Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Bundestag
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Bernd von Jutrczenka

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Bundestag

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Bundestag erleichtert Einwanderung von Fachkräften

Der Bundestag hat das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Es soll mehr Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern ins Land bringen, um den Fachkräftemangel zu mildern. Die Bundesinnenministerin sprach von einem "Riesenschritt für die Zukunft".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Bundestag hat das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Es wurde mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen verabschiedet. Die Union und die AfD lehnten das Gesetz ab, die Linksfraktion enthielt sich der Stimme. Mit den neuen Regelungen soll es für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland einfacher und attraktiver werden, eine Stelle in Deutschland anzunehmen, um so den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Besonders umstritten war dabei eine Sonderregel für bereits in Deutschland befindliche Asylbewerber, auf die sich die Ampel-Fraktionen zuletzt geeinigt hatten: Wenn Asylbewerber vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben oder bereits arbeiten, können sie das Asylverfahren beenden und eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen.

Punktesystem führt zur "Chancenkarte"

Im Einzelnen sieht das Gesetz vor, dass Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern künftig zur Arbeitssuche für zunächst ein Jahr nach Deutschland kommen können. Grundvoraussetzungen sind ein ausländischer Berufs- oder Hochschulabschluss und Deutschkenntnisse auf A1-Niveau. Bessere Deutsch- und Englischkenntnisse bringen zusätzliche Punkte, ebenso ein Deutschland-Bezug wie etwa ein früherer Aufenthalt, geringes Alter, Qualifikation in einem Engpassberuf sowie Berufserfahrung.

Bei ausreichender Punktzahl (mindestens sechs) können die Interessenten ein Visum beantragen und erhalten die "Chancenkarte", die ihnen den Aufenthalt zur Arbeitssuche erlaubt. Für ihren Unterhalt müssen sie selbst aufkommen. Parallel zur Jobsuche ist Arbeit von bis zu 20 Wochenstunden erlaubt. Finden die Interessentinnen eine Stelle, können sie zwei weitere Jahre bleiben und danach einen dauerhaften Aufenthalt beantragen.

Einfacherer Zugang mit ausländischen Abschlüssen

Fachkräfte mit ausländischen Abschlüssen können künftig auch dann in Deutschland arbeiten, wenn ihr Berufsabschluss hier nicht anerkannt ist. Voraussetzung sind ausreichende Berufserfahrung und ein angemessenes Gehalt in Deutschland. Das soll Lohndumping verhindern. Wer nicht genug verdient, muss die Anerkennung seines Berufsabschlusses hier nachholen. Bisher muss die Anerkennung vom Ausland aus betrieben werden, was für beide Seiten - ausländische Arbeitnehmer und künftige Arbeitgeber - zu lange dauert.

Fachkräfte mit einem von Deutschland anerkanntem Hochschul- oder Berufsabschluss können künftig auch außerhalb ihrer Branche jede qualifizierte Tätigkeit annehmen, das macht ihre Beschäftigung in Deutschland flexibler.

Im Video: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Bildrechte: BR 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz

"Blaue Karte EU" schon mit weniger Einkommen

Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die einen in Deutschland anerkannten Abschluss und einen Arbeitsvertrag haben, erhalten wie bisher die "Blaue Karte EU", die ihnen einen bis zu vierjährigen Aufenthalt ermöglicht. Die Gehaltsschwellen dafür werden aber gesenkt. In diesem Jahr auf ein Jahreseinkommen von brutto 43.800 Euro gegenüber bisher 58.400 Euro. Das soll eine Zuwanderung auch für Berufsanfänger realistisch machen.

Außerdem werden der Familiennachzug und der Weg zu einem dauerhaften Aufenthalt erleichtert. Fachkräfte mit Bleiberecht können ab März 2024 auch ihre Eltern oder Schwiegereltern nachholen. IT-Spezialistinnen und -Spezialisten erhalten auch ohne Hochschulabschluss eine "Blaue Karte EU", wenn sie über Berufserfahrung auf akademischem Niveau verfügen.

Umstrittener "Spurwechsel" für Asylbewerber

Wer zum Stichtag 29. März 2023 in einem laufenden Asylverfahren war und eine Arbeitsstelle gefunden hat, kann über einen neu eigeführten "Spurwechsel" das Asylverfahren abbrechen und hier einen Aufenthaltstitel als Fachkraft beantragen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wer einen Aufenthaltstitel als Fachkraft erhält, kann die Familie zu sich holen, ein Elternnachzug bleibt für Spurwechsler aber ausgeschlossen. Für künftige Asylbewerber gilt das alles nicht.

Der Spurwechsel soll auch Menschen ermöglicht werden, die mit einem Touristenvisum eingereist sind. Finden sie während ihres Aufenthaltes eine Arbeit, können sie von Deutschland aus ihre Einwanderung beantragen. Bisher müssen sie wieder ausreisen und dies vom Heimatland aus tun.

Faeser: "Eines der modernsten Einwanderungsgesetze der Welt"

Der Abstimmung über das neue Gesetz war eine kontroverse Debatte vorangegangen. Die Regierungsparteien würdigten das Gesetz als zentrales Element der Fachkräftestrategie zur Wohlstandssicherung und Modernisierung des Landes. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "Riesenschritt für die Zukunft unseres Landes". Deutschland bekomme "eines der modernsten Einwanderungsgesetze der Welt", unterstrich die Ministerin.

Fachkräfte fehlten überall, von der Pflege bis hin zur öffentlichen Verwaltung, sagte Faeser. Im Jahr 2022 habe es fast zwei Millionen offene Stellen gegeben. Mit Blick auf die langwierigen Verfahren in den Visastellen und bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse versprach sie, die Koalition werde die Verfahren straffen und Bürokratie abbauen.

Im Video: Bundestag erleichtert Einwanderung von Fachkräften

Deutschland braucht mehr Arbeitskräfte - das Parlament im Ziel geeint - im Weg zerstritten - die Debatte damit hitzig.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Deutschland braucht mehr Arbeitskräfte - das Parlament im Ziel geeint - im Weg zerstritten - die Debatte damit hitzig.

Union befürchtet noch mehr Zustrom von Geringqualifizierten

Die Union kritisierte dagegen, die Regierung löse die tatsächlichen Probleme bei der Fachkräftegewinnung nicht. Dazu zählten vor allem die überlangen Verfahren an den Visastellen und die Bürokratie im Inland. Die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) bezeichnete das Gesetz als "Mogelpackung". Da stehe "zwar Fachkräfte-Einwanderung drauf", sagte sie mit Blick auf den "Spurwechsel" für Asylbewerber, "aber es ist vor allem die Zuwanderung von Geringqualifizierten aus aller Welt und ein neues Bleiberecht für Ausreisepflichtige." Lindholz warf der Regierung vor, damit neue Anreize für illegale Zuwanderung nach Deutschland zu setzen.

Der AfD-Abgeordnete Norbert Kleinwächter sagte, Deutschland benötige die Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht. "Jeder kommt rein, aber keiner fliegt raus", sagte er mit Blick auf in Deutschland lebende ausreisepflichtige Ausländer. Die Linken-Politikerin Gökay Akbulut erklärte hingegen, die Reform richte sich zu einseitig an den Interessen der Wirtschaft aus. Stattdessen müssten die Rechte der Migranten und ihrer Familien gestärkt werden.

Der Bundesrat muss einigen der neuen Regelungen noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können. Am Mittag wollte der Bundestag auch über das Weiterbildungsgesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) abstimmen. Damit sollen Weiterbildungen stärker gefördert und eine Ausbildungsgarantie eingeführt werden, um auch im Inland so viele neue Fachkräfte zu gewinnen wie möglich.

Mit Informationen von epd

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!