richtigen politischen Kurs.

Für den bayerischen Spitzenkandidaten Martin Hagen ein Dilemma in diesem Wahlkampf: "Wenn ich mit Bürgerinnen und Bürgern spreche, merke ich schon, dass die Streiterei in der Bundesregierung die Erfolge in der Ampel ein Stück weit überschattet." Über zehnmal tritt Christian Lindner bis zum Wahltag in Bayern auf. Fliegt die FDP aus dem Landtag, droht ihm womöglich eine Debatte, ob er noch der Richtige an der Bundesspitze ist.

Lindner: "Bayern ist für uns traditionell kein einfaches Pflaster"

Von Starnberg geht es nach München: Dort wartet ein voll besetzter, großer Festsaal im Bayerischen Hof auf den Minister. Viele Besucher sind gekommen, um den Bundesminister mal live zu erleben. Manche nutzen die Gelegenheit, um ihren Frust über die FDP im Bund loszuwerden. So stichelt ein junger Mann: "In wessen Interesse ist in diesem Land noch die Schuldenbremse?" Statt dem Einhalten der Schuldenbremse fordert er mehr Investitionen in den Klimaschutz und in die Wirtschaft. Lindner stellt sich sämtlichen kritischen Fragen. Der direkte Austausch mit den Bürgern scheint ihm Spaß zu machen.

Nach zwei Stunden lebhafter Debatte ziehen die Besucher eine gemischte Bilanz. Manche konnte der FDP-Vorsitzende überzeugen, andere wiederum nicht. Zwei junge Männer sind sich unsicher, ob Lindner mit seinen Bundesthemen überhaupt eine große Unterstützung im bayerischen Landtagswahlkampf sein kann. Für den Parteichef aus Berlin ist jedenfalls klar: "Bayern ist traditionell für uns kein einfaches Pflaster." Umso wichtiger wäre Rückenwind aus Hauptstadt, Rückenwind aus der Ampel-Koalition – denn Lindner allein wird das Ruder für die Liberalen im Freistaat wohl kaum herumreißen können.

Wahlkampf der Grünen: Höhenflug im Nürnberger Riesenrad

Die Grünen auf Höhenflug im bayerischen Wahlkampf: Vom Riesenrad aus überblicken die Bundesvorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang gemeinsam mit den bayerischen Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann das Nürnberger Volksfest. Die Bundes-Prominenz wird von unzähligen Kamera-Teams und Polizisten begleitet, Besucher machen Selfies. Die Unterstützung im bayerischen Wahlkampf erscheint in Nürnberg zunächst als Segen für die Landesebene: "Wir freuen uns immer, wenn die Bundesebene zu uns kommt", sagt Schulze.

Doch abseits des Medienrummels wird der Ton der Bürger rauer: "Der ganze Aufstand, was das alles kostet, der Mist", schimpft ein älterer Mann. Ein anderer findet Lang mit ihrer Politik "untragbar". Eine Frau meint, sie habe immer grün gewählt – jetzt jedoch nicht mehr. Das umstrittene Heizungsgesetz hat Spuren hinterlassen, sind sich die Befragten einig. Und halten die Grünen in der Bundesregierung dafür verantwortlich.

Grünen-Chefin Lang: als Wirtschaftspartei dem Gegenwind trotzen

Trotz Gegenwind zeigen sich die Grünen-Politiker bürgernah und wollen weder Spaß- noch Wirtschaftsbremse sein. Mit dem Besuch der Traditionsbrauerei Lammsbräu in der Oberpfalz wollen die Grünen als Partner der Wirtschaft auftreten: "Wir sind eine Wirtschaftspartei. Es geht darum, Wohlstand zu sichern – es geht um die Menschen im Land und damit um die Wirtschaft im Land", sagt Ricarda Lang.

Doch die Wirtschaft hat besonders beim Heizungsgesetz Widerstand geleistet – auch gegen die Grünen: Die Brauerei Lammsbräu beispielsweise setzt beim Heizen auch auf heimisches Holz. Doch Holzheizungen wurden im ersten Gesetzentwurf nicht als erneuerbar eingestuft. "Das ist jetzt mit drin, das war ganz stark auf Drängen von unseren Bayern", meint Lang. Dafür habe man oft in Berlin angerufen, erwidert der bayerische Spitzenkandidat der Grünen, Ludwig Hartmann. Gegenwind – egal von welcher Seite – sei wichtig, meint Lang, der treibe die Grünen erst an.

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