Das Ottonianum in Landshut - heute Jugendherberge, im "Dritten Reich" Sitz der SS
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Das Ottonianum in Landshut - heute Jugendherberge, im "Dritten Reich" Sitz der SS

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Landshut in der Zeit der Nazis: "Natürlich waren wir begeistert"

Landshut im Nationalsozialismus: Eine Geschichte von Tätern und Opfern, von Zuschauern und Mitwissern. Wenig bekannt ist zum Beispiel über die Verbindung zu Heinrich Himmler oder das KZ-Außenlager. Jetzt widmet sich eine Ausstellung der NS-Zeit.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

So ausführlich wie nie zuvor befasst sich die Stadt Landshut jetzt mit ihrer Vergangenheit während des Nationalsozialismus. In zwei Museen werden Ausstellungen eröffnet, die sich mit der Geschichte von 1933 bis 1945 und Mahnmalen des Bildhauers Fritz Koenig beschäftigen.

In Landshut: Viele "Akteure" und viele Opfer

Der Begriff "Täter" würde nicht passen, hier in dem Teil des Landshut-Museums, der den Parteimitgliedern, den Nationalsozialisten und ihren Sympathisanten gewidmet ist. Das wäre zu unpräzise, sagt Doris Danzer, Kuratorin des Museums. Ihre Ausstellung über Landshut im Nationalsozialismus soll einen umfassenden Blick auf das dunkle Kapitel ermöglichen. Täter, Mitwisser, Mitläufer – "auf sie alle trifft zu, dass sie Akteure waren". Von ihnen gab es viele in Landshut. Es gab viele Opfer. Und es gab auch Widerstand. Ein Jahr lang gilt die Ausstellung im Landshut-Museum den Teilbereichen und Schattierungen der Stadt im "Dritten Reich".

Danzer spricht von einer "Premiere". Nie zuvor habe sich Landshut in diesem Ausmaß mit der eigenen Vergangenheit ab 1933 befasst. Als der Stadtrat vollständig durch Mitglieder der NSDAP ersetzt wird, das Hakenkreuz das Stadtbild prägt, die Kinder der Landshuter Schulen uniformiert auf der bekannten Grieserwiese aufmarschieren müssen. Und später auch eine Zeitungsschlagzeile verkündet: Landshut sei nun "judenfrei".

Behutsame Präsentation

Neun Autoren haben an den Texten für die zahlreichen Fotos und Exponate mitgewirkt. Die Arbeit als Kuratorin, oftmals ein Seiltanz, erklärt Danzer. Denn immer wieder stellt sich die Frage: was zeigen – und was nicht? Der behutsame Umgang mit heute als verfassungsfeindlich eingestuften Symbolen (externer Link) sei ihr wichtig gewesen, stellt Danzer klar. Der Ansatz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. So sind auch die Uniform eines Wehrmachtssoldaten, das "Mutterkreuz" und ein erst kürzlich in Landshut bei Grabungen aufgefundener Helm Teil der Ausstellung. Plakativ ausgestellt sind sie aber nicht. Nach manchen Exponaten müssen Besucher sogar aktiv suchen.

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Die Ausstellung "Landshut im Nationalsozialismus"

Zeitzeugin: "Dummstolz waren wir"

"Die Stadt hat einen besonderen Aufschwung erlebt, deswegen waren die Leute auch so begeistert damals", erklärt Historikerin Danzer. Was Minderheiten aber widerfahren ist, den weniger als 100 Jüdinnen und Juden, das sei in der Stadt mit damals mehr als 30.000 Einwohnern nicht wahrgenommen worden. Die Menschen hätten auch weggeschaut, als Sozialdemokraten und Kommunisten inhaftiert wurden.

"Begeisterung" – so schildern zwei Zeitzeuginnen ihre Erinnerungen an den Beginn der nationalsozialistischen Bewegung in Landshut. "Dummstolz waren wir", sagt Elisabeth Ingerl, heute 93 Jahre alt. "Wir haben das gar nicht gemerkt, wir waren fanatisch beeinflusst." Als Schulkind habe sie den Lebenslauf führender Nationalsozialisten auswendig lernen müssen. Propagandalieder im Musikunterricht, Marschieren als neuer Sport. An ihrer Klosterschule weicht das Morgengebet Gedichten über Nationalstolz. "Natürlich waren wir begeistert" – das Zitat gibt der Landshuter Ausstellung ihren Titel. Als unverklärte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.

Himmlers Verbindung mit Landshut

Große Parteikarrieren haben ihren Ursprung in Landshut. Heinrich Himmler, später Reichsführer SS und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust, leitete in den 1920er-Jahren zusammen mit dem Parteipropagandisten Gregor Strasser das Landshuter Parteibüro der NSDAP. Von dort aus bereist er den gesamten Regierungsbezirk, hält antisemitische Reden und steigt schnell in der Partei auf. Von außen erinnert am Nahensteig in der Landshuter Altstadt nichts mehr an die Vergangenheit des Hauses, in dem Himmler und Strasser zum Aufstieg der Partei beigetragen haben.

Auch Landshut hatte ein KZ-Außenlager

Die Ausstellung im Landshut-Museum will deswegen auch ein Bewusstsein für die zahlreichen Schauplätze in Landshut schaffen. Für die Gebäude und Orte der Akteure – und die der Opfer. Denn auch das KZ-Außenlager Landshut war lange Zeit kaum bekannt. Erst vor wenigen Jahren konnte der Standort genau ermittelt werden. Eine Simulation vermittelt heute ein genaueres Bild von den eingezäunten Baracken an dem Ort, wo sich heute ein Teil des Landshuter Industriegebiets erstreckt. Nur wenige Bilder existieren von den Gefangenen. Ein Foto zeigt drei von ihnen bei der Zwangsarbeit am zerstörten Landshuter Bahnhof. Nur wenige Wochen existierte das Lager ab Dezember 1944. 83 Gefangene haben diese Zeit nicht überlebt. Ihre Namen konnten ausfindig gemacht werden. Nur eine Identität bleibt ungeklärt.

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Ein Gefangener bei der Zwangsarbeit am Landshuter Bahnhof

Koenig-Ausstellung und Zeitzeugenberichte

Erinnerungskultur, die auch das Werk des Bildhauers Fritz Koenig geprägt hat. Unter dem Titel "Mahnmale" knüpft die zeitgleich beginnende Ausstellung im Landshuter Koenig-Museum nahtlos an die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes an. Viele Werke von Koenig sind als Mahnmale in KZ-Gedenkstätten zu finden. In der Versöhnungskirche in Dachau oder im österreichischen Mauthausen.

"Die Aufgabe ist eine didaktische. Das Werk von Fritz Koenig zu zeigen, das sich sehr intensiv mit dem Thema Erinnerung, Mahnmal, Sepulkralkultur befasst hat. Aber es ist auch die Aufgabe, den jungen Menschen das Thema wieder nahezubringen und es lebendig zu gestalten", erklärt Kuratorin und Museumsleiterin Alexandra von Arnim. Sie hat deswegen Zeitzeugen eingeladen, die begleitend zur Ausstellung aus erster Hand berichten – in Lesungen oder Vorträgen.

Eine Zeitzeugin ist Eva Umlauf, Ärztin, Therapeutin und Überlebende des Holocaust. Als kleines Kind kam sie nach Auschwitz, wie durch ein Wunder hat sie überlebt. Ihre Geschichte erzählt sie erst Jahrzehnte später in einem Buch – und tritt öffentlich auf, bald auch in Landshut. Die Koenig-Ausstellung hat sie vorab erstmals besucht. Den Begriff der Erinnerungskultur will sie auf das Wesentliche herunterbrechen, sagt sie: "Erinnerung. Dass wir nicht die Toten, die uns begleiten, vergessen."

Erinnern mit Kunstwerken und Worten

Mehrere ausgestellte Werke Koenigs sind aus der Gruppe der Epitaphe – vereinfacht gesagt, künstlerisch angelehnt an Grabplatten. Bei einem dieser Werke hält Umlauf inne, es habe "sofort etwas ausgelöst". Die Ausstellung mache deutlich, wie vielfältig das Erinnern an Vergangenes ausgedrückt werden könne, so Umlauf: Über die Kunst, genauso über das gesprochene oder geschriebene Wort. Beides will sie bei ihrer Lesung (Montag, 8.4., 18 Uhr, Koenig-Museum Landshut) verbinden – und eine Botschaft hinterlassen.

"Dass es wichtig ist, dass man auch nach der Traumatisierung in der frühen Kindheit wieder den Weg in das Leben findet. Dass man weiterlebt und ein freudvolles Leben hat. Gerade wir, die überlebt haben und die etwas zu erzählen haben, müssen der Jugend zeigen, dass es sich lohnt, weiterzuleben, immer weiterzumachen." Eva Umlauf, Holocaust-Überlebende

Die Ausstellungen "Natürlich waren wir begeistert! – Landshut im Nationalsozialismus" und "Mahnmale – Erinnerungskultur im Werk von Fritz Koenig" sind ab dem 10. März in Landshut zu sehen.

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Das Koenig-Museum in Landshut

Zum Video: Ausstellungen - Landshut im Nationalsozialismus

Ausstellungen - Landshut im Nationalsozialismus
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Ausstellungen - Landshut im Nationalsozialismus

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