Ein Buch mit in der Mitte durchgerissenen Seiten, fotografiert in einer Berliner Kultureinrichtung
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Zerstörte Bücher in der Bezirkszentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg in Berlin

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Auch in Bayern: Rechte Angriffe auf Bücher und Bibliotheken

Es betrifft längst nicht mehr nur die USA: Mittlerweile hat der Kulturkampf die deutschen Bibliotheken erreicht. Auch in Bayern werden Büchereien immer wieder Ziel von rechtsextremen Anfeindungen und Störaktionen. Was also tun?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Es kommt immer wieder vor: herausgeschnittene Buchseiten, ausgelegte rechtsradikale Flugblätter, gestörte Veranstaltungen. Das "Aktionsfeld der Neuen Rechten" hat sich auf die öffentlichen Bibliotheken erweitert. Dabei geht es den Störern und Zerstörern nicht nur um – aus ihrer Sicht – missliebige Bücher. Es geht ganz allgemein um Themen, die sie ausgeklammert sehen möchten.

Es geht gegen Abtreibung, gegen die LGBTQ-Community, vor allem aber auch gegen Bücher, die sich kritisch mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen oder die Neue Rechte als politisch radikale Bewegung unter die Lupe nehmen.

Hamid Mohseni von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin sagt über die Gesamtsituation: "Wir haben eine polarisierte Situation in der Gesellschaft. Dazu zählt auch eine erstarkte politische Rechte, wo die AfD bundesweit eine sehr zentrale Rolle spielt, aber auch in sehr vielen oder fast allen Bundesländern."

Aktuelle Beispiele aus Bayern

Um diese Partei herum, so Mohseni, gebe es "aktivistische, aber auch selbsternannte" Intellektuelle, strategische Akteure also, die zunehmend politische Gegner identifizieren und diese auch konfrontieren. Was das heißt, zeigt das Beispiel der Stadtteilbibliothek München-Bogenhausen.

Zwei Drag-KünstlerInnen und eine Trans-Autorin sollen hier im Frühsommer eine Kinderbuchlesung veranstalten. Es hagelt Hassmails, ein anonymer Brief fragt offensiv nach, ob die Fensterscheiben der Bibliothek schusssicher seien. Die AfD ruft zum Protest auf. Tatsächlich demonstrieren rechte Gruppen am Tag der Veranstaltung vor der Bibliothek. Gegendemonstranten stellen sich ihnen entgegen. Und es dringen trotz Polizeischutz rechte Aktivisten ein und entrollen ein Transparent. Es gibt noch weitere Beispiele aus dem Freistaat, sagt Nicola Hieke von der Landeskoordinierungsstelle "Bayern gegen Rechtsextremismus".

Lesungen unter Polizeischutz: neuer Alltag?

Sie erinnere sich an einen Vorfall in Erlangen im Mai 2023, als ein Vortrag in der Stadtbibliothek von extrem rechten Mitgliedern der Burschenschaft Frankonia und der Identitären Bewegung gestört wurde. "Der Vortrag war zum Thema extrem rechte Einflüsse auf Bildung und Universitäten." Ihrer Meinung nach wurde durch das Vorgehen die Veranstaltung verhindert. Tatsächlich fühlte sich die Referentin durch die rechten Störer in ihrer Sicherheit bedroht und trat nicht auf.

Lesungen unter Polizeischutz, verstörte Besucher und Besucherinnen, die Lesungen durch den Hintereingang unter Polizeischutz betreten und verlassen müssen – der Kulturkampf hat die Bibliotheken längst erreicht. Jetzt hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus eine kleine Beratungsschrift herausgebracht. Sie soll betroffenen Bibliotheken einen Leitfaden vermitteln, soll schon in der Planung von Veranstaltungen ein Problembewusstsein entwickeln helfen, bis hin zu Verhaltensregeln im Störfall.

Selbstbild der Bibliotheken

Hamid Mohseni spricht in diesem Zusammenhang auch das Selbstverständnis der Bibliotheken an: "Vor dem Hintergrund müssen sich dann natürlich Bibliotheken auch überlegen: Was für ein Ort möchten wir sein? Und wie gehen wir mit dem Spannungsfeld um, verschiedene Medien, bewusst auch rechte Medien, zur Verfügung zu stellen, damit Menschen sich selber ein Bild machen können, was darin propagiert wird – aber eben auch auf der anderen Seite des Spannungsverhältnisses kein wertfreier Raum zu sein und gegebenenfalls auch solche Medien und solche Akteure zu ächten."

Transparenzhinweis: Diesen Artikel haben wir am 4.10. überarbeitet.

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