Störche sitzen Anfang Februar in ihrem Nest auf einem Strommast in Baden-Württemberg.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Fotograf: Patrick Seeger

Viele Störche sind schon Anfang Februar aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt - oder gleich in Deutschland geblieben.

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Störche bleiben im Winter lieber in Spanien und Deutschland

Viele Störche kehren in diesem Jahr früher als sonst aus den Winterquartieren nach Deutschland zurück. Manche Tiere sind nach Angaben des Naturschutzbundes sogar den ganzen Winter hier geblieben. Der Grund dafür ist aber nicht der Klimawandel.

Manche Störche haben wohl keine Lust mehr auf eine weite Reise gen Afrika zu ihren Winterquartieren. Sie überwintern stattdessen lieber gleich in Spanien oder Deutschland. Andere ziehen zwar gen Süden, kommen aber gerade dieses Jahr wieder früher zurück als in den vorigen Jahren.

Seit zwei Wochen werden regelmäßig sogenannte Rückkehrer gemeldet, sagte Kai-Michael Thomsen, Biologe und Storchenexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) Mitte Februar 2020. So tauchten nach Angaben von Storchenbetreuern in Deutschland die ersten Störche in Rheinland-Pfalz, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein auf. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der erste zurückgekehrte Storch schon am 2. Februar gesichtet. Warum die Zugvögel nicht mehr oder immer kürzer in ihren für sie typischen Überwinterungsgebieten in Afrika verweilen, liegt nach Ansicht Thomsens nicht an den höheren Temperaturen infolge des Klimawandels, sondern am reichhaltigen Nahrungsangebot, das den Störchen besonders in Spanien zur Verfügung steht.

Weißstörche und der Unterschied zwischen Ost- und Westziehern

Der Weißstorch ist in Deutschland die häufigste Storchenart. Bei diesen Vögeln gibt es sogenannte Ost - und sogenannte Westzieher. Die "Ostzieher" heißen so, weil sie auf der Balkanroute über den Bosporus in ihr Winterquartier nach Afrika gelangen. Sie kehren auch in Deutschland in die östlich gelegenen Bundesländer zurück. Die "Westzieher" hingegen, die in westlichen Bundesländern inklusive Sachsen-Anhalt und Thüringen überwiegen, fliegen auf der "Westroute", also über Frankreich nach Süden. Sie haben gegenüber den Ostziehern den deutlich kürzeren Weg in ihr Winterquartier, kehren dadurch auch deutlich früher als die Ostzieher wieder nach Deutschland zurück. In Schleswig-Holstein und Westmecklenburg halten sich Ost- und Westzieher die Waage, verrät Thomsen, Storchenexperte vom NABU.

Wahl der Route ist angeboren

Welcher Storch welche Route wählt - ob Ost oder West - sei ihm angeboren, sagt Thomsen. So wählen Störche "ostziehender" Eltern weiter die Ostroute, es sei denn, ein unerfahrener Jungstorch gerät in einen Trupp erfahrener Westzieher. Dann vertrauen die Jungstörche doch den erfahreneren Tieren und folgen ihnen, anstatt die entgegengesetzte, erblich vorgegebene Richtung zu wählen.

Anpassung der Störche an bestehende Bedingungen

Seit etwa 30 Jahren verzichten viele der sogenannten Westzieher auf den Flug über das Mittelmeer nach Afrika. Das liege nicht am Klimawandel, sondern am Nahrungsangebot, erklärt Storchenexperte Thomsen. In Spanien gebe es noch große, offene Mülldeponien mit organischen Abfällen sowie Reisfelder, wo die Störche Krebse finden. Sie müssen nicht viel fliegen, um zu fressen, und kehren gut genährt in ihre Brutreviere - zum Beispiel nach Deutschland - zurück. Dort kommen sie wegen der kürzeren Route mindestens einen Monat vor den Ostziehern an. Diese kehren erst zwischen Mitte März und Anfang Mai in ihre Brutreviere zurück.

Störche: Westzieher im Vorteil

Ob sich der kurze Flug und die frühe Rückkehr der Westzieher positiv auf die Anzahl der Nachkommen auswirkt, ist laut Thomsen schwer einzuschätzen. Der Bruterfolg hänge sehr von den Witterungs- und Nahrungsbedingungen nach dem Schlupf ab. Dennoch sagt Thomsen: "Die Überlebenschancen während des Winters sind bei den Westziehern ungleich besser, vor allem für die einjährigen Störche." Untersuchungen in Schleswig-Holstein ergaben, dass sich deren Überlebensrate verdoppelt hat.

Neue Strategie der Störche ist "Evolution"

Der Strategiewechsel der Störche, nicht mehr in die Winterquartiere aufzubrechen, sondern in ihren Brutrevieren wie in Deutschland auch den Winter über auszuharren, habe in diesem Jahr ganz gut geklappt, sagt Storchenexperte Thomsen. Er schätzt, dass sich diesmal bundesweit einige Hundert Störche den Zug erspart haben. "Das ist Evolution", sagt Thomson. Einige Tiere probierten es aus, und wenn es funktioniere, werde das in die nächsten Generationen getragen und zum Erfolgsmodell.

Anzahl der Störche, die dieses Jahr in Deutschland überwintert haben

Laut NABU verbrachten in Thüringen vier oder fünf Störche den ganzen Winter im Werratal. Im Kreis Groß-Gerau in Hessen seien sogar 150 bis 200 Störche über den Winter dageblieben. Die Überwinterer versuchten häufig, in Tierparks oder Vogelpflegestationen an Futter zu gelangen, heißt es seitens der Naturschutzorganisation.