Zwei Arbeiter an einer Werkbank
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Wird die Politik der AfD zum Standortrisiko für Bayern? Die BR-Redaktion mehr/wert hat Mitarbeiter und Unternehmer befragt.

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Unternehmen gegen rechts: Protest gegen AfD-Politik

Mit Forderungen nach einem EU-Austritt sowie der Ablehnung qualifizierter Zuwanderung, stößt die AfD auf Kritik bei Unternehmen und Verbänden. Dort ist die Sorge groß, dass die AfD-Politik den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.

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Ohne Fachkräfte aus dem Ausland würden in Zukunft Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland verloren gehen. Man werde künftig noch stärker auf Zuwanderung aus dem Ausland angewiesen sein, betont Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Eine Entwicklung, die mit der Politik der AfD nur schwer vereinbar wäre.

Azubi-Vertretung: "Ruck in die falsche Richtung"

Tim Wagner ist im Moment stark gefordert. Bei Audi in Ingolstadt kümmert er sich als Azubi-Vertretung um die Belange von 1.000 Auszubildenden. Der 21-jährige Mechatroniker und Gewerkschafter engagiert sich für mehr Respekt, Vielfalt und Demokratie. "Wir haben einen ganz starken Ruck in die falsche Richtung", sagt Wagner. "Wir haben das Problem, dass die Demokratie angegriffen wird, und für uns ist das schon lange ein Thema."

Im Januar demonstrierte Wagner zusammen mit der IG Metall Jugend für Demokratie am Siegestor in München. Auslöser war auch für ihn ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis, bei dem es um die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund ging. Für Wagner sind solche Proteste wichtig: "Ich glaube, was sie bringen, ist, dass sie die Leute zum Nachdenken bringen, dass die schweigende Mehrheit sich auch mal positioniert, sagt, wo sie steht, auf welcher Seite der Politik sie sich gerne einordnen würde, und es langsam nicht mehr ok ist, einfach nur zu wählen aus Protest."

Geschäftsführerin: Gefährdung des Wohlstands in Deutschland

Auch immer mehr Wirtschaftsbosse melden sich gegen die AfD zu Wort. Ramona Meinzer leitet die mittelständische Firma Aumüller Aumatic aus Thierhaupten nahe Augsburg. Mit ihren 180 Mitarbeitern ist sie weltweit Spitze bei der Automatisierung von Fenstern. Ihrer Ansicht nach würde die europa- und menschenfeindliche Politik der AfD ihr Unternehmen und den gesamten Wohlstand in Deutschland gefährden.

"Wir bei Aumüller, wir sind hier in Bayern daheim, aber in der Welt zu Hause" betont Meinzer. "Das bedeutet für uns, wir produzieren hier am Standort, aber wir liefern unsere Produkte in 72 Länder dieser Welt. Dieses ganze Thema Internationalisierung ist Teil unseres Geschäftsmodells." Das bedeute zugleich, dass, wenn eine Partei wie die AfD davon spreche, aus der EU auszutreten oder einzelne Menschen auszugrenzen, dies für sie als Unternehmer und ihr gesamtes Geschäftsmodell eine sehr große Gefahr darstelle.

Die Firma braucht Fachkräfte auch aus dem Ausland, um weltweit auf dem globalisierten Markt mithalten zu können. Ramona Meinzer ist mit ihrer Familie vor 40 Jahren aus Rumänien vor der Diktatur nach Deutschland geflohen. Auch deshalb setzt sie sich vehement für Vielfalt, Freiheit und Demokratie ein. "Als Unternehmer ist es nicht meine Aufgabe, Menschen vorzuschreiben, was sie wählen, aber meine Rahmenbedingungen verschlechtern sich massiv, wenn wir international an Attraktivität verlieren." Denn sie sei angewiesen auf Arbeitskräfte aus dem Ausland, aber auch auf den Absatzmarkt im Ausland.

Vereinigung der bayerischen Wirtschaft: "Große Sorge"

Ohne Fachkräfte aus dem Ausland würden in Zukunft Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland verloren gehen. Da sind sich Wirtschaftsexperten einig. Allein die bayerische Wirtschaft exportiert zu 50 Prozent in die EU. Die Unternehmen im Freistaat brauchen also den offenen Welt- und Binnenmarkt. Das betont auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt. Er lehnt die AfD daher grundsätzlich ab. "Unsere große Sorge ist: Sie sind ja teilweise rassistisch, sie sind auf jeden Fall rechtsradikal, sie sind antieuropäisch und sie sind prorussisch. Alle diese Faktoren schaden unserem Wirtschaftsstandort", urteilt Brossardt.

Heizungsbauer: "Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ganz schlecht"

Auch das Handwerk in Bayern ist auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Der Münchner Heizungsbauer Olaf Zimmermann stellt gerade ein Mietshaus von Gas auf Fernwärme um. Seine 26 Mitarbeiter kommen aus sechs Nationen. Die Remigrationspläne der AfD würden seiner Meinung nach nicht nur die Energiewende, sondern auch seine Firma gefährden.

"Ist definitiv existenzgefährdend", sagt Zimmermann. "Wir brauchen mehr Leute. Diese Diskussion regt dazu an, dass sie abgeschreckt werden, dass sie Angst haben, dass sie unter Druck leben, ob sie bleiben können oder abgeschoben werden. Das ist kontraproduktiv, für den Wirtschaftsstandort Deutschland ganz schlecht."

Heizungsbauer integriert Geflüchtete

Zimmerman integriert deshalb seit Jahren Geflüchtete. Wie zum Beispiel den Syrer Mahmoud Daher Almousa, der 2015 aus Aleppo geflohen ist. In Zimmermanns Betrieb hat er seine Ausbildung abgeschlossen und eine klare Meinung zur AfD. "Das ist Schmarrn, was die sagen. Ich finde es unrecht, weil wie Sie sehen, wir brauchen noch mehr Leute. Wir dürfen die Leute nicht abschieben, sondern mehr Leute herbringen", sagt Almousa. Daouda Konate kommt von der Elfenbeinküste. Er lebt seit acht Jahren in Deutschland, hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel und will in Bayern bleiben. "Klar, Deutschland hat mir viele Chancen gegeben, die ich vorher nicht hatte", resümiert er.

Und Olaf Zimmermann ist froh um jeden Mitarbeiter, den er gewinnen kann. "Traditionell gehen wir einmal mit der Firma auf das Oktoberfest, wenn dann der Syrer oder Afghane Lederhose anzieht, dann ist er integriert, dann wollen die hierbleiben und leben, und sind glücklich, hier zu sein. Das macht so viel aus. Das macht auch in einer Firma den Zusammenhalt aus. Das ist wie eine große Familie letztendlich."

Zehntausende offene Stellen für Fachkräfte im Handwerk

Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften macht dem ganzen bayerischen Handwerk schwer zu schaffen. Und es gibt zu wenig Deutsche, die noch Handwerker werden wollen. 38.200 offene Stellen für Fachkräfte im Handwerk sind derzeit in Bayern bei den Arbeitsagenturen ausgeschrieben. 19.300, also rund die Hälfte, können nicht besetzt werden. Ohne Zuwanderung ginge nichts mehr. 19 Prozent der Beschäftigten im Handwerk haben keinen deutschen Pass, bei den Bauberufen sind es sogar 26 Prozent.

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