Clemens Fuest warnt vor einer Deindustrialisierung Deutschlands
Bildrechte: pa/dpa/Caro | Ruffer

Clemens Fuest warnt vor einer Deindustrialisierung Deutschlands

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ifo-Chef: Deutschland droht "eine Art Deindustrialisierung"

Der Präsident des Ifo-Instituts in München, Clemens Fuest, hält die Warnung von CDU-Chef Merz vor einem wirtschaftlichen Abstieg für begründet. Deutschland drohe "eine Art Deindustrialisierung", der die Politik entgegenwirken müsse und auch könne.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Wochenende vor einem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands gewarnt und ein Gegensteuern verlangt. Deutschland verliere an Wettbewerbsfähigkeit und erlebe einen "schleichenden Prozess" der Deindustrialisierung.

Fuest: "Wichtige Teile könnten" abwandern

Der Präsident des Ifo-Instituts in München, Clemens Fuest, sagte dazu im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk: "Richtig ist, dass wir derzeit, vor allem durch hohe Energiepreise, aber auch durch andere Probleme in Deutschland, in der Tat einige Branchen haben, in denen Unternehmen abwandern oder Probleme haben."

Als Beispiele nannte Fuest die energieintensive Chemie- und Papierindustrie, aber auch die Autoindustrie. Das heiße nicht, dass die gesamte Industrie verschwinde, so Fuest. Es bestehe aber die Gefahr, dass wichtige Teile abwanderten: "Und da ist schon die Gefahr vorhanden, dass das zu einem Verfall des Industriestandorts führt, zu einer Art Deindustrialisierung." 

Die Politik muss an den richtigen Stellschrauben drehen

Nach Ansicht von Fuest ist es die Aufgabe der Politik, diesen Trend zu stoppen. Es gebe dafür eine "ganze Menge Stellschrauben". Als Beispiele nannte der Ifo-Präsident unter anderem Fachkräftezuwanderung, eine bessere Kinderbetreuung, damit beide Elternteile eine Vollzeitstelle annehmen könnten, eine Reform der Familienbesteuerung, Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit oder mehr Aus- und Weiterbildung.

"Die Politik braucht eine Strategie, die all diese Stellschrauben angeht. Den einen Punkt, den man bearbeiten kann, den gibt es nicht, das reicht nicht", sagte Fuest. ​

Neue Industrien statt neuer Subventionen

Darüber hinaus müsse sich die Wirtschaft in Deutschland generell neu orientieren. Es reiche nicht, an vorhandenen Industrien festzuhalten, indem man sie beispielsweise mit Subventionen wie dem von Bundeswirtschaftsminister Habeck geforderten Industriestrompreis schütze.

Es müssten neue Industrien geschaffen werden, die nicht so energieabhängig sind, aber trotzdem eine hohe Produktivität bieten. "Das ist die Aufgabe. Wenn wir das nicht schaffen, ist wirklich der Wohlstand bedroht."

Von Biontech lernen - und weitere gründe für Zuversicht

In welchen Industrien Deutschland künftig erfolgreich sein könne, wisse man derzeit allerdings nicht. Man müsse deshalb generell gute Bedingungen für Investoren schaffen, Forschung und Entwicklung breit fördern und darauf setzten, dass sich am Markt neue Unternehmen bilden, die erfolgreich sind, sagte Fuest.

Ein gutes Beispiel dafür sei Biontech. "Wer hätte gedacht, dass eine Firma, die eigentlich Krebsforschung macht, zu dem größten Industrieerfolg der letzten Jahre werden würde, in einer Pandemie, in der die Firma ihre Produkte komplett umstellt."

Alles in allem könne man aber optimistisch in die Zukunft blicken, so Fuest: "Deutschland hat sehr, sehr starke Unternehmen, Deutschland hat sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer und wenn wir die Weichen richtig stellen, dann mache ich mir um die Zukunft keine großen Sorgen."​

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!