Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender (Archivbild)
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"Schleichender Prozess": Merz warnt vor wirtschaftlichem Abstieg

Die deutsche Wirtschaft kämpft mit einer Flaute. CDU-Chef Merz verlangt von der Bundesregierung ein Gegensteuern. Über die richtigen Handlungsschritte gibt es in der Ampel allerdings unterschiedliche Vorstellungen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit": Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz warnt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vor einem "schleichenden Prozess der Deindustrialisierung". Er forderte die Bundesregierung auf, gegenzusteuern, um einen wirtschaftlichen Abstieg zu verhindern. Der Oppositionsführer im Bundestag verweist zum einen auf eine gestiegene Zahl der Firmen-Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Außerdem habe die Zahl der Arbeitslosen mitten im Sommer zugenommen. Zudem sei die Industrieproduktion rückläufig. "Das muss uns als ein Land mit hohem Industrieanteil zutiefst besorgen."

Der CDU-Politiker forderte zu hinterfragen, ob der Arbeitsmarkt bei 769.000 offenen Stellen und 2,55 Millionen Arbeitslosen eigentlich noch richtig funktioniere. "Oder richten wir uns darauf ein, dass wir den Arbeitskräftebedarf nur noch mit immer höherer Einwanderung decken?" Wenn dem so sei, müsse sich die Bundesregierung fragen lassen, warum sie es nicht schaffe, dass wenigstens diejenigen aus dem Ausland kommen könnten, die schon vor Wochen oder Monaten entsprechende Anträge gestellt haben.

CDU: Regierung ignoriert Arbeiterpotenzial im Inland

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bemängelte, die Bundesregierung setze bei ihrer Antwort auf den Fachkräftemangel zu sehr auf Zuwanderung aus dem Ausland. "Die Bundesregierung macht den Fehler, sich vor allem auf die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu fokussieren", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dieses Potenzial sei jedoch gering. Die Regierung ignoriere die Chancen im Inland.

FDP: "Ohne Zuwanderung geht es nicht"

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reagierte mit Unverständnis auf die Kritik. "Dass eine CDU-geführte Bundesregierung jahrelang mehr Fachkräftezuwanderung verhindert und damit den heutigen Fachkräftemangel mitverursacht hat, ist die eine Sache", sagte die FDP-Politikerin der dpa. "Dass sie daraus aber nichts gelernt hat, ist haarsträubend und wohlstandsgefährdend." Selbstverständlich müsse das inländische Potenzial ausgeschöpft werden, was die Bundesregierung etwa mit der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung angehe. Damit soll laut Bildungsministerium etwa die Attraktivität einer dualen Berufsausbildung für junge Menschen erhöht werden. "Aber natürlich wird es angesichts einer alternden Gesellschaft nicht ohne mehr Fachkräftezuwanderung gehen. Wer das infrage stellt, denkt nicht zuerst an Wachstum und Wohlstand", so Stark-Watzinger.

DGB: Bundesregierung verschleppt Investitionen

Unterdessen geht auch die Diskussion um die richtige haushaltspolitische Antwort auf die wirtschaftliche Flaute weiter. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, kritisierte den Sparkurs der Bundesregierung. "Jetzt entscheidet sich, ob Deutschland auch in Zukunft noch eine starke Industrie mit guten Jobs haben wird und ob Transformation auch sozialen Fortschritt bringt", sagte sie der "Bild am Sonntag". Die Bundesregierung verschleppe Investitionen und "schaut auf den Staatshaushalt wie auf Omas Keksdose: Ich nehme nur das raus, was ich vorher reingetan habe". Das sei Gift für die Konjunktur.

Das Bundeskabinett hatte Anfang Juli den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen. Die Ausgaben sollen demnach im Vergleich zum laufenden Jahr deutlich um 30,6 Milliarden auf 445,7 Milliarden Euro sinken. Der Haushalt wird noch im Bundestag beraten.

Ampel-Diskussion: "Investitionsoffensive" - ja oder nein?

Die schwachen Wirtschaftsdaten sorgen auch innerhalb der Ampel-Koalition für Diskussionen. Aus den Reihen der Grünen hieß es, ein falscher Sparkurs schade der deutschen Wirtschaft. Die FDP erteilte Forderungen nach einer "Investitionsoffensive" zur Ankurbelung wiederum eine Absage. "Statt am laufenden Band Milliarden für Subventionsprogramme zu fordern, die am Kern des Problems völlig vorbei zielen, sollte der Wirtschaftsminister endlich konstruktiv tätig werden und einen Offensivplan für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit vorlegen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der dpa mit Wink an Minister Robert Habeck (Grüne).

Subventionen hätten ein Land noch nie wettbewerbsfähiger gemacht, twitterte auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Samstag. "Das schaffen nur bessere Bedingungen für private Investitionen in Deutschland."

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang forderte dann im ARD-Sommerinterview am Sonntag eine "neue Investitionsagenda für Deutschland". Sie befürwortete die von FDP-Finanzminister Christian Lindner vorgeschlagene Klimaschutz-Investitionsprämie, verlangte aber weitere Schritte. Habeck wiederum erneuerte in den vergangenen Tagen seine Forderung nach einem staatlich subventionierten, niedrigeren Industriestrompreis. "Die Zeit drängt und wir müssen hier schnell zu Entscheidungen kommen. Es gehe um die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, sagte auch er.

Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitgeteilt hatte.

Aiwanger: "Sind nicht mehr wettbewerbsfähig"

"Wir haben zu hohe Energiepreise, wir haben zu hohe Steuern, wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig", befand kürzlich auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in der "Münchner Runde". Um den Standort Deutschland dauerhaft attraktiv zu halten, müssten beispielsweise die Unternehmenssteuern gesenkt werden.

Für Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, greift das allerdings zu kurz. Bei Steuerdumping könne der Staat in Krisen den Menschen und Unternehmen nicht so helfen, wie es etwa während Corona, der Bankenkrise oder auch der Eurokrise gemacht wurde. Hartmann will vielmehr auf günstigen, grünen Industriestrom setzen. "Nicht auf Dauer, aber in der Übergangsphase."

Mit Informationen von dpa

Die Sorge vor dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands treibt CDU Chef Merz um.
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Die Sorge vor dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands treibt CDU Chef Merz um.

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